Bundestagswahl 2025: China-Politik von CDU/CSU (#132)

China-Politik von CDU/CSU vor der Bundestagswahl 2025
„Mit AfD und BSW […] verfügen Russland und China über wissentliche, zumindest naiv und billigend in Kauf nehmende parteipolitische Unterstützung auch und vor allem bei uns in Deutschland.“ Friedrich Merz im Juni 2024, Bundestag. Screenshot: YouTube

Dies ist nicht nur eine Zeitenwende, […] dies ist ein Epochenbruch. Wir alle sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der politischen und ökonomischen Machtzentren auf der ganzen Welt.

Friedrich Merz, Dezember 2024.

Bundestagswahl 2025: China-Politik von CDU/CSU

„Politikwechsel für Deutschland“ lautet das knapp 80-seitige Wahlprogramm von CDU/CSU. „Hinter Deutschland liegen drei verlorene Jahre“, erfährt man im ersten Absatz.

Deshalb fordern die Unionsparteien „ein Deutschland, auf das wir wieder stolz sein können“. Dieser Stolz soll durch eine „neue Politik“ einhergehen. Mit einer „Agenda für die Fleißigen“, die „wieder Wohlstand für alle schafft“. Für „ein Land, das frei und wieder sicher ist“ und „wieder zusammenhält“.

Das gesamte Wahlkampfprogramm bedient sich einer knappen, aktiven Sprache. Diese erinnert an den für seine forschen Äußerungen bekannten CDU-Generalsekretär. Dieser Linnemann-Sprech soll der Wählerschaft den Eindruck vermitteln, dass die Unionsparteien voller Tatendrang und Kampfgeist stecken. Hier sind die Macher von CDU/CSU am Werk: „Dafür haben wir einen Plan“ und „Wir handeln“ liest man bei jedem der insgesamt 21 Unterpunkte, die alle mit „Ja zu…“ beginnen.

Mit Blick auf die Volksrepublik China ist es eher ein „Ja, aber“. Im Wahlprogramm von CDU/CSU wird China insgesamt 10 Mal erwähnt.

China-Politik im Wahlprogramm der CDU/CSU

Im Bereich der Wirtschaftspolitik sind die Beziehungen Deutschlands zu China erstmals Thema. CDU/CSU setzen hier auf die Stärkung der Resilienz der deutschen Wirtschaft, auf Freien Handel, die transatlantische Partnerschaft, sowie auf ein exportorientiertes Wirtschaftsmodell.

CDU/CSU wollen an den „engen Wirtschaftsbeziehungen zu China festhalten, sofern sie auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen.“ Neben Reziprozität und Souveränität ist der dritte Schwerpunkt der Leitlinien:

„De-Risking“, aber richtig.

Wir [werden] kritische wirtschaftliche Abhängigkeiten verringern, etwa durch die stärkere Diversifizierung von Absatzmärkten, Rohstoffquellen und Lieferketten sowie den Schutz kritischer Infrastruktur und sicherheitsrelevanter Technologie.(S.20)

Im „gesamten globalen Süden, im asiatisch-pazifischen Raum“ und „gerade in Afrika“ sollen „Innovationen ‚Made in Germany‘“ Marktanteile sichern,

auch um das Feld nicht China und Russland zu überlassen.(S.20)

Randnotiz: Dem Statistischem Bundesamt zufolge betrug das bilaterale Handelsvolumen im vergangenen Jahr 254,2 Milliarden Euro. 2023 war China damit zum achten Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner.

Dem De-Risking zum Trotz erreichten die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in China laut Bundesbank 2023 die Rekordsumme von 11,9 Milliarden Euro.

CDU/CSU sagen „Ja zu unserer Verantwortung in der Welt“

Unser Plan:
Für europäischen Frieden in Freiheit und Sicherheit.
Geopolitische Handlungsfähigkeit stärken.
Deutschland als verlässlicher Partner in der Welt.
Präsenz im Indo-Pazifik ausbauen, Systemkonkurrenz zu China annehmen.
Unser Einsatz in der Welt.
Wir handeln.(S.45)

Im bekannten Dreiklang aus „Partner, Wettbewerber, Systemrivale“ fällt China zunehmend in die letzte Kategorie. Zumindest, was das Wahlprogramm von CDU/CSU betrifft.

China positioniert sich immer schärfer gegen die freiheitlichen Demokratien und agiert zunehmend expansiv in seiner Nachbarschaft und weit darüber hinaus. Es arbeitet im globalen Maßstab daran, wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeiten zu schaffen.

