Bundestagswahl 2025: China-Politik der SPD (#136)

China-Politik SPD Bundestagswahl 2025
Bundeskanzler Scholz hält eine Rede auf dem World Economic Forum. Screenshot: WEF

Wir Europäer müssen aus uns selber heraus stark sein. Wir müssen zusammenhalten untereinander und mit Partnern weltweit. Wir müssen wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger werden. Und dafür haben wir auch das Zeug.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Weltwirtschaftsforum Davos, Januar 2025.


Bundestagswahl 2025: China-Politik der SPD

Mit Mehr für Dich. Besser für Deutschland präsentiert die SPD, wie Die Grünen auch, kein Wahl-, sondern ein Regierungsprogramm. Auf 68 Seiten geben sich die Sozialdemokraten um ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz kämpferisch wie optimistisch. Mit „Wir kämpfen für…“ beginnt jeder der 25 Unterpunkte des Programms. 

Unter anderem kämpft die SPD „für eine gerechte Welt“. Deutschlands Rolle in dieser Welt sehen die Sozialdemokraten als Teil eines „starken Europas“. Mit dem Ziel,

für ein verlässliches, stabiles und sicheres internationales Umfeld zu sorgen und die internationale regelgebundene Ordnung mit ihren multilateralen Institutionen zu schützen, zu reformieren und damit zu stärken. Wir setzen dabei auf einen Dreiklang aus Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik. Internationale Solidarität und die universelle Geltung der Menschenrechte gehören zu den Grundpfeilern der Sozialdemokratie. Wir werden Frieden und Freiheit verteidigen. Diplomatie, die Suche nach gemeinsamen Interessen und darauf aufbauend Zusammenarbeit bleiben dabei für uns zentral, um internationale Konflikte und Krisen zu lösen, langfristig Frieden und Freiheit zu sichern und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.(S.57)

Dieser pro-europäische Ansatz soll Deutschland als Teil einer gestärkten EU mehr Gewicht in der Welt verschaffen. Der Begriff „multipolar“ taucht im Programm der SPD übrigens keinmal auf. 

Die USA? Sind Deutschlands „engster außereuropäischer Partner“, das transatlantische Verhältnis

zentral für die europäischen und deutschen Außenbeziehungen.

Im Rahmen der NATO soll Deutschland ebenfalls „mehr Verantwortung“ übernehmen. Neben der Erhöhung der Verteidigungsausgaben (Stichwort Kriegstüchtigkeit) werden unter anderem Maßnahmen wie der Ausbau Deutschlands als „zentrale Drehscheibe für die Logistik“, die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, oder die Stärkung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) aufgeführt.

Die SPD bekräftigt die umfassende Unterstützung für die Ukraine und begrüßt

ausdrücklich Friedensinitiativen, wie sie vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj angestoßen wurden. Auch die Bemühungen aus den Ländern des Globalen Südens zur Beendigung des Kriegs bewerten wir im Kern positiv.(S.58)

Generell sollen traditionelle Allianzen und Kooperationen in allen vier Himmelsrichtungen vertieft werden.

China im Wahlprogramm der SPD

Erst zum Ende des Wahlprogramms, im Kapitel Unsere internationale Verantwortung in der Zeitenwende, wird China erstmals direkt genannt. Insgesamt wird die Volksrepublik neun Mal erwähnt.

Im Verhältnis zu China setzt man ebenfalls auf „Dialog und Kooperation“. Ein eigener Absatz widmet sich der Volksrepublik:

Peking ist kein einfacher Partner. Die SPD unterstützt die Umsetzung der ersten deutschen China-Strategie und setzt sich für eine europäisch abgestimmte China-Politik ein. In der EU definieren wir China als Partner, Wettbewerber und Systemrivalen. Die Volksrepublik ist zu einer führenden globalen Gestaltungsmacht aufgestiegen, ohne deren Mitwirkung globale Herausforderungen wie der Klimawandel, Fragen der Rüstungskontrolle und der Nichtverbreitung von Atomwaffen sowie die Verschuldungskrise in Ländern des Globalen Südens nicht zu lösen sind. Nach außen tritt China immer selbstbewusster und auch aggressiver auf. Etwa indem es seine Machtansprüche in seiner Nachbarschaft immer wieder deutlich macht. Auch distanziert sich China nicht ausreichend von Russlands völkerrechtswidrigem Krieg gegen die Ukraine. Vielmehr hat China seine Unterstützung für Russland ausgebaut. Das betrifft die europäische Sicherheit. Wir sehen das kritisch. Der Aufstieg Chinas bedarf einer besonnenen und gemeinsamen europäischen Chinapolitik. Europa muss seine geopolitische Macht nutzen und mit einer europäischen Stimme für seine Interessen und Werte sprechen. Gleichzeitig müssen wir in kritischen Bereichen wirtschaftlich unabhängiger werden (De-Risking). Wir bekennen uns weiterhin zur Ein-China-Politik und sind der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann. Ob Menschenrechte, wettbewerbsverzerrende Industriepolitik oder Russlandpolitik: Wir bleiben mit Peking in einem robusten Dialog, in dem wir auch kontroverse Themen offen diskutieren.(S.61-62)

