
Brasilien und China haben einen Friedensplan vorgelegt, der mir realistisch erscheint.
Sarah Wagenknecht, Frankfurter Allgemeine, 22.12.2024
Bundestagswahl 2025: China-Politik des BSW
Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hat ein Kurzprogramm zur kommenden Bundestagswahl veröffentlicht. Der Name ist Programm, Frau Wagenknecht steht im Zentrum des BSW. Das Portrait der „Kanzlerkandidatin für den Neuanfang“ ziert das zehnseitige Dokument, auf der Webseite werden die „Sarah-Tour“ und das Motto „Zweitstimme ist Sarah-Stimme“ beworben.
„Unser Land verdient mehr“ ist das in acht Punkte unterteilte Wahlprogramm betitelt. Darin geht es vor allem um nationale Themen mit sozialen Schwerpunkten, bei denen den „alten Parteien“ allesamt Versagen attestiert wird. Drei Beispiele:
- „Deindustrialisierung stoppen – ein Comeback für die deutsche Wirtschaft“ („billige Energie und Versorgungssicherheit“, Rücknahme des Verbrennerverbots und des Heizungsgesetzes)
Deutschlands Autoindustrie wird ohne echte Technologieoffenheit nicht bestehen können. Mit Billig-Stromern, wie sie China kann, werden wir auch in Zukunft nicht mithalten können. Das Verbrennerverbot muss fallen.(BSW Pressemitteilung, 22.11.24)
- „Für eine gerechte Leistungsgesellschaft“ (Steuerreform, Rentenreform)
- „Corona-Unrecht aufarbeiten“ (Untersuchungsausschuss)
Weitere Kernforderungen finden sich bei den „drängendsten Themen“ Gesundheit, Pflege und Rente, Bildung, Wohnen, innere Sicherheit, der Migration („Asylverfahren außerhalb der EU in sicheren Drittstaaten“, Abschiebungen: „Durchsetzung von Recht und Gesetz“, „Bekämpfung der Kriminalität“) und der „Friedenssicherung“.
Deutschlands Rolle in der Welt und internationale Themen spielen, bis auf den Krieg in der Ukraine, kaum eine Rolle. China kommt im BSW-Kurzprogramm unter dem Punkt „Friedensverhandlungen statt immer mehr Waffen“ genau ein Mal vor:
Ehrliche Bemühungen um einen Waffenstillstand, kein Steuergeld mehr für den Krieg! Die künftige deutsche Regierung sollte die diplomatischen Bemühungen Chinas und der Länder des Südens unterstützen und die Initiative für einen Waffenstillstand und einen realistischen Friedensplan ergreifen.(S.8)
Sevim Dağdelen, „außenpolitische Vordenkerin der neuen Wagenknecht-Partei“ (Berliner Zeitung), sieht es genauso:
Es wäre viel besser, die Initiativen zu unterstützen, die es von China, Brasilien oder sogar dem Vatikan gibt, oder selbst initiativ zu werden. (Berliner Zeitung, 08.09.24)
BSW unterstützt „Friedensplan“ aus China zur „Ukraine-Krise“
Da sich das BSW gern auf den vermeintlichen Friedensplan der Volksrepublik bezieht, ein paar Zeilen und Quellen zu den diplomatischen Initiativen Chinas.
Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise, der sogenannte 12-Punkte Plan, wurde im Februar 2023 veröffentlicht. Im Mai 2024 folgte die Gemeinsame Verständigung zwischen China und Brasilien zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise.
Die Antwort des Bundestages auf eine kleine Anfrage der AfD Ende November 2024:
Laut Bundesregierung fehlt der chinesisch-brasilianischen Initiative insbesondere die Unterscheidung zwischen dem Aggressor Russland und dem angegriffenen Staat Ukraine, der sein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung ausübe. Russland verweigere sich bislang Bemühungen um eine Beendigung seines Krieges, während die Ukraine mehrfach Bereitschaft zu Gesprächen auch unter Beteiligung Russlands erklärt habe. „Aus Sicht der Bundesregierung ist es allein an der Regierung der Ukraine, über Zeitpunkt, Format und Inhalt möglicher Verhandlungen mit der Russischen Föderation über eine diplomatische Lösung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu entscheiden.“ (Bundestag)
Der russische Machthaber Putin präsentierte seine Sicht der Dinge während der jährlichen Pressekonferenz am 19. Dezember 2024:
Politik ist die Kunst des Kompromisses. Wir haben immer gesagt, dass wir sowohl zu Verhandlungen als auch zu Kompromissen bereit sind. Das Problem ist, dass die Gegenseite (…) Verhandlungen ablehnt. Wir hingegen waren immer gesprächsbereit, und Gespräche führen immer zu einem Kompromiss.
Das chinesische Staatsfernsehens stellte eine Frage zu Krieg oder Frieden:
Ist es möglich, das Feuer in einer Minute einzustellen? Ist Russland bereit, zumindest diesen einfachen Schritt zu tun, wenn es den europäischen und amerikanischen Partnern gelingt, Kiew zu überzeugen?
Die ganze Welt ist der Ukraine-Krise überdrüssig, und ich glaube, dass die Menschen in Russland jetzt auch Frieden wollen. Das ist ein einfacher Schritt: Niemand riskiert etwas, wenn alles so bleibt, wie es ist.
Herr Putins Antwort zu den Initiativen der Volksrepublik China, Brasiliens und Südafrikas.
