Ein solches „business as usual“ kann es nach der Zeitenwende doch gar nicht geben. China ist aber ein großes Land mit einer wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung.
Olaf Scholz in der Taz, 12.04.2024
To a certain extent, Scholz’s “high-profile” visit to China is just a return to the normalcy of bilateral relations.
Global Times, 14.04.2024
Bundeskanzler Scholz drei Tage in China. Oder: die Grenzen der „Charme-Offensive“
Über die zweite Chinareise von Kanzler Scholz (14. bis 16. April) und die ihn begleitende Delegation (u.a. mit Bundesministerin Lemke, den Bundesministern Özdemir und Wissing, sowie einer 12-köpfigen Wirtschaftsentourage) ist bereits viel berichtet worden.
Eine Analyse und ein Kommentar zur China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz anhand der internationalen Berichterstattung und offiziellen Quellen.
Bundeskanzler Scholz zum zweiten Mal in China
Drei Tage Volksrepublik, drei Millionenstädte: Chongqing, Shanghai und Peking. Auf des Kanzlers Terminkalender standen Besuche bei deutschen Unternehmern in China, Treffen mit Funktionären der Kommunistischen Partei (KP) und ein „Townhall Meeting“ mit Studierenden der Tongji Universität in Shanghai.
In der Dialogsitzung stellte sich jeweils ein studentischer Vertreter der Bachelor- und Masterstudenten der Tongji-Universität in fließendem Deutsch vor und führte einen Dialog über die Themen des deutsch-chinesischen Jugendaustauschs und die Zukunftsperspektiven der deutsch-chinesischen Entwicklung in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Smart Cities, künstliche Intelligenz und andere neue Wirtschaftsbereiche. (Webseite Tongji Universität)
SPON (Video): »Er wird versuchen, eine deutliche Sprache zu sprechen«
- ARD Schwerpunkt zu den ersten Stationen des Kanzlers:
Bundeskanzler Scholz in China – Treffen mit Xi Jinping und Li Qiang
In der chinesischen Hauptstadt fand die Reise mit einem mehrstündigen Treffen mit „Kern-Anführer“ Xi Jinping ihren Abschluss. Premierminister Li Qiang und Außenminister Wang Yi zählten ebenfalls zu den hochrangigen Gesprächspartner des Kanzlers.
Auszüge aus der Pressekonferenz von Xi Jinping und Olaf Scholz.
Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping:
Solange man an den Prinzipien des gegenseitigen Respekts, der Suche nach Gemeinsamkeiten trotz Differenzen und des gegenseitigen Lernens voneinander festhält, können sich die bilateralen Beziehungen weiterhin stabil entwickeln.
Im Moment sehen wir eine schnellere Entwicklung der Jahrhundertwende. Wir sind in eine neue Epoche der Turbulenzen und Umbrüche eingedrungen. Die Risiken, vor denen die ganze Menschheit steht, nehmen zu. Um diese Fragen zu lösen, ist es unabdingbar, dass zwischen den Großmächten die Kooperation die Oberhand gewinnt. China und Deutschland sind weltweit die Volkswirtschaften Nummer zwei und drei. Eine gute, stabile Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen uns beiden geht weit über die bilaterale Dimension hinaus. Sie werden nicht nur auf den gesamten eurasischen Kontinent, sondern auf die ganze Welt großen Einfluss ausüben. Wir müssen immer langfristig und strategisch denken und die bilateralen Beziehungen auf einem stabilen Entwicklungspfad halten. Die umfassende strategische Partnerschaft ist unsere wichtigste Positionierung. Gemeinsam können wir der Erde mehr Stabilität und Sicherheit einhauchen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hebt drei Themen hervor.
- Russland
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Aufrüstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa. Sie beeinträchtigen unsere Kerninteressen unmittelbar. Mittelbar beschädigen sie die gesamte internationale Ordnung. Denn sie verletzen einen Grundsatz der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsatz der Unverletzlichkeit von Staatsgrenzen. […] Gern möchte ich mit Ihnen heute darüber diskutieren, wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können.
- Klimawandel
Nur gemeinsam wird es uns gelingen, Lösungsansätze zu finden, um den Klimawandel zu stoppen und die grüne Energiewende sozial gerecht zu bewältigen. Ich freue mich daher, dass der Klima- und Transformationsdialog zwischen China und Deutschland bereits Fahrt aufgenommen hat. Unsere beiden Staaten tragen Verantwortung für den Schutz globaler öffentlicher Güter. Wir werden auch sehr konkret über den Schutz von Biodiversität oder etwa die Vermeidung von Plastikmüll sprechen.
