EU und China, zwei „große Kerle“ 中欧 „大个子” (#140)

EU-China Gipfel in Peking EU-China Summit in Beijing
EU-China Gipfel 2025 in Beijing. Copyright: Europäische Union

Europa steht derzeit vor verschiedenen Herausforderungen, aber keine davon kam in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft von China.

Chinas Außenminister Wang Yi, Juli 2025

Es ist offensichtlich, dass unsere Beziehungen in den letzten Jahren distanzierter und schwieriger geworden sind.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, März 2023

EU-China-Gipfel und die beiden „da gezi

50 Jahre diplomatische Beziehungen

EU und China, aktuelle Herausforderungen

EU-China-Gipfel und zwei „große Kerle“ 中欧 „大个子“

中欧都是国际社会中的‘大个子’ – „China und die EU sind ‚große Kerle‘ in der internationalen Gemeinschaft“, versicherte Gastgeber Xi Jinping seinen hochrangigen Gästen aus Europa in der Großen Halle des Volkes. Als solch wichtige Akteure sollten beide Seiten gemeinsam „die richtigen strategischen Entscheidungen treffen“.

Die Delegation der EU um Kommissionspräsidentin von der Leyen, Ratspräsident Costa und die Außenbeauftragte Kallas war von Japan aus nach China gereist. Tags zuvor fand in Tokio der 30. EU-Japan-Gipfel statt, wo die strategische Partnerschaft vertieft und gefeiert wurde. Diese sei

nie stärker als heute, und sie ist wichtiger denn je. Die EU und Japan teilen Werte und Grundsätze wie Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Demokratie, Menschenrechte und offenen, freien und fairen Handel.[1]

In Peking herrschte am 24. Juli eine andere Stimmung. Hier sollte es zu keiner gemeinsamen Erklärung kommen, wovon bereits im Vorfeld kaum jemand mehr ausgegangen war. Von einer vermeintlichen „Charme-Offensive“ Chinas ist wenig erkennbar, trotz Herrn Xis kumpelhafter Begrüßung. Ähnlich höflich distanziert sind Wortwahl und Handeln der EU. Die inzwischen 22 Jahre alte strategische Partnerschaft zwischen der EU und China ist 2025 nicht der Rede wert.

Diese schlechte Stimmung wurde medial widergespiegelt und verstärkt: „Europäisch-chinesische Eiszeit“, „Beziehungen schlechter denn je“ (FAZ), „an einem Tiefpunkt“ (Handelsblatt), „Ein Eklat liegt in der Luft“ (SZ) „Trümmer einer China-Strategie“ (FAZ), „Verhärtete Fronten“ (TAZ), „Eisige Atmosphäre“ (NZZ).

Dabei gibt es für die EU und China 2025 gleich zwei Jubiläen zu feiern: 50. Jahre diplomatische Beziehungen und den 25. EU-China-Gipfel.

25. EU-China-Gipfel – kaum Feierlaune zwischen der EU und China

Die Unstimmigkeiten und Differenzen zwischen der EU und China haben in den letzten Jahren merkbar zugenommen. Die traditionell im jährlichen Wechsel stattfindenden Gipfel sind Ausdruck der bilateralen Instabilität. Seit der Corona-Pandemie sind diese erkennbar aus dem Takt geraten. In der Summe sprengte der angehäufte Ballast einen möglichen feierlichen Rahmen bereits vor dem diesjährigen Jubiläumsgipfel.

Das Gesprächsformat „EU-China High-Level Economic and Trade Dialogue“, ein hochrangiges Treffen zwischen dem Vizepräsidenten der EU-Kommission und Chinas Vizepremier, wurde wegen mangelnder Fortschritte seitens der EU abgesagt.

Der 25. EU-China-Gipfel hätte bereits letztes Jahr in Europa stattfinden sollen, scheiterte womöglich an Xi Jinpings Desinteresse an einer Reise nach Brüssel. Andere nennen mangelnde Kapazitäten der EU während der Europawahl 2024 als Grund.[2]

Eine Einladung der EU nach Brüssel diesen Mai zur Feier des 50-jährigen Jubiläums seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen schlug der Kern-Anführer aus.[3] Belegt ist, dass Herr Xi es im Mai vorzog, anstatt des „großen Kerls“ EU seinen „guten Freund“ W. Putin in Moskau zu besuchen und dort an Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs teilzunehmen.

