China und Tibet (#142)

Tibet China Provinzen
Tibet&neighbors_Locator_map.svg: KeithonearthMap_of_Tibet_Ü-Tsang_Amdo_and_Kham. CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Die Fortschritte im Bereich der Menschenrechte in Xizang sind Teil der Entwicklung des heutigen China und ein natürliches Ergebnis des Fortschritts des Sozialismus chinesischer Prägung. Seit der friedlichen Befreiung Xizangs im Jahr 1951 hat die KPCh die Menschen aller ethnischen Gruppen in der Region vereint und sie in einem unermüdlichen Kampf zur Institutionalisierung, Achtung, zum Schutz und zur Ausweitung der Menschenrechte angeführt.

Human Rights in Xizang in the New Era, Weißbuch der VR China, 2025.

Bis heute steht mein Heimatland unter dem repressiven kommunistischen Regime Chinas. Das tibetische Volk wird weiterhin seiner Würde beraubt, und den Tibeterinnen und Tibetern bleibt es verwehrt, so zu leben, wie es ihren Vorstellungen und ihrer Kultur entspricht und wie sie es vor 1950 ein Jahrtausend lang getan haben. Da heute jeder Ausdruck tibetischer Identität von Tibets neuen Machthabern als Bedrohung angesehen wird, droht unsere Kultur im Namen von „Stabilität“ und „territorialer Intergrität“ ausgelöscht zu werden.

Dalai Lama,  Eine Stimme für die Entrechteten, 2025

China und Tibet

Xi: die „Xizang-Geschichte in der neuen Ära gut erzählen“

Das Dammprojekt am Yarlung Tsampo

China und Tibet

Ruhig ist es geworden hoch oben auf dem „Dach der Welt“, könnte man meinen. Was allerdings hauptsächlich daran liegt, dass seit Jahren nur sehr spärliche Informationen über die Lebensrealität der Menschen auf dem tibetischen Hochplateau an die Öffentlichkeit dringen.

In diesem Jahr lenkt eine Reihe von Ereignissen die Aufmerksamkeit wieder stärker auf das Land im Südwesten der Volksrepublik China:

  • Der Dalai Lama ist im Juli 90 Jahre alt geworden. Die Nachfolge des religiösen Oberhaupts der Tibeter ist ein Streitthema. China möchte diese bestimmen und so den eigenen Einfluss ausweiten.
  • Ein Erdbeben der Stärke 6,8 auf der Richterskala unweit der Grenze zu Nepal mit zahlreichen Todesopfern erschütterte die Region im Januar.
  • Mit dem Spatenstich von Premierminister Li Qiang begann im Juli der Bau des weltweit größten Staudammprojekts in Südtibet.
  • Xi Jinping reiste im August nach Lhasa, um die Gründung der Autonomen Region Tibet vor 60 Jahren zu feiern.

Im Sinoskop: China und Tibet.

Xi Jinping besucht Tibet und fordert den Aufbau eines „modernen sozialistischen Xizang“

Wie jeden Tag dominiert Xi Jinping auch rund um den 60. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet (ART) die Nachrichten in China.

Die Schlagzeilen und Kernbotschaften auf der Titelseite der Volkszeitung 人民日报 vom 21. August:

  • Xi Jinping trifft in Lhasa ein, um die zentrale Delegation bei den Feierlichkeiten (…) zu leiten.
  • Xi Jinping nimmt an der Kultur-Gala „Lieder der Freude im Schneereich“ teil
  • Die Feierlichkeiten (…) fanden am Morgen des 21. in Lhasa statt. Xi Jinping wird an der Zeremonie teilnehmen.
  • Xi Jinping trifft sich mit Vertretern aller ethnischen Gruppen und Gesellschaftsschichten in Tibet
  • Xi Jinping betonte (…), dass die Strategie der Partei für die Regierung Tibets in der neuen Ära vollständig umgesetzt werden muss und dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um ein neues sozialistisches, modernisiertes Tibet aufzubauen, das vereint, wohlhabend, zivilisiert, harmonisch und schön ist.

2021 war Xi Jinping zuletzt auf dem tibetischen Hochplateau, als erster chinesischer Staatschef seit Jahrzehnten. Anlass war das 70. Jubiläum der „friedlichen Befreiung“ Tibets im Jahr 1951.


