Our states and peoples are linked by decades of fruitful cooperation in nearly all areas. I would like to remind that our country was the first in the world to recognise Mongolia’s independence in 1921 and for a long time remained the only guarantor of its sovereignty and security.
Wladimir Putin, 2. September 2024
Russland und die Mongolei: Präsident Putin zu Besuch
Alle fünf Jahre finden in der Mongolei die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Sieges der Mongolei im Bündnis mit der Sowjetunion gegen japanische Truppen statt. Die für den Kriegsverlauf in Ostasien entscheidende Schlacht am Fluss Chalchin Gol von 1939 jährt sich am 3. September zum 85. Mal. 2014, 2019, 2024. Seit 2014 besucht der russische Präsident Putin im Fünfjahrestakt die Mongolei, um „in guter Tradition“ an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
Ulaanbaatar am Tag vor dem offiziellen Staatsempfang Putins
In Ulaanbaatar macht sich der bevorstehende Besuch des russischen Präsidenten am Vortag des Staatsempfangs bemerkbar. Herr Putin ist zwar noch nicht in der Stadt, viele seiner Landsleute sind es schon. Auf den Straßen im Zentrum sind auffallend viele Grüppchen russischer Männer unterwegs, die weniger nach Touristen oder Geschäftsleuten aussehen. Mit kurzgeschorenen Haaren und drahtig bis breitschultrigem Körperbau würden viele von ihnen sicherlich gut in eine Uniform passen.
Auf dem Sukhbaatar-Platz und vor dem großen Staatskhural hängen und wehen mongolische und russische Flaggen. Am anderen Ende des Platzes wird noch an einer Bühne gewerkelt, auf der eine „85“ an den Jahrestag der Schlacht von Chalchin Gol erinnert.
Ein Dutzend Demonstrierender versammelt sich am Nachmittag in der Mitte des Platzes. Sie halten Ukraine-Flaggen und ein Banner auf dem „Get War Criminal Putin Out Of Here“ steht. Mit Mikrofon und Lautsprecher kritisiert ein Menschenrechtsanwalt die eigene Regierung für den Empfang des russischen Präsidenten. Das Parlament sei voller „Marionetten“, die eher für die Interessen des Kremlin statt für jene des eigenen Volkes arbeiten würden.
Als Russen an der Demo vorübergehen, werden manche der Aktivisten laut. Sie rufen „Slava Ukraina“ und drücken ihre Gefühle auf russisch aus: „Tod den russischen Besatzern“ ruft eine Frau den Passanten entgegen und wünscht weiteren „Gegnern“ ebenfalls den Tod.
Ein vorbeigehender Russe zeigt der Gruppe als Antwort den Mittelfinger. Andere schimpfen aus der Entfernung zurück oder tun die Aktion mit Kopfschütteln ab, so wie man sich über „Spinner“ amüsiert.
Mit ihrem Aktivismus zeigen die Demonstrierenden, dass es in der Mongolei – wie in Deutschland auch – innerhalb der „Friedensbewegung“ verschiedene Strömungen und unterschiedliche Interessen gibt. Friedensbewegung ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da sich die Frage stellt, ob jemand friedensbewegt und an friedlichen Konfliktlösungen interessiert ist, wenn er den politischen Gegnern den Tod wünscht.
Keine Demonstranten beim offiziellen Empfang des russischen Präsidenten
3. September. Der Staatsgast wird um dreizehn Uhr auf dem Sukhbaatar-Platz erwartet. Alles ist vorbereitet. Der rote Teppich ist ausgerollt, ein Orchester, ausgewählte Gäste und eine mongolische Reitertruppe, Pferd und Reiter gekleidet wie Soldaten aus der Zeit des großen Khans, stehen bereit.
Der gesamte Platz ist weiträumig abgesperrt, Metallgitter und uniformierte wie uninformierte Kräfte sichern das Treffen in alle Himmelsrichtungen ab. Scharfschützen beobachten das Geschehen von den Dächern. Der Himmel selbst verzieht sich an diesem Mittag und es fallen vereinzelte Regentropfen aus dem grauen Wolkenteppich.
Die Kolonne des russischen Präsidenten fährt mit einer knappen halbe Stunde Verspätung vor. Unter den Schaulustigen hinter der Absperrung sind auffallend viele disziplinierte Männer, die sich gut untereinander kennen, ordentlich in einer Reihe stehen und mit Wasserflaschen versorgt werden. Bei der Einfahrt des Staatsgasts winken und jubeln viele von ihnen.
Protestaktionen wie am Vortag gibt es an diesem Tag keine. Kritische Stimmen werden teilweise im Vorfeld von der Polizei besucht, oder sie werden nach der Ankunft auf dem Sukhbaatar-Platz direkt in Gewahrsam genommen. Die Aktivisten-Szene ist überschaubar, der Staat kennt seine Pappenheimer.
Nach dem offiziellen Programm und keine 24 Stunden später fliegt Herr Putin wieder zurück nach Russland. Samt dessen großer, aus mehreren Ministern und ranghohen Vertretern aus Politik und Staatsunternehmen bestehenden Delegation ging es weiter nach Wladivostok. Dort eröffnete das Östliche Wirtschaftsforum mit dem diesjährigen Motto „Far East 2030“.
