„8964“ – 36. Jahrestag Tiananmen (#138)

Tiananmen 36. Jahrestag, Peking, China.
Beijing, 7-11 June 1989, Zhongguancun street. Quelle: Daiwenchen, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

The following days, the army began to clean up the city. All along Chang‘an Avenue, cranes could be seen lifting the charred remains of buses and armoured vehicles onto flat-bed trucks. Soldiers, with their AK-47s slung across their backs, swept debris into neat piles.

Frank Dikötter, China After Mao

8964 – 36. Jahrestag des Tiananmen-Massakers

Das „Tiananmen-Massaker“ jährt sich zum 36. Mal. Die Ereignisse rund um den 4. Juni 1989 markieren das blutige Ende einer landesweiten Protestbewegung. Mit der Stürmung des Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, wurden sämtliche Forderungen nach sozialen, politischen und wirtschaftlichen Reformen niedergeschlagen.

#31 六四 – 4. Juni (Tiananmen 1989) – 30. Jahrestag

In der Volksrepublik sind die Machthaber der Kommunistischen Partei Chinas auch dreieinhalb Jahrzehnte später weiterhin felsenfest entschlossen, dieses Kapitel der jüngeren chinesischen Geschichte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln aus der kollektiven Erinnerung zu tilgen. Zensur ist Trumpf. Und die Partei ist damit recht erfolgreich. Ein in vielen Teilen der Welt populärer, reaktionärer bzw. autoritärer Zeitgeist fördert das Vergessen solcher „Zwischenfälle“ zusätzlich.

„8964“ – Erinnern staatlich verboten

Im Victoria Park in Hongkong gedenkt auch dieses Jahr niemand den Opfern vom Platz des Himmlischen Friedens. Statt zehntausender Menschen fanden sich chinesischen Medien zufolge lediglich ein paar Hundert auf dem „Hometown Market“ ein. Seit drei Jahren präsentieren sich dort chinesische Provinzen vom Festland mit knapp 300 Ständen.

六四 – 34. Jahrestag der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen (#106)

Den wenigen, die sich dennoch weigern zu schweigen und ihre Stimmen den Umständen zum Trotz erheben, schenkt der Staat dieser Tage wieder seine besondere Aufmerksamkeit.

Wie die 88-jährige Zhang Xianling, eine der Gründerinnen der „Tiananmen Mothers“. Sie berichtet, dass sie seit Anfang April wieder Aufpasser vor ihrem Haus in Peking stehen hat.

Gedenken an die Opfer von Tiananmen 1989 (#62)

So wird, durch eine hohe Polizeipräsenz an bestimmten Orten, mit Hausarresten und Verhaftungen bekannter Unruhestifter, Unerwünschtes im Keim erstickt.

2025 ist und bleibt die Insel Taiwan der einzige Ort in China, an dem Menschen den Ereignissen vom 4. Juni 1989 öffentlich gedenken dürfen. Mit Blick auf Taiwan schwingt jedoch auch hier die besorgte Frage mit – wie lange noch?

Rubio gedenkt der „Tapferkeit der Chinesen“

Auf der politischen Weltbühne erinnerte der amerikanische Außenminister Marco Rubio per Pressemitteilung an die Ereignisse vom Frühjahr 1989:

Im Frühjahr 1989 versammelten sich Zehntausende von Studenten auf dem größten öffentlichen Platz in Peking, um das Ableben eines Führers der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu betrauern, der versucht hatte, China zu einem offeneren und demokratischeren System zu führen. Ihre Aktionen inspirierten eine nationale Bewegung. Hunderttausende von einfachen Menschen in der Hauptstadt und in ganz China gingen wochenlang auf die Straße, um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrzunehmen und für Demokratie, Menschenrechte und ein Ende der grassierenden Korruption einzutreten. Die KPCh reagierte mit einer brutalen Niederschlagung, indem sie die Volksbefreiungsarmee (PLA) schießen ließ, um die pro-demokratischen Gefühle der unbewaffneten Zivilisten auf den Straßen Pekings und auf dem Platz des Himmlischen Friedens auszulöschen.

Die KPCh versucht aktiv, die Fakten zu zensieren, aber die Welt wird das nie vergessen. Heute gedenken wir der Tapferkeit der Chinesen, die getötet wurden, als sie versuchten, ihre Grundfreiheiten auszuüben, sowie derer, die weiterhin unter Verfolgung leiden, weil sie Rechenschaft und Gerechtigkeit für die Ereignisse des 4. Juni 1989 fordern. Ihr Mut im Angesicht der Gefahr erinnert uns daran, dass die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie und der Selbstbestimmung nicht nur amerikanische Grundsätze sind. Es sind menschliche Prinzipien, die die KPCh nicht auslöschen kann.

(Quelle: Webseite Department of State)

Die chinesische Sicht

Eine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die chinesische Seite reagierte wenig überraschend empört, verurteilte die Aussagen des amerikanischen Außenministers, und legte offiziell Beschwerde ein.

Lin Jian, Pressesprecher des chinesischen Außenministeriums am 4. Juni:

Diese Äußerungen verfälschen böswillig historische Fakten, greifen Chinas politisches System und seinen Entwicklungsweg an und mischen sich in die inneren Angelegenheiten Chinas ein.

Die chinesische Regierung hat seit langem eine klare Schlussfolgerung zu den politischen Unruhen der späten 1980er Jahre gezogen.

Der Weg des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen ist die Entscheidung der Geschichte und des Volkes und wird vom chinesischen Volk von ganzem Herzen unterstützt und von der internationalen Gesellschaft weithin anerkannt.

Wir werden diesen Weg unbeirrt weitergehen, um die große Verjüngung der chinesischen Nation durch eine Modernisierung nach chinesischem Vorbild zu fördern.

Kein Land und keine Kraft kann das chinesische Volk daran hindern, voranzukommen.

Im offiziellen Transkript des chinesischen Außenministeriums findet sich dieser Teil der Pressekonferenz übrigens nicht. Auch dies hat Tradition.

In deutschsprachigen Medien findet das Thema in den letzten Jahren immer weniger Aufmerksamkeit und ist kaum noch eine Schlagzeile wert.

Quellen:

https://www.rfa.org/english/china/2025/06/02/china-tiananmen-mothers/

https://hongkongfp.com/2025/06/04/in-pictures-hong-kong-police-deploy-armoured-vehicle-in-causeway-bay-on-tiananmen-crackdown-anniversary/.

Dikötter, Frank. China after Mao, Bloomsbury, 2022, S.141.

 

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