Randnotiz: 1950 marschierten Truppen der Volksbefreiungsarmee zuerst in Osttibet ein und befreiten bzw. besetzten anschließend die tibetischen Provinzen Amdo und Kham (siehe Beitragsbild). Nach Verhandlungen stimmten die Regierung in Lhasa und der damals 14-jährige Dalai Lama dem sogenannten „17-Punkte-Programm“ im Oktober 1951 zu. Nach dem Ende des „Jochs des britischen Imperialismus“ sollte das Abkommen die Integration Tibets in das kommunistische „Mutterland“ regeln.


Nur vier Jahre später reiste Kern-Anführer Xi erneut nach Tibet. 2025 gibt es für die Partei ein weiteres Jubiläum zu feiern. Diesmal anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung der ART.

Vom Flughafen bis zum großen Platz vor dem Potala-Palast in Lhasa tanzten, marschierten, feierten und bejubelten die Volksmassen aus „Dankbarkeit“ die Ankunft Xi Jinpings und seiner hochrangigen Parteikader.

Menschen aller ethnischen Gruppen und Gesellschaftsschichten Tibets, die sich auf dem Rollfeld versammelt hatten, brachen in begeisterten Jubel aus. (Volkszeitung, 20.08.2025)

(Screenshot: Wall Street Journal)

Xi: die „Xizang-Geschichte in der neuen Ära gut erzählen“

Vor Ort rief Herr Xi zu mehr Einheit und politischer wie sozialer Stabilität auf. Die nationale Einheit solle durch Sinisierung (中国化) gefördert werden. Religion müsse chinesisch sein, die Tibeter sollen mehr Mandarin lernen und die „Xizang-Geschichte in der neuen Ära gut erzählen“ gut erzählt werden. In seiner Rede forderte Xi Jinping,

die Bildung über die Geschichte der Partei, die Volksrepublik China, die Reform und Öffnung, die Entwicklung des Sozialismus und die Entwicklung der chinesischen Nation zu verbessern. Es ist auch wichtig, die bemerkenswerten Errungenschaften der Autonomen Region Xizang in den letzten 60 Jahren breit zu veröffentlichen, die Geschichten von Xizang in der neuen Ära gut zu erzählen und Beamte und Menschen aller ethnischen Gruppen dazu anzuleiten, ein wachsendes Gefühl der Identität mit dem Mutterland, der chinesischen Nation, der chinesischen Kultur, der Kommunistischen Partei Chinas und dem Sozialismus mit chinesischen Merkmalen zu entwickeln.[1]

Hier wird Xi Jinping nach der Landung empfangen. Hinter ihm ist Wang Junzheng zu sehen, der seit 2021 Parteichef in Tibet ist.

Zuvor war Herr Wang als Sicherheitschef in Xinjiang, der Heimatprovinz der Uiguren, tätig. Ihm haftet der Ruf an, einer der Architekten der staatlichen Lagersysteme gewesen zu sein, deren Angebote sowohl Maßnahmen zur beruflichen Aus- und Fortbildung, als auch Zwang und Gewalt umfassen sollen.[2]

Wang Huning, Chefideologe der KP China, war ebenfalls vor Ort und pries Tibet als Paradebeispiel für die „deutliche politische Überlegenheit des sozialistischen Systems Chinas“ an. Nur durch die Führung der KP könne Tibet einer strahlenden Zukunft entgegenblicken.

Die vier wichtigsten Aufgaben für die Zukunft seien „Stabilität, Entwicklung, Umweltschutz und [die] Verstärkung des Grenzgebietsaufbaus“.[3]

Mehrere Sonder-Webseiten verbreiten die „korrekte“ Sicht der KP Chinas auf Tibet. Zu sehen sind die Wahrzeichen Tibets: Potala-Palast, schneebedeckte Berge, malerische Landschaften, Hochgeschwindigkeitszüge, Windräder und Flugzeuge.

Tibet China
Staatliche Nachrichtenseite zu Tibet

Auf einem anderen bunt bemalten Propagandabild sieht man eine junge Tibeterin und einen jungen Tibeter nebeneinander stehen, im Hintergrund die Wahrzeichen Tibets. In ihrer traditionellen Kleidung lachen sich die beiden glücklich an. In den Händen halten sie mobile Endgeräte, vor Ihnen ein strahlend neues Fahrzeug.