Wir haben sie zur Kenntnis genommen, weil dies ein aufrichtiger Versuch ist, eine Lösung zu finden. Wir betrachten sie als einen ausgewogenen Versuch, der weder der einen noch der anderen Seite, weder der Ukraine noch Russland, aufgezwungen wird.
Denn diese Initiativen wurden von neutralen Ländern vorgeschlagen, die sich nicht in den Konflikt einmischen, im Gegensatz zu den westlichen Ländern, die stellvertretend für die Ukrainer einen Krieg gegen uns führen. (…)Wir brauchen keinen Waffenstillstand. Wir brauchen Frieden: einen langfristigen und dauerhaften Frieden mit Garantien für die Russische Föderation und ihre Bürger. Es ist schwer zu sagen, wie diese Garantien gegeben werden können, aber es ist ein Anfang.(Kremlin)
Während des diesjährigen Shangri-La Sicherheitsgipfels in Singapur kritisierte der ukrainische Präsident Selenskyj, dass China versuche, Länder von einer Teilnahme an einem Friedensgipfel abzuhalten.
Leider nutzt Russland den Einfluss Chinas in der Region, nutzt chinesische Diplomaten, um den Friedensgipfel zu stören. Leider lässt sich ein so großes, unabhängiges und mächtiges Land wie China zum Instrument in den Händen Putins machen.(ARD)
Im September erneuerte er seine Kritik am chinesisch-brasilianischen Friedensplan. Dieser sei im Vorfeld mit Moskau abgestimmt worden.
Der chinesisch-brasilianische Vorschlag ist destruktiv, er ist nur eine politische Aussage.(Berliner Zeitung, 12.09.2024)
Anders „realistisch“ als Frau Wagenknecht schätzt Alexander Gabuev, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center, die Initiativen Chinas ein. Die Anstrengungen der Ukraine zur Beendigung des Krieges würden „sabotiert“, solange China diesen Frieden nicht selbst vermitteln und somit als diplomatischen Erfolg verbuchen kann.
China wird daher weiterhin ein Spielverderber sein: Es hilft indirekt Russland, bringt die von Kiew geleiteten diplomatischen Initiativen zum Scheitern und gibt vor, sich diplomatisch zu engagieren, anstatt wirklich zu versuchen, mit anderen Parteien eine Lösung zu finden. (Foreign Affairs)
Die Motive und Interessen der Konfliktparteien sowie der beteiligten Akteure sind oft unklar bis widersprüchlich. Klar ist, dass seit der Veröffentlichung von Chinas Positionspapier zur „Ukraine-Krise“ nunmehr fast zwei Jahre vergangen sind. Und dass der Krieg auch im dritten Winter weder beendet noch eingefroren, sondern unvermindert weiter geführt wird.
Mehr Hintergründe zur „Diplomatie-Intitiative“ im Standard oder Freitag.
Zurück nach Deutschland und der China-Politik des BSW.
Politik und Positionen des BSW zur Volksrepublik China
Für Frau Wagenknecht ist China eine Diktatur, aber:
[A]ber eine wirtschaftlich verdammt erfolgreiche, denn sie machen intelligente Industriepolitik. Anders wäre diese enorme wirtschaftliche Aufholjagd nicht möglich gewesen.
China sei ein Überwachungsstaat, dessen Nachteile sie „alle kenne“, aber:
Aber das ändert nichts daran, dass sie industriepolitisch hocherfolgreich sind.(Handelsblatt)
Eine zentralistisch gesteuerte Industriepolitik mit planwirtschaftlichen Zielvorgaben scheint demzufolge ein nachahmenswertes, „intelligentes“ und „hocherfolgreiches“ Vorbild zu sein. Der damit verbundene Preis, wie die enormen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen des ruinösen Wettbewerbs unter den chinesischen Provinzen, die Verschwendung von Ressourcen, Überkapazitäten, Umweltschäden – all das taucht in der Rechnung nicht auf.
In Ergänzung zum Kurzprogramm abschließend noch drei Videos mit dem Spitzenpersonal des BSW.
- Den „Wirtschaftskrieg“ der EU gegen China kritisiert der Abgeordnete Christian Leye im Mai 2024 im Bundestag.
- Sarah Wagenknecht und Fabio de Masi diskutieren rund um die Frage „Deutschland und Europa – sinkende Schiffe?“ (23.12.2024)
- Frau Dağdelen spricht zum Thema „Deutschlands gefährlicher Kriegskurs“ und stellt dabei ihr neues Buch zur NATO vor.
Die BSW-Spitzenpolitiker üben reichlich Kritik in vielen Themenbereichen: soziale Ungerechtigkeit, staatliche Einflussnahme, die Einschränkung von Grundrechten wie Presse- und Meinungsfreiheit. Sie prangern oligarchische Wirtschaftsstrukturen, Aufrüstung und militärisches Säbelrasseln an.
So berechtigt die (System-)Kritik auch sein mag, eines fällt dabei auf. Sie ist einseitig und fast ausschließlich gen Westen und vor allem gegen die USA gerichtet.
Mehr zur China-Politik des BSW:
#116 China-Politik deutscher Parteien 2024: Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW)
Weitere Beiträge zur China-Politik deutscher Parteien
Quellen:
BSW Wahlprogramm: https://bsw-vg.de/wp-content/themes/bsw/assets/downloads/BSW%20Kurzwahlprogramm.pdf
Markus Lanz: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/lanz-wagenknecht-bsw-kritik-100.html
Results of the Year with Vladimir Putin: http://en.kremlin.ru/events/president/news/75909
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