• China selbstbewusst begegnen. Mit unseren Partnern wollen wir den Einfluss Chinas zurückdrängen, wo immer unsere strategischen Interessen berührt sind. Wir setzen auf eine eigenständige europäische China-Politik, die eng mit den USA abgestimmt ist.
• Mehr Engagement in der Region. Wir vertiefen unsere Beziehungen zu regionalen Kooperations- und Wertepartnern wie Japan, Indien, Südkorea, Australien und Neuseeland. In Abstimmung mit unseren regionalen Partnern verstärken wir unsere wirtschaftliche und diplomatische Präsenz im indo-pazifischen Raum.(S.49)

Menschenrechte („universell, unteilbar und unveräußerlich“) und Entwicklungspolitik („klare Erwartungen formulieren“) sind zwei weitere Themen, bei denen CDU/CSU die Systemkonkurrenz ausmachen:

Autoritäre Staaten versuchen, Demokratie und Freiheit weltweit zurückzudrängen – diesen hybriden Bedrohungen sind auch wir ausgesetzt.(S.50)

Zurückdrängung des geopolitischen Einflusses von Russland und China.(S.50)

Detailliert ausgeführt werden die obigen Punkte im CDU/CSU-Positionspapier Souveränität aus eigener Stärke – Eckpfeiler einer neuen China-Politik vom April 2023. Zu den Kernforderungen des Papiers zählen unter anderem der Ausbau und die Stärkung der China-Kompetenz, sowie

zum Umgang mit China einen nationalen Konsens über die Grenzen aller demokratischen Parteien und Fraktionen hinweg.

Für Friedrich Merz ist die Zeitenwende nicht genug

Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzender Friedrich Merz war am 4. Dezember Gastredner an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, wo er seine Positionen zur Außen- und Sicherheitspolitik ausführte.

Dies ist nicht nur eine Zeitenwende, […] dies ist ein Epochenbruch. Wir alle sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der politischen und ökonomischen Machtzentren auf der ganzen Welt.

Viel ging es in der Rede um Abschreckung durch Stärke, um Aufrüstung und darum, „ökonomische und militärische Skaleneffekte auszunutzen“. Auch die „Achse der Autokratien“ und China waren Thema. Die im Publikum sitzende neue japanische Botschafterin hieß Herr Merz willkommen und versicherte ihr, er

lese mit sehr großen Interesse auch viele Berichte und Bücher auch über die Konflikte, die sich jetzt um die Frage Taiwan abspielen.

Ganz sicher sei er sich daher,

dass die Beobachtung des Ukraine-Kriegs nicht auf diesen Teil der Welt beschränkt bleibt. Ich bin mir sicher, dass die chinesische Staatsführung sehr genau hinschaut, wie dieser Krieg ausgeht.

Die Führung in Peking würde demnach entweder ermutigt oder entmutigt, in der Taiwan-Frage selbst die militärische Karte zu ziehen.

Merz, Lenin und die „nützlichen Idioten“ von AfD und BSW

Den Parteien BSW und AfD warf Herr Merz „wissentliche, zumindest naiv und billigend in Kauf nehmende parteipolitische Unterstützung“ Chinas und Russlands vor. „Nützliche Idioten hätte sie Lenin voller Genugtuung genannt“, denn:

China und Russland versuchen, einen spaltenden Keil in unsere Gesellschaft und zwischen die europäischen Völker zu treiben. Mit Desinformation, Propaganda, Wahleinmischungen und täglichen Angriffen auf unsere Datennetze und Infrastruktur. Sie beeinflussen, sie schüren Ängste, und sie versuchen, unsere Zusammenarbeit zu schwächen. (Bundestag, 26.06.2024)

China-Politik von CDU/CSU – Beispiele aus Theorie und Praxis

China sei mit seinem „globalen Revisionismus“ die größte Herausforderung, „die heute von einem einzelnen Land ausgeht“. schreibt der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in seinem Manifest „Nie wieder hilflos!“.

China und andere erheben den Anspruch, dass ihr System von Befehl, Gehorsam, Angst und dem Vorrang des Kollektivs vor dem Individuum, besser geeignet ist, mit den Herausforderungen der Globalisierung zurechtzukommen. Diese Staaten kennen keine Restriktionen des Rechts, diesen Wettbewerb auszutragen, und sie sind hemmungslos in dem Willen, ihn zu gewinnen.(S.12)

Herr Röttgen fordert unter anderem, das Deutsche und Europäer China gegenüber

für unsere Prinzipien und Werte ebenso eintreten dürfen und müssen, wie China das uns gegenüber auch praktiziert. (S.101)

Ähnlich sieht es Jens Spahn, der ein „selbstbewussteres Auftreten Deutschlands gegenüber China“ fordert.