Gezeigt wird stets eine scheinbar harmonische Melange aus Tradition, Entwicklung und Moderne. Interessant sind die Auslassungen und all das, worüber in der „Xizang-Geschichte in der neuen Ära“ nicht gesprochen und was nicht gezeigt wird. Im Diskurs zwischen Staat und Gesellschaft in der Volksrepublik sind die „drei T´s“ weitherhin die großen Tabuthemen: Taiwan, Tiananmen, Tibet.

Zwei Fragen zu Tibet an den KI-Assistenten von Baidu

Frage: Sind die Menschen in Tibet glücklich?

Antwort der KI der chinesischen Suchmaschine Baidu Anfang September:

Das Wohlbefinden und die optimistische Lebenseinstellung des tibetischen Volkes zeigen sich in vielerlei Hinsicht:

1. ‌Lebensphilosophie‌
Die Einwohner von Lhasa zeichnen sich im Allgemeinen durch eine aufgeschlossene und optimistische Lebenseinstellung aus. Sie begegnen Fremden mit Herzlichkeit und Aufrichtigkeit und lassen sich nicht von Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen. […]

2. Materielle und spirituelle Erfüllung
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung haben sich die Konsumgewohnheiten der tibetischen Haushalte von der Subsistenzwirtschaft hin zum Genuss verschoben. […]

3. Verbesserungen im Gesundheitswesen (wie die sofortige Erstattung von Kosten in Dorfkliniken) haben ebenfalls erheblich zur Verbesserung der öffentlichen Wohlfahrt beigetragen.

4. Umwelt und kulturelle Pflege
Die Naturlandschaften Tibets (wie die Pfirsichblüten von Nyingchi und die schneebedeckten Seen) und die traditionelle Kultur (wie das Drehen von Gebetsmühlen und der tibetische Buddhismus) prägen gemeinsam eine einzigartige Lebensästhetik. […] Dieses harmonische Zusammenleben mit der Natur steigert ihr Wohlbefinden.

Es ist zu beachten, dass es innerhalb jeder Gruppe individuelle Unterschiede im emotionalen Zustand gibt. Insgesamt zeigen die Tibeter jedoch eine bemerkenswert hohe Lebenszufriedenheit und eine positive Lebenseinstellung, die durch politische Unterstützung, den Erhalt der Kultur und ökologische Vorteile untermauert wird.

Auf die Frage, ob es in Tibet Probleme gibt, antwortete der Baidu KI-Assistent:

Als bedeutende autonome Region an der südwestlichen Grenze Chinas steht Tibet bei seiner Entwicklung vor vielfältigen Herausforderungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kern der Tibet-Frage in der Balance zwischen regionaler Entwicklung, ökologischem Schutz, Verbesserung der Lebensbedingungen und nationaler Sicherheit liegt. Dies erfordert die nachhaltige Umsetzung der Strategie der neuen Ära für die Verwaltung Tibets.

Die rote (Argumentations-)Linie ist auch bei der Antwort des KI-Assistenten erkennbar.

西藏 – Tibet, Autonome Region Tibet, oder Xizang?

Im chinesischen Propaganda-Sprech heißt Tibet schon länger nicht mehr Tibet, sondern Xizang. Auf Anordnung der Propagandaabteilung begann man bereits Anfang der 2020er, den Begriff Tibet nicht mehr in ausländischem Propagandamaterial zu verwenden, sondern den chinesischen Namen Xizang.[4] Die beiden Schriftzeichen 西藏 = Xizang stehen im Hochchinesischen für Tibet und lassen sich frei auch als Schatztruhe des Westens übersetzen.

Verläßliche Informationen aus China über China sind bekanntlich rar und in den letzten Jahren noch rarer geworden. Beim hochsensiblen Thema Tibet ist dieser Mangel besonders stark ausgeprägt. Die spärliche Informationslage zeigt sich auch bei der Frage, wieviele Tibeterinnen und Tibeter es überhaupt gibt.

Chinas Gesamtbevölkerung beträgt etwa 1,4 Milliarden Menschen, rund 91% davon sind Han. 2024 lebten etwa 3,6 Millionen Menschen in der Autonomen Region Tibet. Gemäß den Daten der letzten Volkszählung von 2020 waren 86% der Einwohner der TAR Tibeter, und 12% Han-Chinesen (2010: Tibeter und andere ethnische Minderheiten 91,83%; Han-Bevölkerung 8,17%).[5]

Mit den ehemaligen historischen Gebieten Amdo und Kham, sowie dem restlichen Gebiet der Volksrepublik, sollen je nach Schätzung insgesamt zwischen 5 und 7 Millionen Menschen der ethnischen Minderheit der Tibeter angehören. Hinzu kommt die tibetische Diaspora, die etwa 150.000 Menschen umfasst.[6] Rund die Hälfte der Tibeter im Exil lebt in Indien oder in Nepal.