Ursprünglich sollte es noch ein zweitägiger Gipfel werden. Nach dem ersten Tag in Peking war eine Reise in die Provinz Anhui geplant. Zu diesem Ausflug mit persönlicher Note kam es jedoch nicht. Medien zufolge wurde der Gipfel auf Wunsch der chinesischen Seite auf das nötigste verkürzt.

Randnotiz: Frau von der Leyens Vater hatte Mitte der 1980er als Ministerpräsident eine Provinzpartnerschaft zwischen Niedersachsen und Anhui initiiert. Damals war die Provinz noch von Landwirtschaft und Armut geprägt und zählte zu den ärmsten des Landes. Seit der Jahrtausendwende und insbesondere seit Xi Jinpings Amtsantritt 2012 hat sich die Provinzhauptstadt Hefei zu einem Zentrum des technologischen Wandels in der „neuen Ära“ entwickelt. Das „Hefei Modell“ wird von manchen als „Staatskapitalismus in seiner besten Form“ bezeichnet.[4]

Um das persönliche Treffen vor allem mit Staats- und Regierungschef Xi Jinping und weiteren Spitzenkadern der Kommunistischen Partei überhaupt zu ermöglichen, reisten die Europäer am 24. Juli nach Peking. Der direkte Austausch gilt als bestes Gegenmittel für mögliche Echokammern innerhalb der chinesischen Führung.

Letztlich wurde der 25. EU-China-Gipfel einer im Schnelldurchlauf. In der berühmt-berüchtigten China Speed quasi, allerdings ohne gemeinsame Abschlusserklärung. Solch eine gemeinsame Gipfel-Erklärung gab es zuletzt 2019.

Vor die Presse traten Frau von der Leyen und Herr Costa ohne chinesische Beteiligung. Auch das hat Tradition. „Ehrlich und offen“ seien die Gespräche gewesen, sagte Herr Costa. Und Frau von der Leyen sprach von einem „Wendepunkt“ im Verhältnis der EU zu China, der eine „Neugewichtung unserer bilateralen Beziehungen unerlässlich macht“.

Umgang der EU mit China nach dem Gipfel: Ende der Naivität?

Wie soll diese „Neugewichtung“ aussehen, um die aus Brüsseler Sicht vorhandenen offenen Fragen, Differenzen und Streitpunkte im Verhältnis zu China in eine „Win-Win“ Situation für die „nächsten 50 Jahre“ umzuwandeln?

Die Presseerklärung der EU zum 25. EU-China Gipfel zeigt, wo man das Verhältnis zum „Partner, Wettbewerber, Systemrivalen“ aktuell sieht, und wo man es gerne hätte.[5]

Die EU unterstrich die Bedeutung, die sie dieser Beziehung weiterhin beimisst, und bekräftigte ihre Entschlossenheit, das Engagement mit China zu vertiefen und die Zusammenarbeit zu verstärken, um gemeinsame globale Herausforderungen wie den Klimawandel anzugehen.

Dieses Engagement müsse zu einer für „beide Seiten vorteilhafte Wirtschaftsbeziehung führen, die auf Fairness und Gegenseitigkeit beruht.“

Der Angriffskrieg Russlands stelle „nicht nur eine existenzielle Bedrohung für die Ukraine, sondern auch für die globale Sicherheit“ dar. China solle seinen „Einfluss geltend“ machen und habe als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats

eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung, der UN-Charta und des Völkerrechts. […] Die EU wiederholte ihre Aufforderung an China, keine materielle Unterstützung zu leisten, die die militärisch-industrielle Basis Russlands stärkt.