„Wir haben einen Hebel gegenüber China, den wir viel zu wenig nutzen“, sagt er. „Die Chinesen sind abhängiger denn je von unserem Markt. […] Wenn wir zumachen, dann schmiert die chinesische Wirtschaft ab.“ (Frankfurter Allgemeine)

Herr Spahn sieht die deutsche Verhandlungsposition derart stark, dass er sich sogar vorstellen kann Peking „zur Rücknahme des umstrittenen Anti-Spionage-Gesetzes zu bewegen“. Deutschland müsse einfach mal raus aus der „defensiven Reaktionshaltung“ und „mal ein paar Dinge auf den Tisch legen“.

Gemeinsam mit Serap Güler wurde der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im April letzten Jahres auf einer China-Reise aktiv. „Wir sind eng miteinander verbunden“, sagte Herr Spahn dort im Austausch mit Germanistik-Studierenden der Peking-Universität.

Begleitet wurde der Besuch von den chinesischen Staatsmedien. Das Video dazu veranschaulicht vor allem einmal mehr die Deutschland-Kompetenz der Volksrepublik. Auch ein 11-minütiges Interview mit dem Titel „Jens Spahn: Das Fenster des Dialogs ist auf“ ist bei CRI zu finden.

Wir wollen die gute Zusammenarbeit, aber wir wollen sie fair und offen.

Im Gespräch aüsserte Herr Spahn viele Wünsche. China solle seinen Einfluss nutzen, um sich für Frieden und Sicherheit in der ganzen Welt einzusetzen und auf Russland einwirken („da haben wir ein gemeinsames Interesse“). Mehr Goethe-Institute in China, um „manchmal“ auch den kritischen Dialog führen zu können. Und mehr Zusammenarbeit bei Klima und Umweltschutz. Für die Zukunft wünschte er sich mehr „Win-win Situationen“, von denen Deutschland und China „gemeinsam profitieren“.

China-Politik der CSU

Die letzte China-Reise der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe fand im Juli 2024 statt. Vorsitzender der Gruppe ist der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich, der zugleich auch Mitbegründer des Lobby-Vereins „China-Brücke“ ist.

Das Land stecke „voller Chancen für die deutsche Wirtschaft“ steht im ausführlichen Bericht, der viele lobende Worte für die „gute Zusammenarbeit“ findet.

Die Vorteile der Zusammenarbeit für beide Länder liegen laut Friedrich auf der Hand: Während Deutschland seine international geschätzte Rolle als Land der Erfinder und Ingenieure spiele, warte China mit seinem riesigen Markt auf, auf dem in Deutschland ausgeklügelte Produkte weiterentwickelt und wegen der großen Stückzahlen für einen breiten Verbrauchermarkt erst erschwinglich gemacht würden. „So werden beide Stärken zusammengeführt“, stellt Friedrich die Logik der Zusammenarbeit heraus.

Laut Herrn Friedrich würde die chinesische Seite

immer wieder darauf hinweisen, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland ein Gewinn für beide Seiten gewesen sei und fortgeführt werden müsse.

Zwar gebe es neben all den Stärken hier und da auch „Herausforderungen“. Diese müsse man auch ansprechen. Dabei sei im Bereich der Menschen- und Grundrechte ein „äußerst behutsames“ Vorgehen nötig und es sei wichtig, die „Gastgeber weder verletzend anzugehen noch öffentlich an den Pranger zu stellen.“

Für Herrn Friedrich steht die „gute Zusammenarbeit“ klar im Vordergrund. Und findet, selbst Hongkong biete „für chinesische Verhältnisse immer noch Freiräume“. Schließlich sei mit China „so gut wie alles verhandelbar“.

Besteht also Grund zur Sorge, dass die viel gepriesene deutsch-chinesische Win-win-Situation ob solcher Differenzen geschwächt wird? Oder dass China dank seiner Größe bislang führende Industrienationen wie Deutschland in Richtung Bedeutungslosigkeit drängt? Nach Überzeugung des Vorsitzenden der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe: keinesfalls.(Bundestag)

Schade, dass außer dem wohlwollenden „China-Kenner“ und Vorsitzenden kein weiteres Mitglied der Gruppe zu Wort kommt.