Der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge ist das Wirtschaftswachstum in Tibet seit 1965 um das 155-fache gestiegen. Das jährliche Wirtschaftswachstum liege bei rund 9%. Die Einkommen in den Städten seien um das 121-fache gestiegen, auf dem Land sogar um das 200-fache.[7]

Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung, und fröhliche Menschen, die voller Dankbarkeit in Harmonie leben. So die immer wieder betonten Sonnenseiten in Tibet.

Einige Schattenseiten zu der von Peking aus gesteuerten Wirtschafts- und Entwicklungspolitik beschreibt ein Bericht der Jamestown Foundation von 2024:

Hohe Subventionen, die Kontrolle der tibetischen Wirtschaft durch die Han-Chinesen (mit Ausnahme der Landwirtschaft und Viehzucht) und die Marginalisierung der ethnischen Tibeter könnten sowohl für die Aussichten der lokalen Wirtschaft Probleme mit sich bringen als auch die sozialen Spannungen verschärfen. Die jüngsten Initiativen der Regierung könnten die Probleme noch verschlimmern, zumal die neuen [Wirtschafts- und Technologieentwicklungszonen] auf Gebiete mit einer wachsenden Han-Bevölkerung ausgerichtet sind.[8]


Randnotiz: Eine unabhängige Berichterstattung aus Tibet heraus gibt es nicht. Seit den letzten großen Unruhen von 2008 ist ausländischen Journalisten die Einreise praktisch untersagt. Gewöhnliche Touristen benötigen unter anderem eine spezielle Reiseerlaubnis für Tibet und müssen Teil einer organisierten Reisegruppe samt Reiseführer sein. Frau Mao, Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums, beantwortete im März 2023 die Frage, weshalb ausländischen Journalisten die Einreise nach Tibet verweigert wird:

Tibet ist eine offene Region. Angesichts der einzigartigen geografischen und klimatischen Bedingungen müssen ausländische Staatsangehörige, die in die Autonome Region Tibet reisen möchten, einige Verfahren durchlaufen.


Das Dammprojekt am Yarlung Tsampo – Motuo Hydroelectric Power Station 墨脱水电站

Die Schatzkammer des Westens ist reich an Rohstoffen. Und Wasser ist einer der kostbarsten Schätze Tibets. Jangtse, Mekong, Brahmaputra und Indus haben ihren Ursprung auf dem „Dach der Welt“ und sind Lebensgrundlage für mehr als eine Milliarde Menschen.

Tibet China Staudammprojekte

(Bildschirmaufnahme: savetibet.org/chinese-hydropower/)

Für weltweites Aufsehen sorgt das neue Staudammprojekt am unteren Flussverlauf des Yarlung Tsampo in Südtibet. Der Yarlung Tsampo ist der längste Fluss Tibets und gilt als der höchstgelegene Fluß der Welt. Er fließt durch den vermutlich größten und tiefsten Canyon unseres Planeten. Durch die indischen Provinzen Arunachal Pradesh und Assam fließt er weiter flussabwärts und mündet in Bangladesch in den Indischen Ozean.

Fünf Wasserkraftwerke, 144 Milliarden Euro, keine zehn Jahre Bauzeit

Das Motuo-Wasserkraftwerk ist ein weiteres Mega-Bauprojekt der Superlative:

  • Die Kosten für den Bau der fünf Wasserkraftwerke werden mit rund 144 Milliarden Euro angegeben.
  • Mit einer geplanten Leistung von 300 Terrawattstunden / 60 Gigawatt pro Jahr soll Motuo dreimal mehr Energie erzeugen als der Dreischluchtenstaudamm, dem bisher größten Wasserkraftwerk der Welt. Das wäre mehr Strom, als der Jahresverbrauch ganzer Volkswirtschaften.
  • Aufgrund der Dimension und der geographischen Lage gelten Bau und Betrieb als technisch höchst anspruchsvoll und herausfordernd.[9]

Die Nichtregierungsorganisation International Campaign For Tibet bietet auf einer interaktiven Karte einen Überblick zu 193 Wasserkraftprojekten, die seit 2000 in Tibet gebaut oder geplant wurden.