- Multilaterale regelbasierte Weltordnung
Wir setzen uns dafür ein, das Regelwerk für den globalen Handel zu stärken und gemeinsam mit den anderen WTO-Mitgliedern weiterzuentwickeln.
Quelle: Bundesregierung
Stellungnahmen von Olaf Scholz und Li Qiang zur deutsch-chinesischen Zusammenarbeit
Premierminister Li:
Wir sind gern bereit, mit Ihnen an einem Strang zu ziehen und unser gegenseitiges Vertrauen auszubauen. In der Zusammenarbeit können wir gemeinsam eine Win-win-Situation erringen. Damit können wir die bilateralen Beziehungen auf ein neues Niveau heben, und zwar zum Wohle der beiden Völker und zum Wohle der ganzen Welt.
Bundeskanzler Scholz:
[Deutsche Unternehmen in China benötigen] die richtigen Rahmenbedingungen. Darunter verstehen wir einen gleichberechtigten Marktzugang und faire Wettbewerbsbedingungen, den Schutz geistigen Eigentums und ein verlässliches Rechtssystem.
Quelle: Bundesregierung
Vor dem Treffen des deutsch-chinesischen Wirtschaftsausschusses betonte Herr Scholz noch einmal,
Deutschland und viele andere Länder wollten kein Decoupling.
Deshalb geht es um Risikomanagement, Diversifizierung und Resilienz – Fragen, die sich für wirtschaftliche Unternehmen schon immer gestellt haben und die jetzt natürlich neu betrachtet werden. Aber trotzdem wollen wir unseren wirtschaftlichen Austausch in allen Dimensionen weiterentwickeln!
Zur Pflege der Wirtschaftsbeziehungen zählt auch, die Qualität der Zusammenarbeit zu verbessern. Dazu gehört es eben, dass man sich über Schwierigkeiten für unsere Unternehmen austauscht, dass pragmatische Lösungen gesucht werden.
Quelle: Bundesregierung
Keine Live-Übertragung der Pressekonferenz – „Stecker gezogen“ oder fehlende Genehmigung?
Laut dem Sender Phoenix war nach dem Treffen des Kanzlers mit Premierminister Li die Liveübertragung der gemeinsamen Pressekonferenz geplant. Allerdings wurde von chinesischer Seite scheinbar überraschend „der Stecker gezogen,“ so die Moderatorin im heimischen Studio.
Das Problem soll gewesen sein, dass das deutsche Fernseh-Team in Peking keine Genehmigung vom chinesischen Staatsfernsehen CCTV für die Live-Übertragung erhalten habe. Auch in der nachträglich ausgestrahlten Abschlusserklärung des Kanzlers gab es (beim Thema Russland und Ukraine) schwere „technische Probleme“, die zum Abbruch der Übertragung führten.
Offensichtlich hatte Peking Schwierigkeiten mit dem Thema, ob technische oder politische, sei dahingestellt. (DW, 18.04.24)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (17.04.24) berichtet hingegen, die Entscheidung gegen eine gemeinsame Pressekonferenz sei bereits im Vorfeld gefallen. Nach „tagelangem Ringen“ hätten sich die Chinesen durchgesetzt, wie auch schon bei Premier Lis Berlin-Besuch im vorigen Jahr.
Abschlussstatement von BK Scholz.
China-Reise in den sozialen Medien: Scholz bleibt auf X sachlich
Auf X, ehemals Twitter, dokumentierte Herr Scholz seinen Aufenthalt in der Volksrepublik China mit nur vier Kurznachrichten. Bescheiden, zieht man den Vergleich zum bayerischen Ministerpräsidenten Söder (CSU) oder zu Frau Dağdelen vom Bündnis Sarah Wagenknecht. Mit jeweils über einem Dutzend Tweets ließen die beiden die Welt an ihren China-Aufenthalten teilhaben, welche sie natürlich unabhängig voneinander absolvierten.
Der Kanzler im vierten und letzten Tweet zu seiner China-Reise (16.04.24):
Präsident Xi und ich haben vereinbart: China und Deutschland wollen sich über die Förderung der Ausrichtung einer hochrangigen Konferenz in der Schweiz und künftiger internationaler Friedenskonferenzen intensiv und positiv abzustimmen. (Quelle: x.com)
Auf dem Konto von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir finden sich fünf Tweets zur Volksrepublik und Treffen mit Amtskollegen sowie „Vertretern aus der Landwirtschaft, von NGOs & aus der Zivilgesellschaft.“
Digital- und Verkehrsminister Wissing teilte einen dreiteiligen Tweet seines Ministeriums zur in Peking unterzeichneten Absichtserklärung „über den Dialog & die Zusammenarbeit im Bereich automatisiertes & vernetztes Fahren zwischen Deutschland und China.“
Die China-Reise von Umweltministerin Lemke blieb tweetlos. Wie Spiegel Online berichtet,
bemühe sich die Grünenpolitikerin Lemke nun um eine Umweltallianz mit der kommunistischen Diktatur in Peking.