Ungleiche Handelsbeziehungen und Wettbewerbsbedingungen:

[B]esorgnis über anhaltende systemische Verzerrungen und wachsende Überkapazitäten im verarbeitenden Gewerbe, die beide zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen. […] Forderung nach Fortschritten bei seit langem bestehenden Marktzugangsproblemen und erinnerte daran, dass chinesische Investitionen in Europa zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit, zum technologischen Fortschritt und zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze in der EU beitragen müssen.

Die EU ist weiterhin bereit, einen konstruktiven Dialog zu führen, um Verhandlungslösungen zu finden. Solange dies nicht der Fall ist, wird die EU angemessene, rechtskonforme Maßnahmen ergreifen, um ihre berechtigten Interessen zu schützen.

Mangelnde Gegenseitigkeit und „nur begrenzter“ Marktzugang im digitalen Bereich.

Die EU bekräftigte erneut ihre anhaltende Besorgnis über die mangelnde Klarheit hinsichtlich der chinesischen Datensicherheitsvorschriften und des grenzüberschreitenden Datenverkehrs aus China sowie über böswillige Cyberaktivitäten, deren Ursprung in China festgestellt wurde.

Zuletzt zwei Absätze zur Menschenrechtslage und zu Taiwan.

(T)iefe Besorgnis über die Menschenrechtslage in Xinjiang und Tibet, die Behandlung von Menschenrechtsverteidigern und Angehörigen von Minderheiten sowie die anhaltende Aushöhlung der Grundfreiheiten in Hongkong, wo China seinen früheren Verpflichtungen nachkommen sollte.

Die EU bekräftigte ihre konsequente Ein-China-Politik und äußerte sich besorgt über die zunehmenden Spannungen in der Taiwanstraße. […] Die EU lehnt alle einseitigen Versuche ab, den Status quo mit Gewalt oder Zwang zu ändern, und besteht darauf, Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln im Einklang mit dem Völkerrecht beizulegen.

Die Neuausrichtung der Beziehungen und einen besseren Marktzugang fordert auch der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jens Eskelund:

Alle unsere Mitglieder berichten uns, dass sie Geschäftsmöglichkeiten verloren haben, weil sie ein ausländisches Unternehmen sind.[6]

Die Mängelliste der Europäer ist lang und in den letzten Jahren nicht kürzer geworden. Diplomatisch und dennoch erkennbar frustriert „erinnert“, „bekräftigt“, „betont“ und „unterstreicht“ die EU „weiterhin“ jene Standpunkte und Positionen vom 24. EU-China Gipfel 2023 in Peking.

Neu, und Ausdruck der Verschärfung ist allerdings die Androhung, „angemessene, rechtskonforme Maßnahmen“ zum Schutz „berechtigter Interessen“ zu ergreifen, sollten diese „lang anhaltenden“ Probleme weiterhin bestehen bleiben.

Gleichzeitig unterstreicht die EU bei aller Kritik stets die Bereitschaft zu Engagement und gemeinsamen Verhandlungslösungen mit China.

So sucht man auch nach diesem 25. EU-China-Gipfel die großen Erfolge, Durchbrüche, oder zumindest Einigkeit, größtenteils vergeblich. Von all der Verhandlungsmasse konnte Frau von der Leyen allein die gemeinsame Erklärung zur Klimazusammenarbeit als Erfolg hervorheben. Diese sei ein „großer Schritt vorwärts“.

Als weiteres „deliverable“ und damit als eine Art Erfolg wurde bereits die Tatsache gewertet, dass es überhaupt zu einem persönlichen Treffen und Gesprächen gekommen ist.

50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen der EU und China

Am 6. Mai 1975 vereinbarten Sir Christopher Soames, Vizepräsident der Europäischen Wirtschaftskommission und Chinas Ministerpräsident Zhou Enlai in Peking die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Das bilaterale Handelsvolumen betrug 1975 rund €2 Milliarden.

