
China und Italien sollten den Geist der Seidenstraße aufrechterhalten und fördern, die bilateralen Beziehungen von einer historischen Dimension, einer strategischen Höhe und einer langfristigen Perspektive aus betrachten und entwickeln und ihre Beziehungen stetig und weitreichend vorantreiben.
Xi Jinping, Xinhua, 29.07.2024
Italien, China und der „Silk Road Spirit“- Giorgia Meloni trifft Xi Jinping
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni besuchte vom 28. bis 31. Juli China. Es war der erste Staatsbesuch in der Volksrepublik seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren. Während ihres Aufenthalts fanden Gespräche mit Generalsekretär Xi Jinping statt. Außerdem nahm sie mit Premierminister Li Qiang am 7. italienisch-chinesischen Wirtschaftsforum teil und traf weitere hochrangige Kader der Partei zu Gesprächen.
Offizielle Anlässe gab es zwei: das 20-jährige Bestehen der „Globalen Strategischen Partnerschaft“ zwischen Italien und China und den 700. Jahrestag von Marco Polo.
„Die Reisen des Marco Polo“ dürfte vielen heutzutage vielleicht eher durch die gleichnamige Fernsehserie als durch seinen jahrhundertealten Reisebericht bekannt sein. Die UNESCO schreibt auf ihrer „Silk Roads Programme“-Webseite:
Marco Polo is arguably the most famous Western traveler to have journeyed on the Silk Road. As a young merchant, he began his journey to China in 1271 and his travels lasted for 24 years. During this time he became the confidant of Khubilai Khaan (1214-1294). Upon his return he became a prisoner of war. This book is the tale of his travels that were documented by Rustichello of Pisa and gives a fascinating account of religions, customs, trades and ways of life in the near and far East during the reign of Khubilai Khaan. His book is an insightful documentation of the cultures of the Silk Road and the wonders achieved with the immense wealth created by the civilizations of the East.[1]
Dem Weltreisenden wird in dessen Geburtsstadt Venedig das ganze Jahr über gedacht, unter anderem mit der Ausstellung „I Mondi di Marco Polo“ („Die Welten des Marco Polo“). Der chinesische Handelsminister Wang Wentao besuchte die Lagunenstadt im Frühjahr und wurde von Außenminister Tajani empfangen. Letzterer pries Marco Polo als einen „Vorreiter der mit Tourismus und Wissen verbundenen Diplomatie“ und Protagonisten des „Dialogs zwischen Italien und China“.[2]
Und auch in China wird das Jubiläum mit einer Ausstellung im World Arts Museum in Peking zelebriert. Zur Ausstellungseröffnung von „Reise des Wissens“ (“传奇之旅:马可·波罗与丝绸之路上的世界”) hielt Frau Meloni eine feierliche Rede.
Die heutige Hauptstadt der Volksrepublik und Khanbaliq oder Dadu, damaliger Regierungssitz der Yuan-Dynastie unter Kubilai Khan, beschrieb Marco Polo als pulsierendes Handelszentrum.
You may be certain that more precious and valuable goods arrive in Khanbaliq than in any other city in the world. … First of all, let me tell you that all the treasures that come from India – precious stones, pearls and all the other rarities – are brought to this city. Then, all the choicest and costliest things from the province of Cathay and from every other province are brought here as well. And this is on account of the Great Khan himself, who lives here, and of the ladies and lords and the vast multitudes of soldiers in his armies, as well as of the other people who come to attend the court that the Great Khan holds here. … For you may depend on it that every day more than a thousand carts loaded with silk enter the city, for a great deal of cloth of gold and silk is woven here.[3]
Zurück in die Gegenwart. In Zeiten belasteter Handelsbeziehungen und geopolitischer Spannungen nutzen Italien und China das Erbe von Marco Polo und den „Silk Road Spirit“, um Zusammenarbeit und Win-Win-Situationen zu betonen.