Mit über 80 Erwähnungen sind neben sozialer Sicherheit die Themen innere und äußere Sicherheit inhaltliche Schwerpunkte des SPD-Regierungsprogramms.

Wir sorgen für einen modernen Bevölkerungsschutz, der auf die Folgen der Klimaveränderung reagiert und neue geopolitische Spannungen berücksichtigt. Wir schützen unsere kritische Infrastruktur, stärken die Cybersicherheit und verteidigen unser Land vor hybrider Kriegsführung und Sabotage durch feindliche Akteure.(S.40)

Auch wenn sie hier nicht namentlich genannt wird, darf man die Volksrepublik zum Kreis dieser potentiell „feindlichen Akteure“ zählen.

Sozialdemokratische Außenpolitik im 21. Jahrhundert

Das größte nationale Interesse Deutschlands ist die europäische Union.

Ein Zitat von Bundeskanzler Olaf Scholz vom Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Januar 2025. In seiner Rede betonte der Kanzler die Wichtigkeit von „Besonnenheit und Berechenbarkeit“, und dass Europa weiterhin auf „freien, fairen Welthandel“ setze.

China erwähnte er zwar nicht direkt, hob jedoch hervor: „in allen Teilen der Welt sind Wettbewerber entstanden“. Um weiterhin in Wohlstand leben und in diesem Wettbewerb bestehen zu können, sei ein technologischer Vorsprung unverzichtbar.

“Wir müssen kucken, wie wir Lieferketten anders aufgestellt werden können“, findet der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bei der Vorstellung der neuen außenpolitischen Leitlinien der Partei im Januar 2023.

Die Herren Mützenich, Scharping und Gabriel zu China

Anlässlich des 40. Jahrestages des sogenannten Parteiendialogs zwischen der SPD und der Kommunistischen Partei China flog der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion im Sommer 2024 für einen Tag gen China. Im Gespräch mit dem Außenminister und zugleich ranghöchstem Diplomaten des Landes, Wang Yi, soll es vor allem um den Krieg in der Ukraine und Chinas Einfluss auf Russland gegangen sein.

Im vergangenen Dezember skizzierte Herr Mützenich im Rahmen einer Willy-Brandt-Lecture, wie Europa seinen Weg in einer multipolaren Welt, die im Umbruch sei, behaupten könne:

Wir befinden uns längst auf dem Weg hin zu einer multipolaren Ordnung, in der neue regionale und globale Gestaltungsmächte wie China oder Indien mit dem Westen um Macht und Einfluss konkurrieren.[…]

Ein Ausdruck dieses Wandels ist die Verschiebung des Gravitationszentrums der internationalen Politik vom atlantischen zum indopazifischen Raum. Bereits heute werden über 60% des globalen Bruttoinlandsprodukts und zwei Drittel des Weltwirtschaftswachstums in der Indo-Pazifik-Region erwirtschaftet. Besonders China hat seinen Einfluss in den vergangenen Jahrzehnten ausgedehnt – nicht nur im Indopazifik, sondern auch in Afrika, Asien, Lateinamerika und ja, zunehmend auch in Europa.[…]

Die weitgehend vom Westen errichtete multilaterale und regelbasierte Ordnung zeigt inzwischen deutliche Risse – ja, sogar deren Ende ist in den Bereich des Denkbaren gerückt. Und Länder des sogenannten Westens legen selbst die Axt mit an.[…]

Gerade deshalb ist es umso dringlicher, dass wir an den über Jahrzehnten geschaffenen Regeln und Normen der internationalen Politik festhalten, sie stärken und weiterentwickeln. Wir brauchen eine internationale Ordnung, die auf gemeinsamen Interessen, auf Kooperation, Mitgestaltung, friedlichen Wandel und Ko- Existenz gründet.

Der vermeintliche „Kanzler der Herzen“ und noch amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius erläuterte seine Vision einer zukünftigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Süddeutschen Zeitung. Demnach sei eine „Security Next Generation“ nötig, um „über die Grenzen von Legislaturperioden hinweg planen“ zu können. „Wir brauchen einen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre“, findet Herr Pistorius und fordert damit eine langfristig ausgelegte Politik, wie sie beispielsweise in China wesentlicher Bestandteil des politischen Systems ist.