2024 waren es ebenfalls €2 Milliarden – allerdings pro Tag. Was rund einem Drittel des gesamten Welthandels entspricht.[7] Gut ein halbes Jahrhundert später ist das bilaterale Handelsvolumen auf €730 Milliarden Euro angewachsen. Allerdings hat sich das Handelsbilanzdefizit der EU mit China innerhalb des vergangenen Jahrzehnts auf rund €306 Mrd (2024) verdoppelt. China exportiert damit vier Mal mehr in die EU wie umgekehrt.[8]

Die Zahlen zeigen, dass guten bilateralen Beziehungen allein aus wirtschaftlichen Gründen im Interesse beider Seiten sind. Win-Win, wäre da nicht dieses aus europäischer Sicht enorme Ungleichgewicht.

Das China-Mantra der EU: De-risking NICHT Decoupling!

Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten ihr Engagement für die Vertiefung ihrer Partnerschaft für Frieden, Wachstum, Reformen und Zivilisation auf der Grundlage der Prinzipien gegenseitiger Achtung, Vertrauen, Gleichheit und gegenseitigen Nutzens. […]

Die EU und China verpflichten sich, ihre Wirtschaftsbeziehungen auf Offenheit, Nichtdiskriminierung und fairen Wettbewerb aufzubauen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen, Transparenz und gegenseitigen Nutzen zu gewährleisten.[9]

Das Zitat aus der letzten gemeinsamen Erklärung vom EU-China-Gipfel 2019 ist einerseits nur sechs Jahre her. Andererseits liest sich das ganze Dokument doch wie aus einer anderen Zeit und Welt.

Wie in den Jahren zuvor formte der Ausbau der strategischen Partnerschaft damals den Rahmen der insgesamt 24 Punkte umfassenden Erklärung. Erstmals wurden aber auch gesonderte Erklärungen zu Handel und Wettbewerb formuliert. Und dass man „wesentliche Hindernisse“ gemeinsam beseitigen wolle. Ebenfalls 2019 etablierte sich der Dreiklang „Partner, Wettbewerber, Systemrivale“ sowie Forderungen nach einem „level playing field“.

Seit 2023 lautet die Strategie der EU zur Verringerung einseitiger Abhängigkeiten „De-risking“ und konzentriert sich auf die Bereiche Handel und Sicherheit.

Die angestrebte Risikominimier-, Diversifizier- und Souveränisierung hat Folgen. Die Betonung von Gemeinsamkeiten wird immer mehr zur Ausnahme und jene der Differenzen zur Regel. Mit dem „Ende der Naivität“ haben sich Ton wie Wortwahl verändert und verschärft. Die strategische Partnerschaft ist 2025 kein hervorzuhebendes Thema mehr. Viel Porzellan ist zerschlagen worden und politisches Vertrauen verloren gegangen.

China als Herausforderung für die EU, die Hauptpunkte 2025

Das Handelsdefizit, laut Frau von der Leyen der „größte Handelsüberschuss der Menschheit“, ein begrenzter Marktzugang, Exportkontrollen und Überkapazitäten belasten allesamt das europäisch-chinesische Verhältnis.

Zum Schutz der eigenen Interessen leitete die EU bereits 2024 über 25 Untersuchungen gegen verschiedenste chinesische Produkte ein.[10] Auch China agiert und reagiert entsprechend und setzt die eigene Sanktionskiste je nach Bedarf gezielt ein.

Hinzu kommt die Versorgung mit, bzw. die Abhängigkeit von Rohstoffen. Rund zwei Drittel der weltweiten seltenen Erden werden in China gefördert. Europäische Unternehmen sind im Falle von Exportbeschränkungen betroffen, klagen über Engpässe und warnen vor Produktionsstopps. Wie zuletzt als Folge der im April verhängten Lizenzpflicht für die Ausfuhr bestimmter seltener Erden und Pergamentmagnete.[11] Ein Thema auf dem eingangs erwähnten EU-Japan-Gipfel war eine Allianz für kritische Rohstoffe.

Auf geopolitischer Ebene sorgt vor allem das Verhältnis zu Russland für Verstimmungen. Das Land sei sei zu 80% für die Umgehung westlicher Sanktionen gegen Russland verantwortlich. Nur durch chinesische Rohstoffkäufe und die Lieferung chinesischer Dual-Use Güter könne Russland seinen Krieg fortzusetzen, kritisiert beispielsweise die EU-Außenbeauftragte Kallas.