Bei der Umweltallianz stehen ein internationales Abkommen zur Verringerung von Plastik, die Zusammenarbeit bei den Themen Kreislaufwirtschaft, Ökorichtlinien und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt.
Reaktionen auf Scholz’ China-Reise in klassischen Medien
Die China-Reise des Bundeskanzlers wurde in Deutschland größtenteils kritisch bewertet. In der Welt kommentierte Herr Görlach, für eine
Wiederholung des bereits Gesagten hätte der Bundeskanzler nicht nach Peking reisen müssen. Allerdings kam Kanzler Scholz, seinen eigenen Worten nach, als Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft der Erde […]. Die Wirtschaftsbosse in seinem Tross verdeutlichten das.
Frau Heide vom Handelsblatt kritisiert, „Scholz wiederholt Merkels Fehler“ (17.04.24). Wie seine Amtsvorgängerin lasse er sich „zu sehr von Partikularinteressen großer Konzerne leiten,“ statt „für die gesamte deutsche Wirtschaft und Deutschland etwas zu erreichen.“
In der Taz kommentiert Herr Hansen, Scholz’ Besuch zeige erneut,
dass Deutschland abhängiger von China ist als umgekehrt und Peking dies langfristig auszunutzen versteht. (17.04.24)
Im Spiegel attestiert Herr Fahrion der KP-Führung in Peking „machiavellistisches Denken,“ manchem Politiker in Deutschland und den Chefs der Auto- und Chemieindustrie diesbezüglich mangelnde Einsicht.
Sie bauen darauf, dass China sich einer guten Sache willen beim Westen unterhaken werde. Das ist eine Dummheit mit bösen Folgen.
Ganz anders sieht die Darstellung in den chinesischen Medien aus.
Bundeskanzler Scholz in China – die chinesische Sicht der Dinge
Die Worte Xi Jinpings (siehe Zitat oben) werden in Partei, Staat und Medien auf allen Ebenen von oben nach unten originalgetreu wiedergegeben. Inhaltlich finden sich diese in zahlreichen Variationen in offiziellen Stellungnahmen und Artikeln wieder. Die Kernaussagen zu den aktuellen deutsch-chinesischen Beziehungen lauten Pragmatismus, Rationalität, Kooperation oder Win-Win.
Die Global Times beschreibt den Besuch des Bundeskanzlers „Beobachtern“ zufolge als „Rückkehr zur Normalität in den bilateralen Beziehungen.“ Deutschland setze auf Kooperation und damit setze es auch ein Zeichen für ganz Europa. In deutschen Medien als ein „Weiter so“ im Stile der Merkel-Jahre kritisiert, zeige der Besuch aus Sicht des Propagandablatts, dass Deutschland „die Tradition von Pragmatismus, Rationalität und Win-Win Kooperation mit China weiterhin aufrechterhält.“ Und damit an die Ära Merkel anknüpft, in welcher die deutsch-chinesischen Beziehungen „einen neuen Höhepunkt erreicht“ hätten.
In einem weiteren Artikel heißt es:
[A]s Scholz’s visit unfolded, the German delegation and European public opinion saw and understood the real and comprehensive China, gaining a deeper understanding of the mutual benefit and win-win nature of the relationship. (Global Times, 16.04.24)
China warnt: De-risking bedeutet Verlust am großen chinesischen Markt!
Neben der Betonung positiver Aspekte wird mehrmals hervorgehoben, dass ein „De-Coupling“ oder „De-risking“ von China das wahre Risiko für deutsche Firmen und Deutschland sei. Der Verlust von Marktanteilen auf dem chinesischen Markt wäre die fatale Folge.
Außer dieser Warnung sind Artikel oftmals mit rhetorischen Seitenhieben gegen die USA gespickt. Die USA seien für verantwortlich für die ideologische Entkopplungs- und Derisking-Agenda und würden Deutschlands Unabhängigkeit einschränken. Der Scholz-Besuch jedoch habe die USA, die Falken in der EU und deren Agenda in die Schranken gewiesen.