Bayerische Panda-Diplomatie

Zu guter Letzt ist da noch Ministerpräsident Markus Söder und dessen China-Reise im März 2024. Ihm selbst zufolge „in der ganz großen Linie mit Franz Josef Strauß“. Mit über einem Dutzend Nachrichten dokumentierte der Medienprofi seinen Aufenthalt in den sozialen Medien.

China Politik CDU/CSU Söder in China
Screenshot: x

CDU/CSU und China

Reziprozität, Souveränität, De-Risking. Partner, Wettbewerber, Systemrivale. Die wirtschafts- und außenpolitischen Positionen von CDU/CSU sind weniger „neue Politik“ als vielmehr die Fortsetzung bestehender Konzepte. Seit der Indo-Pazifik Strategie (2020) und der China-Strategie (2023) sind diese Schlagwörter sowohl auf nationaler, als auch auf EU-Ebene Bestandteil offizieller Politik.

Die von der CDU/CSU oftmals erwähnte klassische Rollenverteilung zwischen Deutschland und China (Deutschland exportiert, China kauft) trifft auf die vergangenen vier Jahrzehnte zu. Allerdings darf die Zukunftsfähigkeit dieses Modells stark angezweifelt werden.

Die Lage der deutschen Automobilindustrie ist hier nur ein warnendes Beispiel für zahlreiche Entwicklungen, bei denen die deutsche Ingenieurskunst keine führende Rolle mehr spielt. Auch die massiven Bestrebungen der Führung in Peking zur Autarkie des Landes sowie der Anspruch, in allen Bereichen selbst weltweit führend zu sein und Standards zu setzen, sprechen ebensowenig dafür.

Im Ton ist die Politik von CDU/CSU zunehmend China-kritisch und orientiert sich dabei am Kurs der USA. Man will die „regelbasierte internationale Ordnung erhalten, stärken und stützen“. Der Unionslogik folgend geht der „Systemwettbewerb“ praktisch allein von Staaten wie China oder Russland aus.

Was auf die sogenannte Pax Americana des 20. Jahrhunderts folgt, ist noch unklar. Manche nennen die kommende Weltordnung „multipolar“. Klar hingegen ist, dass die Forderung nach mehr Mitsprache und Mitgestaltung bei der internationalen Ordnung des 21. Jahrhunderts nicht nur aus chinesischer Perspektive als ein Grundrecht eingefordert wird.

So fördert die Union selbst die Lager- und Blockbildung und trägt zu einem „Wir gegen die“-Denken bei. Gleichzeitig wollen CDU/CSU an den engen Beziehungen zu China festhalten. Hier werden Problematik und Einseitigkeit im Weltbild der Christdemokraten erkennbar.

Vielleicht gehört es zur hohen Kunst der Politik, einerseits auf „Recht und Ordnung“ zu pochen und China gegenüber eine harte Linie zu vertreten. Und andererseits ganz andere Töne anklingen lassen, wenn es um deutsche Wirtschaftsinteressen und das Verhältnis zur Volksrepublik China geht.

Letzteres gleicht einem Spagat, an dem sich die anderen Parteien ebenso messen lassen müssen.

Weitere Beiträge zur China-Politik deutscher Parteien

#69 China-Politik EU & Deutschland (II): Indo-Pazifik Leitlinien der Bundesregierung

Quellen:

CDU-Abgeordnete im Austausch mit Studierenden der Germanistik und des ZDS der Peking-Universität, https://german.cri.cn/2024/04/16/VIDEUok4szUdLzroO2jZVkEI240416.shtml

Jens Spahn: Das Fenster des Dialogs ist auf, https://german.cri.cn/2024/04/15/VIDE1QJ3AoqiCZLVKvzS96E7240415.shtml

Norbert Röttgen, Nie wieder hilflos! Ein Manifest in Zeiten des Krieges, dtv. 2022.

Politikwechsel für Deutschland, https://www.politikwechsel.cdu.de/sites/www.politikwechsel.cdu.de/files/docs/politikwechsel-fuer-deutschland-wahlprogramm-von-cdu-csu-1.pdf

Souveränität aus eigener Stärke – Eckpfeiler einer neuen China-Politik, https://www.cducsu.de/sites/default/files/2023-04/PP%20Eckpfeiler%20China-Politik%20neu.pdf


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