Mongolei und Russland: Gute Nachbarschaft statt Haftbefehl
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag stellte im März 2023 einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten aus wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Als Mitglied des Internationalen Strafgerichtshof und nach internationalem Recht wäre die Mongolei verpflichtet gewesen, den Haftbefehl gegen Herrn Putin zu vollstrecken.
Theoretisch. Praktisch sehen die politischen und vor allem die wirtschaftlichen Realitäten der Mongolei anders aus.
Warum kam die Mongolei ihrer Verpflichtung nicht nach rollte und dem russischen Präsidenten stattdessen den roten Teppich aus? Die Antwort kommt von einem Regierungssprecher der Mongolei auf Anfrage von Politico. Der Grund ist einfach: Die Mongolei befindet sich in einer absoluten Energieabhängigkeit von Russland.
Mongolia imports 95% of its petroleum products and over 20% of electricity from our immediate neighborhood, which have previously suffered interruption for technical reasons. This supply is critical to ensure our existence and that of our people.
Die Mongolei bezieht 95% der Treibstoffe und über 20% der Elektrizität aus Russland. Regelmäßig nutzt der Nachbar im Norden diesen Umstand aus, um Druck auszuüben und russische Interessen durchzusetzen. Nutzt Russland diesen Hebel, kommt es in der Hauptstadt zu stundenlangen Stromausfällen, die sich über Tage hinweg fortsetzen. Aus eigener Erfahrung kennt der Autor die negativen Folgen, besonders im mongolischen Winter, wenn Strom und Heizung ausfallen.
Diese Abhängigkeit der Mongolei von Russland im Norden (und China im Süden) spiegelt sich auch in den Ergebnissen zur bilateralen Zusammenarbeit. Bei den unterzeichneten Vereinbarungen steht die Sicherung der Energieversorgung an erster Stelle.
- Das Kohlekraftwerk „Thermal Power Plant Nr.3“ in der Hauptstadt soll saniert und erweitert werden
- Lieferungen von russischem Öl und Benzin sollen „dauerhaft und ununterbrochen“ erfolgen
- Lieferung von günstigem Flugzeug-Treibstoff
- Bau eines Wasserkraftwerks am Fluss Eg im Grenzgebiet im Norden
- Zusammenarbeit in Umweltfragen. Schutz des Baikalsees und des Selenge
- Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen. Schutz vor Epidemien wie der Murmeltier-Pest in Grenzgebieten.
Der Ausbau der strategischen Partnerschaft in verschiedenen Bereichen war ein weiteres Gesprächsthema. Verhandelt wurde auch ein befristetes Freihandelsabkommen zwischen der Mongolei und der Eurasischen Union, um den Handel erleichtern.
Bau von „Power of Siberia 2“ weiter ungewiss
Keine neue offizielle Stellungnahme gibt es bezüglich des Stands der Dinge bei der geplanten russischen Gasleitung „Power of Siberia 2“. Die Gasleitung soll Russisches Gas durch die Mongolei nach China transportieren. Bisher kam das Projekt allerdings nicht über die Planungsphase hinaus. Im aktuellen Programm der neuen mongolischen Regierung wird das Projekt nicht erwähnt. Und auch China scheint es derzeit nicht eilig zu haben.
Russland und Mongolei – Chinas Reaktion
In der Volksrepublik gilt der 3. September als Gedenktag des Sieges Chinas über den japanischen „War of Aggression“. In den chinesischen Medien wird der Mongolei-Besuch Putins nur am Rande erwähnt und positiv dargestellt. Das Propagandablatt Global Times sieht darin einen weiteren Ausdruck von Russlands „Schwenk nach Osten“. Dieser bringe eine engere Zusammenarbeit und wirtschaftliche Vorteile für die Länder in Ostasien und der Pazifikregion mit sich.
Der internationale Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten wird mit keinem Wort erwähnt. Dies zeigt, dass sich weder Russland noch China an bestehendes internationales Recht gebunden fühlen, wenn es sich gegen die eigenen Interessen richtet.
Kurz nach dem Besuch aus Russland wird Chinas Vizepremierminister Han Zheng vom 6. bis 8. September in Ulaanbaatar erwartet. Offizieller Anlass sind die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 75 Jahren und das 10-jährige Bestehen der Strategischen Partnerschaft. Das Thema „Power of Siberia 2“ wird dann sicherlich auch eine Rolle spielen.
Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, am 3. September zur bevorstehenden Reise des Vizepremierministers:
China and Mongolia are friendly neighbours sharing mountains and rivers. … During his visit to Mongolia, Vice President Han Zheng will have in-depth communication with Mongolian leaders on China-Mongolia relations and issues of mutual interest. China stands ready to work with Mongolia to follow the guidance of the important common understandings between the heads of state of both countries, enhance friendship and mutual trust, deepen mutually beneficial cooperation and advance the sustained, steady and sound growth of China-Mongolia relations.
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Quellen:
Zitat zu Beginn des Beitrags: Interview to Mongolian Onoodor Newspaper, http://en.kremlin.ru/events/president/news/74979.
Sorry not sorry, says Mongolia after failure to arrest Putin, https://www.politico.eu/article/mongolia-failure-arrest-vladimir-putin-international-warrant-international-criminal-court/.
Prime Minister L. Oyun-Erdene: I am pleased that the Eg River Hydroelectric Plant project, discussed at the Eastern Economic Forum, is progressing, https://mongolia.gov.mn/news/view/27028.
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