Apropos Verteidigungsminister. Herr Scharping, ehemaliger Verteidigungsminister, ist mit seiner Beratungsfirma seit über einem Jahrzehnt in China tätig und richtet jährlich eine deutsch-chinesische Wirtschaftskonferenz aus. Der in Politik und Wirtschaft bestens vernetzte „China-Kenner“ teilte seine Sicht zum deutsch-chinesischen Verhältnis in einem Podcast vom Dezember 2024. „Vom globalen Bild her“, so Herr Scharping, sollten

wir etwas beherzigen, was viele deutsche Unternehmen sagen. Nämlich: Wenn wir auf der Welt bestehen wollen, müssen wir in China bestehen können.

Und dann ist da noch Sigmar Gabriel, ehemaliger Außenminister, Lobbyist und derzeitiger Vorsitzender der Atlantikbrücke. Auf einer Veranstaltung im Januar 2025 konnte der Autor einer Rede Herrn Gabriels beiwohnen, in der es auch um China und den Aufstieg des gesamten Indo-Pazifik ging. Gleichwohl solle man laut „Impulsgeber“ Gabriel Organisationen wie BRICS und die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) aber „nicht überschätzen“.

Während des gut halbstündigen Vortrags konnte man wenig Lob und viel Kritik hören: an der Bundesregierung, an der deutschen Bevölkerung, an seiner Partei, an der EU. Die Europäer seien „die letzten Vegetarier in einer Welt voller Fleischfresser“, urteilt Herr Gabriel und empfiehlt ihnen daher, selbst zu Fleischfressern zu werden. Die sogenannte Verteidigungsfähigkeit bzw. Kriegstüchtigkeit sei „das beste Mittel, um den Krieg zu verhindern“. Friedensverhandlungen und militärische Stärke seien „zwei Seiten einer Medaille“.

SPD und China

Die China-Positionen der SPD im aktuellen Wahlprogramm sind größtenteils deckungsgleich mit der China-Strategie der Ampel-Regierung und dem außenpolitischen Positionspapier Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch, beide von 2023.

Dass China zu einer „globalen Gestaltungsmacht“ aufgestiegen ist, ohne die sich keine der Herausforderungen unserer Zeit angehen lässt, ist für die Sozialdemokraten anerkannte Realität.

Die Sozialdemokraten stehen der Volksrepublik kritischer gegenüber, vermeiden aber den Gebrauch von Kampfbegriffen China betreffend. Der Dreiklang aus Partner, Wettbewerber, Systemrivale taucht im Programm der SPD einmal auf. Statt Säbelrasseln wird eher weiterhin auf Dialog und Kooperation gesetzt. Und auf ein Europa, welches sich international möglichst geeint und mit einer Stimme präsentiert, um sich behaupten zu können.

Der schwierige Spagat im Umgang mit China wird auch bei der (noch) amtierenden Regierungs- und Kanzlerpartei deutlich. Einerseits zwischen den oftmals enorm unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen, sowohl auf nationaler wie supranationaler Ebene. Andererseits hinsichtlich Deutschlands Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts, mit der zahlreiche Interessenkonflikte, Abhängigkeiten, sowie Herausforderungen verbunden sind.

So unterschiedlich all die verschiedenen Ebenen sein mögen, gemeinsam haben sie für Deutschland eines: an der intensiven Auseinandersetzung mit China kommt keine Regierung vorbei.

Weitere Beiträge zur China-Politik deutscher Parteien

#118 Bundeskanzler Olaf Scholz drei Tage in China

Quellen

Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz: Rudolf Scharping im Gespräch, https://chinaticker.podigee.io/43-deutsch-chinesische-wirtschaftskonferenz.

Eine sozialdemokratische Außenpolitik für das 21. Jahrhundert, https://www.spdfraktion.de/themen/sozialdemokratische-aussenpolitik-21-jahrhundert.

Europa in unbequemen Zeiten, https://www.cph-nuernberg.de/veranstaltungen/info/termin/20250116/europa-in-unbequemen-zeiten-veranstaltung-mit-sigmar-gabriel-vorsitzender-der-atlantik-bruecke-e-v.

Mehr für Dich. besser für Deutschland, https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD_Programm_bf.pdf.

Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch, https://www.spd.de/fileadmin/internationalepolitik/20232001_KIP.pdf.

World Economic Forum 2025, Rede von Olaf Scholz, https://es.weforum.org/meetings/world-economic-forum-annual-meeting-2025/sessions/special-address-by-olaf-scholz-federal-chancellor-of-germany-5583854687/.

 

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