#24 Zwischen Boom und Betrug: Bio-Lebensmittel aus China

Bio-Lebensmittel aus China

Auch bei “Bio”, “grünem Wachstum” und “nachhaltigem Wirtschaften” gelten die Gesetze des Marktes. Die Formel ist einfach und altbewährt: Grenzenloses Wachstum unter Nutzung sämtlicher natürlicher Ressourcen. Dabei wird die Rechnung gerne ohne den Wirt gemacht. Auch im Bio-Bereich muss die weltweit steigende Nachfrage durch ein möglichst jederzeit und umfassend zur Verfügung stehendes Angebot an Produkten sichergestellt werden. Das gilt auch für den Wachstumsmarkt für Bio-Lebensmittel in und aus der Volksrepublik China.

Bio-Lebensmittel aus China – Schneller Profit oder saubere Produkte?

China zählt inzwischen zu den größten Exporteuren von Bio-Lebensmitteln und der Milliardenmarkt wächst weiter. Doch nicht immer erfüllen die Erzeugnisse auch die an die ökologische Landwirtschaft geknüpften Qualitätskriterien und es werden tonnenweise verunreinigte Bio-Importe aus China entdeckt (siehe #17).

Der Spiegel (Nr.16/2019) berichtete jüngst über Missstände in der chinesischen Bio-Landwirtschaft; über Betrug, Bestechung, mangelndes Bewusstsein, fehlende Kontrollen und Drohungen gegenüber Kontrolleuren. Über Ökopflanzen, die direkt neben gespritzten Pflanzen auf einem Feld wachsen, über leere Glyphosatflaschen auf Bio-Äckern.

Der Autor stützt sich dabei auf ein internes Papier der deutschen Zertifizierungsstelle Ceres für ökologischen Landbau und Öko-Produkte. Darin werden 51 begleitete Kontrollen zwischen 2007 und 2017 erwähnt; in 41% dieser Fälle wurden mehr als drei Verstöße gegen die Prüfrichtlinien festgestellt. Weiter offenbare der Bericht das „mangelnde Unrechtsbewusstsein der Bauern“ und ein „ausgeprägtes Versagen der Prüfer“.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Einer der Ceres-Geschäftsführer bezog in der Tageszeitung Stellung, demnach vermittle der Artikel einen „falschen Eindruck“ und sei „Quatsch“. Man habe den Redakteur zwar auf gewisse komplizierte Fakten hingewiesen, dieser wollte sich aber “seine schöne Geschichte nicht kaputt machen lassen.“

Säge nicht an dem Ast, auf dem Du sitzt

Kommentar: Die Wahrheit liegt wahrscheinlich auch hier irgendwo in der Mitte. Sicher sind nicht alle Bio-Produzenten in China schwarze Schafe, und je nach Berechnungsgrundlage liegt das Land auf der Liste der Bio-Umweltsünder entweder ganz weit vorne oder etwas weiter hinten. Das Ceres „das Ausmaß der Probleme“ allerdings erst 2016 nach Einführung unangekündigter Nachkontrollen erkannt haben will, und die Inspektionsberichte nur „in einigen extremen Fällen“ dann „wenig zu tun hatten mit der Realität“, ist überraschend. Denn Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der (Bio-)Lebensmittelindustrie sind bekannt.

China ist groß, landwirtschaftlich nutzbares Ackerland hingegen rar (<10%) und kostbar. Neue Bauprojekte, Umweltveränderungen und Naturkatastrophen lassen diese Anbauflächen seit Jahren weiter schrumpfen. Gleichzeitig steigt der Druck auf die verbliebenen Flächen und damit der Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden, oder neuer Technologien, z.B. der Gentechnik. Die Belastung der Luft, des Wassers und der Böden ist dementsprechend hoch. So hoch, dass das staatlich gesetzte Ziel der nationalen Selbstversorgung und Unabhängigkeit von Lebensmittelimporten gefährdet ist.

Bereits 2015 rief die Regierung deshalb das Ziel „Nullwachstum“ für den Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden bis 2020 aus. Zwischen 2015 und 2017 sei deren Einsatz bereits jährlich gesunken und China habe das Ziel somit 2017 bereits drei Jahre vor dem Plan erreicht, zitiert die staatliche Xinhua einen Mitarbeiter des chinesischen Landwirtschaftsministeriums. Das Land will zu einer ökologischen Zivilisation werden und führend in Sachen grüner Entwicklung.

Allerdings verbrauchte China 2017 immer noch gut ein Drittel aller weltweit verwendeten chemischen Dünger und Pestizide, berichtet Reuters. Chinesische Landwirte verwendeten demnach pro Hektar bewirtschafteter Fläche im Durchschnitt sechsmal so viel Chemiedünger wie ihre Kollegen in den USA, und siebenmal so viel wie in der EU.


Siehe auch

#17 Bio-Lebensmittel aus China

#17 Bio-Lebensmittel aus China

#83 Bio-Produkte aus China 2021


Mehr dazu:

Eine sehenswerte Reportage von Al Jazeera zur Lebensmittelssicherheit in China aus dem Jahr 2014:

 

NDR: Lebensmittel aus China (2014)

TAZ: EU verschärft Kontrollen (2013)

SPON: Ökoware aus China (2009)

WIWO: Bio-Boom in China (2008)


 

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