#27 Konjunktur in China: Zahlen & Statistiken – mal statisch, mal flexibel

Trotz des schwächsten Wirtschaftswachstums in den vergangenen drei Jahrzehnten hält China offiziell weiter Kurs auf dem Weg zur Weltspitze. Die bereits zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt möchte bis spätestens 2050 die führende Weltmacht werden, politisch, ökonomisch, ökologisch, militärisch, kulturell. Die Zahlen sprechen (k)eine eindeutige Sprache. Ein Blick auf die Konjunktur in China.

Konjunktur aktuell (I/19): China 6,4% – Deutschland 0,4%

Die gute Nachricht: Statistiker in China gaben unlängst die neuesten Konjunkturdaten bekannt. Demnach wuchs die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal 2019 um 6,4% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Industrieproduktion legte zu, ebenso die Warenumsätze im Handel. Die Maßnahmen der Regierung (Senkung der Mehrwertsteuer von 16% auf 13%, staatliche Infrastrukturinvestitionen, erleichterte Kreditvergabe für Privatunternehmen) scheinen Wirkung zu zeigen (siehe #15).

#15 – Nationaler Volkskongress in Peking – Huaweis Rache – EU und die Neue Seidenstrasse

So gesehen ist China also wieder in der Rolle des Retters der deutschen Wirtschaft, die wegen ihres Schwerpunkts auf Exporte so abhängig ist vom riesigen Absatzmarkt in Fernost. Dies gilt insbesondere für die Automobilindustrie. 2018 verkaufte VW mit seinen beiden Gemeinschaftsunternehmen (SAIC-VW, FAW-VW ) 4,1 Mio. Fahrzeuge, berichtet das Handelsblatt. Und man erhofft sich noch mehr vom Individualverkehr; denn während in Deutschland 500 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner kommen, sind es in der Volksrepublik „erst“ 100 pro 1000 Einwohner.

Konjunktur in China- Flickenteppich statt flächendeckend

Die schlechte Nachricht: „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“ (Churchill oder Dibelius). Wie verlässlich oder nicht offizielle Statistiken sind, darf hinterfragt werden. Nicht nur in China.

Das Land ist riesig, die regionalen Unterschiede sind es auch. Wie lückenhaft Statistiken sein können, veranschaulicht das Beispiel der offiziellen Arbeitslosenstatistik und die Frage, wer darin vorkommt und wer darin nicht vorkommt.

Zwischen 2002 und 2017 lag die Zahl der Erwerbslosen erstaunlich stabil zwischen 3,9%-4,3%, berichtet die Wirtschaftswoche.

Lückenhaft, da sich die offizielle Arbeitslosenstatistik ausschließlich auf Stadtbewohner bezieht, während die erwerbslose Landbevölkerung hingegen überhaupt nicht erfasst wird. Ebenso kommen die Abermillionen in Städten lebenden Wanderarbeiter samt deren Familien darin nicht vor. Und auch die landesweiten Massenentlassungen im Zuge der Schliessung zahlreicher staateigener Betriebe hatten scheinbar kaum einen negativen Einfluss.

Rückblick: Geschönte Statistiken haben in China Tradition. Schon zu Mao Zedongs Zeiten überboten sich lokale Kader mit wahnwitzigen Zahlen, ob bei der Produktion von Getreide oder Stahl. Damals schon wollte man die westlichen Industrienationen überholen und der große Steuermann Mao setzte alle Hebel in Bewegung, ohne Rücksicht auf Verluste. Der „Große Sprung nach vorn“ (1958-1961) ging allerdings nach hinten los. Die Folge war eine der größten Hungersnöte des 20. Jahrhunderts mit Zigmillionen von Toten. Die Schäden an Mensch, Tier und Natur waren gewaltig.

Ausblick: Das Milliardenvolk in Lohn und Brot zu bringen, zu halten, und den allgemeinen Lebensstandard weiter anzuheben ist für den Führungsanspruch der kommunistischen Partei von existentieller Bedeutung. Der Handelsstreit mit den USA, die Entwicklung der heimischen Wirtschaft weg von der Werkbank der Welt hin zu einer hochtechnologischen Dienstleistungsgesellschaft, Digitalisierung, Automatisierung, aber auch Überalterung und Umweltprobleme – all diese Faktoren beeinflussen den chinesischen Arbeitsmarkt. Der Druck auf die Partei ist groß, von außen wie von innen. Es darf also auch zukünftig mit geschönten Statistiken gerechnet werden.

Mehr dazu:

ARD: Chinas starkes Wachstum

WELT: Rettungsanker China

WIWO: Wirtschaft wächst überaschend stark

ZEIT: Chinas “Großer Sprung”


 

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