Italien und Chinas neue Seidenstraße/ Belt and Road Initiative
Die Seidenstraße samt ihrer glorreichen Vergangenheit ist im 21. Jahrhundert mit der Neuen Seidenstraße/Belt and Road Initiative (BRI) wiederbelebt worden. 2013 verkündete Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping das Investitions- und Infrastrukturprojekt in Astana, Kasachstan. Beim 10-jährigen Jubiläum vergangenes Jahr waren über 150 Staaten und 30 internationale Organisationen Teil der BRI.[4]
Italien trat 2019 als einziges EU-Gründungsmitglied und G7-Staat der BRI bei.
Und verkündete Ende 2023 unter Regierungschefin Meloni wieder den Austritt.
Der italienische Außenminister begründete die Entscheidung damit, dass der Beitritt „nicht die erwünschten Resultate erbracht“ habe. Investitionen aus China in Italien (wie der Ausbau der Häfen in Genua und Triest) blieben ebenso unter den Erwartungen wie die erhofften steigenden Exporte von Waren „Made in Italy“ nach China. Staaten, die dem Netzwerk nicht angehörten, hätten „bessere Ergebnisse erzielt“. Dies sei aber kein negativer Akt gegenüber China, so Herr Tajani.[5]
Während 2023 Italiens Investitionen in China auf 13 Milliarden Euro anstiegen, fielen die chinesischen in Italien auf 4,9 Mrd. Euro. Das bilaterale Handelsvolumen erreichte rund 67 Mrd. Euro, die Höhe der Exporte „Made in Italy“ nach China betrug 19,2 Mrd Euro.[6]
Italien wolle eine „neue Phase der bilateralen Beziehungen“, einen „Neustart“, verkündete Frau Meloni in Peking.
Auf dem italienisch-chinesischen Wirtschaftsforum sprach Sie konkret an, wie man sich diesen Neustart aus italienischer Sicht vorstellt. Vor allem müssten die bilateralen Handelsbeziehungen fairer und profitabler werden. Das „Problem“ dieses Handelsdefizits sei eine „wichtige Angelegenheit“, die sie gemeinsam lösen wolle. Außerdem forderte sie Fairness, Transparenz, einen verbesserten Schutz geistigen Eigentums und des Marktzugangs für italienische Unternehmen. Beim Thema Künstliche Intelligenz sprach sich Frau Meloni für mehr Zusammenarbeit aus.
It would be a mistake for us to ignore the growing risks of polarisation and of wealth becoming even more concentrated, not to mention those linked to humans losing control over decisions, which will instead be made by the machines that in the meantime are being used across a wide range of sectors, including in the medical, security and even military fields.7
Es sind die bekannten Forderungen nach dem „level playing field“ und Positionen, wie man sie von vielen Akteuren in der EU hört. Auf chinesischer Seite hört man sie weniger.
BRI-Austritt und Frau Melonis Besuch aus chinesischer Sicht
Dass Italien die BRI kurz vor der Verlängerung der Mitgliedschaft um fünf weitere Jahre verlassen hatte, sorgte für Verstimmungen auf der chinesischen Seite. Wenn man mehreren Artikeln in der Global Times Glauben schenken möchte, gab es einen weiteren inoffiziellen offiziellen Grund für den Staatsbesuch aus Italien.
Italien wolle das „Bedauern“ über den BRI-Ausstieg und damit verbundene „Missverständnisse persönlich“ aus dem Weg räumen, wird ein Sozialwissenschaftler zitiert. Zudem leide das Land Beobachtern zufolge seit Jahren unter einer Rezession und hohen Staatsschulden.
Vor allem aber lag der Austritt nicht an mangelnder Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit China, oder an „Melonis eigenen politischen Vorstellungen“. Er sei „ideologisch“ motiviert gewesen als Folge des „enormen Drucks der USA und des Westens“, damit Italien sich von China entferne, „ohne echte Unterstützung als Ersatz zu bieten“.