Chinas Staatsmedien arbeiten immer professioneller
Außerdem finden sich in der chinesischsprachigen Renminribao Artikel, in denen offizielle Positionen der KP mit deutschen Quellen gestützt werden. Diese Artikel zeigen zum einen, wie effektiv und breit aufgestellt der chinesische Propagandaapparat ist. Die KP hat viel in den Ausbau, die Professionalisierung und Internationalisierung der Medien investiert. Zum anderen verdeutlichen die Artikel das strategische Vorgehen der Partei: Man streckt die Fühler in alle politische Richtungen aus, um die eigenen Ziele zu erreichen.
Zum Beispiel in dem Artikel 德国地缘政治专家呼吁:不要盲从美国/ Deutscher Geopolitikexperte mahnt: Nicht blind den USA folgen vom 11. April. Darin wird über eine „Reihe von Umfragen“ in Deutschland zur nachlassenden Unterstützung für die Ukraine berichtet. Dabei entsteht der Eindruck, die Bevölkerung sei mehrheitlich gegen die Ukraine-Politik der Bundesregierung und deren Nähe zu den USA. Zitiert wird ein „deutscher Bundestagsabgeordneter und Geopolitikexperte,“ der fordert, dass die Bundesregierung
auf die Stimmen aus allen Bereichen der Gesellschaft hören und ihre Außenpolitik anpassen sollte, anstatt weiterhin blind den Vereinigten Staaten zu folgen, die sich nur um ihre eigenen Interessen kümmern.
Randnotiz: ZDF-Politbarometer vom 12. April 2024.
- 42% der Befragten sind dafür, dass westliche Staaten die Ukraine mehr mit militärischer Hilfe unterstützen,
- 22% sind dafür, weniger Hilfe zu stellen,
- und 21% finden, es sollte beim aktuellen Umfang bleiben.
Der zitierte Experte heißt Herr Rainer Rothfuss, spricht im Zusammenhang mit dem sogenannten Taurus-Abhörfall Anfang des Jahres von „Versagen,“ „Zweifel an den Fähigkeiten der NATO-Partnerländer“ und fragt mit Blick auf die USA, „wer hat also wirklich das Sagen bei der Bundeswehr?“
Dass Geopolitik-Experte Rothfuss AfD-Mitglied ist, bleibt im Artikel unerwähnt, ist jedoch nicht unwesentlich bei der Einordnung folgender Aussage:
Wir sind entschieden dagegen, dass Deutschland sich auf die Seite der Vereinigten Staaten stellt, und es liegt im Interesse Deutschlands, friedliche und normalisierte Beziehungen zu Russland zu haben.
Solche Positionen fügen sich harmonisch in das offizielle Narrativ der KP ein.
Xi Jinping: China habe stets die Friedensgespräche auf seine eigene Weise gefördert
In den chinesischen Staatsmedien wurde die Haltung der Volksrepublik zur „Ukraine-Krise“ wiederholt. Xi Jinpings vier Punkte dazu:
Erstens solle man der Gesamtsituation des Friedens und der Stabilität Priorität einräumen, anstatt die eigenen egoistischen Interessen zu verfolgen. Zweitens solle man sich bemühen, die Situation zu entspannen, statt Öl ins Feuer zu gießen. Drittens sei es notwendig, Bedingungen für die Wiederherstellung des Friedens zu schaffen, anstatt die Widersprüche weiter zu verschärfen. Viertens solle man sich dafür einsetzen, die negativen Auswirkungen der Krise auf die Weltwirtschaft zu verringern, sodass die Stabilität der globalen Industrie- und Lieferketten nicht untergraben werde.
China sei keine Partei und kein Beteiligter in der Ukraine-Krise, aber es habe stets die Friedensgespräche auf seine eigene Weise gefördert, so der chinesische Staatspräsident weiter.
Quelle: CRI/Xinhua
Kommentar zur China-Reise des Kanzlers
Die greifbaren Erfolge der China-Reise des Kanzlers und seiner Delegation sind übersichtlich. Äpfel, Rindfleisch und die Produkte eines großen Süßwarenherstellers aus Deutschland sollen wieder nach China importiert und dort verkauft werden. Eine Absichtserklärung zum autonomen Fahren wurde unterzeichnet. Wirtschaftlich soll die bilaterale Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden.
Wirtschaftliche und politische Themen wurden von deutscher Seite angesprochen. Dabei versucht der Bundeskanzler den Spagat und tut letztlich das, was auch seine Vorgängerin und Vorgänger taten: von einem Dutzend Wirtschaftsbosse begleitet die wirtschaftlichen Interessen des Landes vertreten. Hierbei zeigen sich die unterschiedlichen Interessen von Poliitk und Wirtschaft. Während erstere Abhängigkeiten zu verringern sucht und der Ton China gegenüber kritischer wird, investieren deutsche Großkonzerne Rekordsummen in der Volksrepublik.