Die chinesische Regierung betont die Vorteile und spricht von „Win-win“. Das Projekt sei ein Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel, da es die Abhängigkeit von Kohle verringern werde. Premierminister Li Qiang war Ende Juli zum Spatenstich vor Ort. Das Projekt wird vom eigens gegründeten Staatsunternehmen Yajiang Group umgesetzt und untersteht einer Kommission des Staatsrats. Nach dem Spatenstich zeigten sich direkt die ersten globalen Auswirkungen. Die Aktienkurse beteiligter Unternehmen machten Kurssprünge, Rohstoffpreise für Baumaterialien stiegen an. Auch deutsche Unternehmen wie der kriselnde Stahlkonzern Thyssen profitierten.[10]

Entwicklung, Entwicklung und noch mehr Entwicklung

Seit 2000 ist die Entwicklung und Nutzung der wasserreichen Gebiete im Südwesten Teil der Strategie der „Großen Erschließung des Westens“ (西部大开发) der Zentralregierung.

„Xidian dongsong“ (西电东送) – die Energie vom Westen in den Osten schicken – lautet das Konzept. Es ist eine weitere „Win-win“ Situation: Umweltfreundliche Energie wird in die östlichen Regionen mit hohem Stromverbrauch transportiert. Aus Wasserkraft gewonnene Energie spielt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung von Chinas nationalen Klimazielen.[11]

Das nachfolgende Video des staatlichen Senders CGTN von 2020 vermittelt Eindrücke von der südtibetischen Landschaft entlang des Yarlung Tsampo Grand Canyon.

„Win-win“ für alle am Yarlung Tsampo?

Der Yarlung Tsampo Grand Canyon war bis vor kurzem ein weitgehend unberührtes Naturparadies und schwer zu erreichen. Erst in den letzten Jahren ist dort eine Infrastruktur enstanden und es wurden Strassen gebaut. Mit dem Motuo-Wasserkraftwerk beignnt der Bau des weltweit größten Infrastrukturvorhabens.

Besonders die Nachbarländer Indien und Bangladesch sehen das Vorhaben mit Skepsis. Beide Länder sorgen sich um den Zugang zur Ressource Wasser. Hinzu kommen ungeklärte Grenzstreitigkeiten mit Indien. Und auch Menschenrechts- und Umweltinitiativen kritisieren das Bauvorhaben. Die deutsche Tibet-Initiative hat eine Petition gestartet und fordert ein Moratorium von groß angelegten Bauprojekten in Tibet.

Die Hauptkritikpunkte:

  • Staudammprojekte verursachen Umweltschäden und erhöhen unter anderem die Risiken für Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen.
  • Zwangsumsiedlungen und der Verlust des Zugangs zu Land und Wasser. Rund 120.000 Personen sind demnach seit 2000 bereits umgesiedelt worden. Schätzungen gehen von 750.000 bis zu 1.2 Millionen Betroffener aus.
  • Der unwiederbringliche Verlust von Heimat und Kulturgütern, wie beispielsweise geschehen beim Bau des Dreischluchtenstaudamm.
  • Wasser-Diplomatie. Kritiker werfen der Regierung in Peking vor, den Zugang zu Wasser als Druckmittel auf die Nachbarländer zu gebrauchen und Abhängigkeiten zu schaffen.
  • Neben der Stromerzeugung könnte das Projekt auch die Umleitung von Wasser in (chinesische) Trockengebiete ermöglichen.
  • Offizielle Studien zu möglichen negativen Folgen für die Umwelt wurden nicht in Auftrag gegeben und spielen beim Bau scheinbar keine Rolle.[12]

Tibet unter China 2025: mehr „rote Gene“ statt roter Blutkörperchen

Aufgrund ihrer geographischen Lage und den natürlichen Ressourcen nimmt die ART eine wichtige strategische Rolle ein. Seit Jahrzehnten führt dies zu Konflikten zwischen den Ureinwohnern Tibets und der Zentralregierung in Peking.

Staat, Partei und Medien beschreiben die Ereignisse von 1965 als Gründungsjubiläum Xizangs, wo die Menschen seither voller Lebensfreude und in Harmonie zusammenleben. Nach der „Befreiung“ Xizangs ist im Neuen China kein Platz für das rückständige, „alte Tibet“. Die neue offizielle Zeitrechnung Tibets beginnt im Jahr 1965 und ist seit 2012 Teil der „neuen Ära“.