Chinesische Unternehmen sind Moskaus Rettungsanker, um seinen Krieg gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten.

China ist mit Abstand der größte Abnehmer von russischem Öl, Gas und Kohle und hat seit Februar 2022 im Wert von rund 260 Mrd. Euro importiert. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass europäische Staaten (oder Indien) ebenfalls weiterhin mit Millionen und Abermillionen von Euro Moskaus Kriegskasse füllen. Seit der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 bis Mai 2025 sollen die Importe aus Europa rund €211 Euro entsprechen.[12]

Nicht nur der deutsche Verfassungsschutz vermutet Russland und China hinter einer Großzahl der stark steigenden Cyberangriffe und warnt vor den Gefahren und Schäden. Erst im Mai wurde das Außenministerium Tschechiens Ziel eines Angriffs, hinter der eine Hackergruppe aus China vermutet wird.

Cyberangriffe begleiten das Interesse Chinas an einer globalen Spitzenposition in Politik, Wirtschaft, Technologie und Militär.[13]

Der Global Threat Report 2024 des US-Cybersicherheitsunternehmens Crowdstrike sieht einen Trend.

Aktivitäten mit China-Bezug stiegen in allen Sektoren um 150 %, mit einem erstaunlichen Anstieg von 200 bis 300 % in wichtigen Zielbranchen wie Finanzdienstleistungen, Medien, Fertigung und Industrie/ Maschinenbau. Im Jahr 2024 erreichten Chinas Fähigkeiten im Bereich der Cyberspionage einen kritischen Wendepunkt, der durch immer dreistere Angriffe, heimlichere Taktiken und erweiterte operative Kapazitäten gekennzeichnet war.[14]

Und dann ist da noch Taiwan. Die kleine Inselrepublik mit ihren gut 23 Millionen Einwohnern stellt die fortschrittlichsten Computerchips für die Welt her, die Taiwanstrasse ist eine Hauptschlagader des internationalen Handels. Chinas national(istisch)e und geopolitische Interessen treffen hier direkt auf jene der USA und der „freien Welt“. Die Spannungen erhöhen das Risiko einer militärischen Eskalation mit weitreichenden negativen Auswirkungen über die Region hinaus.

Droht in der Taiwanstraße ein Konflikt? Ja. Ist er noch abzuwenden? Ja, wenn sich möglichst viele dafür einsetzen. Das Bemühen sollte von der Einsicht geleitet sein, dass sich der Konflikt um Taiwan vorläufig nicht lösen, sonder nur managen und einhegen lässt. [14]

Ausblick – Tausche Freiheit gegen Sicherheit?

Die Volksrepublik China und die herrschende Kommunistische Partei sehen das eigene System als überlegen und im „Trend der Zeit“. In Beijing hat man eine eigene Sicht auf Europa und die EU.

Einer Formulierung der Xiplomatie zufolge kam keine der Herausforderungen, vor denen die EU steht, in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft von China. Andere sehen den Umgang mit der Volksrepublik China durchaus als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Ob in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft: China bewegt sich überhaupt nur in Richtung Kompromiss, wenn es letztlich den eigenen Interessen dient. Je geeinter und strategischer die EU eigene Standpunkte vertritt, desto besser die Verhandlungsposition.

In der Realität herrscht jedoch nicht nur beim Thema China-Politik zu oft Uneinigkeit. Eine gemeinsame China-Strategie gibt es nur auf Papier, immerhin. In der Praxis ziehen die 27 EU-Mitgliedsstaaten selten an einem Strang. Ungarn oder Spanien sind wollen mehr China statt de-risking. EU-weit gibt es Befürworter einer Annäherung an China und das chinesische Modell.

Innerhalb der Nationalstaaten nehmen Tendenzen der Spaltung und Polarisierung zu. Die Demokratie wird von Teilen der Gesellschaft als Staatsform der Wahl in Frage gestellt. Autoritäre Strömungen, Populismus, Radikalismus und deren Protagonisten gewinnen an Attraktivität.