Mit diesem mehr aus nationaler als aus europäischer Sicht kommenden Handeln ist Deutschland nicht allein in Europa. EU-weit sind es bilaterale Beziehungen der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Volksrepublik China, weniger eine abgestimmte EU-weite China-Politik. Es ist somit auch eine Bestandsaufnahme in Sachen gemeinsamer China-Politik der EU. Oder das Fehlen einer solchen.
In Falle eines sich verschärfenden “Kalten Kriegs 2.0” sind diese Aspekte mit viel Konfliktpotential verbunden.
Zu Win-Win bereit, möglichst zu den eigenen (Rahmen-)Bedingungen
Der Besuch zeigt auch klar die Grenzen der Partnerschaft und der sogenannten chinesischen „Charme-Offensive“ auf. Trotz der rhetorischen Bekundungen zur Zusammenarbeit sind die unterschiedlichen Interessen auch hier deutlich erkennbar. Xi Jinping und die KP hinter ihm vertreten mit stolzer Brust die eigenen festen Standpunkte. Man sei weiterhin zu Win-Win bereit, allerdings möglichst zu den eigenen (Rahmen-)Bedingungen. Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich das Selbstverständnis der Volksrepublik gewandelt und sie fordert einen Platz in der ersten Reihe der Weltmächte. Viel wurde von den positiven Auswirkungen der bilateralen Beziehungen geschrieben, und stets ist dabei von “weltweiter Tragweite” die Rede.
Ob China den Forderungen des Kanzlers hinsichtlich eines Einwirkens auf Russland oder Iran Gehör schenkt, kann sich nur am konkreten Handeln Pekings messen lassen. Die Teilnahme Chinas am geplanten Gipfel in der Schweiz könnte eine klares Zeichen sein – wenn Russland einer Teilnahme nicht bereits die Absage erteilt hätte, was eine Teilnahme Chinas unwahrscheinlich macht.
Der Kanzler wirkt zwar souverän und spricht den eigenen Aussagen zufolge Klartext, reist jedoch nur mit einem „Baustein“ und vielen „Zeichen“ für mögliche zukünftige gemeinsame Anstrengungen bei wirtschaftlichen und geopolitischen Themen zurück. Ein wenig wirkte das Treffen von Olaf Scholz mit Xi Jinping wie eine (von vielen Audienzen) beim neuen Kaiser von China, Teezeremonie inklusive.
Xi Jinpings bevorstehender Staatsbesuch in Europa (Frankreich, Serbien, Ungarn) vom 5. bis 10. Mai, der erste seit fünf Jahren, wird neue Erkenntnisse zu den europäisch-chinesischen Verhältnissen geben.
Der satirische Blick auf die China-Reise von Olaf Scholz
Heute Show vom 19.04.2024
Extra3: Olaf Scholz‘ Tagebuch: Winken aus dem Reich der Mitte
Mehr zum Thema/Quellen:
Beitrag zur ersten China-Reise von Bundeskanzler Scholz – #90 Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking (2022)
Maischberger mit Wolfgang Ischinger und Frederik Pleitgen über China, Israel und Iran (16.04.24)
ZDF: Berlin direkt vom 14. April 2024
Verhältnis zu China und verschiedene Politiker-Methoden.
TAZ: Kanzler Scholz im Gespräch
DRADIO: Kommentar zur China-Reise des Kanzlers: Freund des Feindes, kein guter Partner
DRADIO: Olaf Scholz in China: Wunsch nach mehr Austausch in der Wissenschaft
ZDF: Reinhard Bütikofer (Die Grünen) im Morgenmagazin
BUNDESREGIERUNG: Pressestatement von Bundeskanzler Scholz zum Abschluss der Reise in die Volksrepublik China am 16. April 2024 in Peking
MERICS: Die China-Reise des Bundeskanzlers + China-Iran
XINHUA:
https://english.news.cn/20240415/96a4a96eaa254dc889200647bbb70440/c.html
GLOBALTIMES:
https://www.globaltimes.cn/page/202404/1310721.shtml
https://www.globaltimes.cn/page/202404/1310582.shtml
https://www.globaltimes.cn/page/202404/1310560.shtml
人民日报/RENMINRIBAO:
http://military.people.com.cn/n1/2024/0415/c1011-40216191.html
http://world.people.com.cn/n1/2024/0411/c1002-40214127.html
http://cq.people.com.cn/n2/2024/0415/c367697-40809861.html
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