Die Menschen in Tibet sollen die „roten Gene“ verinnerlichen, wie alle 55 ethnischen Minderheiten im Rest des Landes auch. Kritische Stimmen sprechen hingegen von Assimilierung, der Folklorisierung der tibetischen Kultur, beklagen Repressionen bis hin zu einem kulturellen Genozid.

Mehr zum Thema/Quellen:

Xinjiang: Umerziehung, Gehirnwäsche und Big Data (#36)

Zitat 1: Human Rights in Xizang in the New Era, https://en.qstheory.cn/pdf/Fulltext_HumanRightsinXizangintheNewEra.docx.
Zitat 2: Dalai Lama, Eine Stimme für die Entrechteten, 2025, HarperCollins.
[1] Xi charts course for Xizang as region celebrates 60 years‘ historic progress https://english.news.cn/20250821/d597fe6674d740209300b15ede4ba6b0/c.html.
[2] Wang Junzheng, https://www.sueddeutsche.de/meinung/tibet-kommunistische-partei-wang-junzheng-china-1.5447604.
[3] China’s top political adviser hails party’s leadership in Tibet 60th anniversary speech, https://www.scmp.com/news/china/politics/article/3322602/chinas-top-political-adviser-hails-partys-leadership-tibet-60th-anniversary-speech.
China Daily, Sonderseite zu Tibet, https://www.chinadaily.com.cn/china/special_coverage/xizang60yearson#
[4] Wang Junzheng, https://www.sueddeutsche.de/meinung/tibet-kommunistische-partei-wang-junzheng-china-1.5447604.
[5] China Yearbook 2024, https://www.stats.gov.cn/sj/ndsj/2024/indexeh.htm,
How Much Does Beijing Control the Ethnic Makeup of Tibet?, https://www.chinafile.com/reporting-opinion/viewpoint/how-much-does-beijing-control-ethnic-makeup-of-tibet,
西藏自治区2010年第六次全国人口普查主要数据公报, https://www.stats.gov.cn/sj/tjgb/rkpcgb/dfrkpcgb/202302/t20230206_1902084.html
[6] Tibet im Exil, https://www.tibet-initiative.de/informieren/hintergrund/tibet-im-exil/.
[7] Xi charts course for Xizang as region celebrates 60 years‘ historic progress https://english.news.cn/20250821/d97fe6674d740209300b15ede4ba6b0/c.html.
[8] Economic and Technological Zones: Economic Strategy in the Tibet Autonomous Region, https://jamestown.org/program/economic-and-technological-zones-economic-strategy-in-the-tibet-autonomous-region/#:~:text=The%20ETDZs%20and%20industrial%20parks,in%20Lhasa’s%20national%2Dlevel%20ETDZ.
[9] Jahrhundertprojekt auf dem Dach der Welt, https://taz.de/Wasserkraftwerk-in-Tibet/!6099729/.
China baut in Tibet den größten Staudamm der Welt, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/china-baut-in-tibet-den-groessten-staudamm-der-welt-110599747.html.
China startet Bau von umstrittenem Riesenstaudamm in Tibet, https://www.spiegel.de/ausland/tibet-china-beginnt-bau-von-umstrittenem-riesenstaudamm-a-50db8c8c-734a-4b56-8e9b-b974f9752596.
[10] Chinas Milliardenprojekt lässt Thyssen-Aktienkurs in die Höhe schnellen, https://www.faz.net/aktuell/finanzen/tibet-staudamm-deutsche-stahlaktien-profitieren-vom-milliardenprojekt-110600668.html
[11] 西电东送:纵横中国的能源“闪送”工程</, https://www.gov.cn/yaowen/liebiao/202410/content_6982382.htm.
[12] Infrastructure and State-Building: China’s Ambitions for the Lower Yarlung Tsangpo Project, https://madeinchinajournal.com/2025/08/07/infrastructure-and-state-building-chinas-ambitions-for-the-lower-yarlung-tsangpo-project/,
China’s Li Qiang announces launch of Tibet mega dam project that has worried India, https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3318875/chinas-li-qiang-announces-launch-tibet-mega-dam-project-has-worried-india
Chinese Hydropower – Damning Tibets Culture, Community, and Environment, https://savetibet.org/chinese-hydropower/,


 

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