Die geopolitischen Karten werden neu gemischt. In der internationalen Unordnung versucht die EU in einem Balanceakt, ihren Platz zwischen den USA und China zu behaupten. Seit der Entfremdung der USA unter Präsident Trump könnte eine „Eurasische Union“ eine Option werden.

Eine der großen europäischen Fragen der kommenden Jahre wird sein, ob der liberal-freiheitliche „European Way of Life“ sich gegen den Druck von außen wie innen behaupten können wird. Oder werden autokratisch-autoritäre Gegenmodelle weiter an Popularität und Einfluss gewinnen?

Es geht letztlich um die Existenzgrundlage und Legitimation der Europäischen Union und den Fortbestand des gemeinsamen Friedensprojekts.

Hier liegt eine der größten Herausforderungen für die EU.

Die Geschichte der Volksrepublik China widerlegt viele Annahmen über den Wandel von Diktaturen. Insbesondere die Vorstellung, dass die Einführung des Kapitalismus und die Kooperation mit Demokratien in eine politische Liberalisierung münden, bewahrheitete sich in China nicht.[15]

Weitere Beiträge zu den europäisch-chinesischen Beziehungen und zur China-Politik der EU.

„Xi Jinping-Gedanken über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära“ (#37)

Quellen:

[1] EU-Japan Summit Joint Statement, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2025/07/23/eu-japan-summit-2025-joint-statement/

[2] Ein Eklat zwischen China und EU liegt in der Luft, https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-china-gipfel-welthandel-usa-russland-ukraine-li.3285662

[3] Xi Jinping snubs EU-China anniversary summit, https://www.ft.com/content/1ed0b791-a447-48f4-9c38-abbf5f2837a6

[4] https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/08/05/an-unlikely-tech-cluster-exemplifies-chinas-economic-vision

[5] EU-China Summit Press Statement, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2025/07/24/25th-eu-china-summit-eu-press-release/pdf/

[6] ‘Rebalancing’ needed in China-Europe relationship, chamber president says, https://www.scmp.com/economy/global-economy/article/3319268/rebalancing-needed-china-europe-relationship-chamber-president-says

[7] 2025: 50 years of diplomatic relations between the European Union and China and the 25th EU China Summit on 24-25 July, https://institutdelors.eu/en/publications/2025-50-years-of-diplomatic-relations-between-the-european-union-and-china-and-the-25th-eu-china-summit-on-24-25-july/

[8]Die sechs größten Streitpunkte zwischen Europa und China, https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-die-sechs-groessten-streitpunkte-zwischen-europa-und-china/100143133.html

[9] EU China Joint Statement 2019, https://www.consilium.europa.eu/media/39020/euchina-joint-statement-9april2019.pdf

[10] China hits out at EU ahead of tough talks in shadow of trade and Ukraine war, https://www.ft.com/content/dc6dda63-ab3f-414a-9753-6c914b07fbb0

[11] Seltene Erden: Chinesisches Druckmittel, https://www.iwd.de/artikel/seltene-erden-chinesisches-druckmittel-654565/

[12] https://www.russiafossiltracker.com/

[13] Verfassungsschutzbericht 2024, S.320

[14] Crowdstrike, https://www.crowdstrike.com/en-us/global-threat-report/

[15] Stephan Thome, Schmales Wasser, gefährliche Strömung. Suhrkamp (2024), S.312

[16] Frank Bösch, Deals mit Diktaturen, (2024) C.H. Beck, S.462

Sinoskop abonnieren, keinen neuen Beitrag verpassen & exklusiv „Die Woche im Sinoskop“ erhalten!
Du erhältst etwa 1-2 Emails pro Woche. Die Abmeldung ist jederzeit möglich.
Die gespeicherte E-Mail-Adresse wird nicht an Dritte weitergereicht, es werden keine weiteren Daten erhoben oder gespeichert. Weitere Informationen zum Datenschutz findest Du in der Datenschutzerklärung.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*