Jetzt sei Italien wieder zur „Rationalität“ zurückgekehrt und wolle mit dem Aktionsplan zur Fortsetzung der Globalen Strategischen Partnerschaft den Austritt aus der BRI „kompensieren“.
Es wird suggeriert, dass Italien auf China angewiesen ist und ihre Fehlentscheidung eingesehen habe. China, als wohlwollende Großmacht und Verfechter von „Win-Win“-Situationen, bleibt dem „Silk Road Spirit“ treu und ist bereit für den Neustart.
Xi Jinping empfängt Jose Ramos-Horta – und Giorgia Meloni
Dieser Eindruck entsteht auch in der offiziellen Berichterstattung im Fernsehen. In der Nachrichtensendung Xinwenlianbo vom 29. Juli war der italienische Staatsbesuch Thema. Allerdings war es nicht der einzige Staatsbesuch, der gezeigt wurde. Zuerst, und wesentlich ausführlicher als über Frau Meloni, wurde darüber berichtet wie Xi Jinping den Präsidenten Osttimors, Jose Ramos-Horta, mit allen Ehren empfing. In dem fast fünf Minuten langen Beitrag sah man die beiden bei einer Militärparade, man sah sie umringt von fahnenschwenkenden und jubelnden Kinder, und man sah sie am Verhandlungstisch sitzend.
Erst dann folgte der verhältnismäßig kurze Bericht über den Besuch der italienischen Regierungschefin. Nach einer Begrüßung Bilder vom Verhandlungstisch, die hauptsächlich einen sprechenden Xi Jinping und eine aufmerksam zuhörende und zustimmend nickende Giorgia Meloni zeigten.
Verstärkt wurde diese Rollenverteilung durch die Kamerawinkel der Aufnahmen. Obwohl sich beide Seiten ebenerdig gegenüber saßen wirkte es so, als befände Herr Xi sich in erhöhter bzw. erhabener Position.
Herr Xi spricht,

Frau Meloni hört zu.

Aus anderer Perspektive die Zusammenfassung des Besuchs von CNA:
Italien-China Aktionsplan 2024-2027
Statt Abkommen als Teil der Neuen Seidenstraße wurde ein dreijähriger Aktionsplan zur Stärkung der Globalen Strategischen Partnerschaft (2024-2027) unterzeichnet. Teil davon sind sechs Vereinbarungen in den Bereichen industrielle Zusammenarbeit, Schutz geografischer Angaben, Ernährungssicherheit, Umwelt und Bildung.
Mehr Informationen zum Aktionsplan:
ILMESSAGGERO:Italien und China unterzeichnen Kooperationsabkommen trotz Rückzug von der Neuen Seidenstraße
REUTERS:Deals signed by Italy and China after PM Meloni’s trip
Quellen:
[1]UNESCO, https://en.unesco.org/silkroad/publications/travels-marco-polo.
[2]Warum Meloni plötzlich ihre Verbundenheit mit China beschwört, https://www.handelsblatt.com/politik/international/italien-warum-meloni-ploetzlich-ihre-verbundenheit-mit-china-beschwoert/100032964.html.
[3]Marco Polo, The Travels, Penguin Random House 2016.
[4]China’s Belt and Road Initiative turns 10. Here’s what to know, https://www.weforum.org/agenda/2023/11/china-belt-road-initiative-trade-bri-silk-road/.
[5]Enttäuscht von der Neuen Seidenstraße, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italien-beendet-kooperation-mit-china-und-verlaesst-neue-seidenstrasse-19367862.html.
[6]Warum Meloni plötzlich ihre Verbundenheit mit China beschwört, https://www.handelsblatt.com/politik/international/italien-warum-meloni-ploetzlich-ihre-verbundenheit-mit-china-beschwoert/100032964.html.
[7]President Meloni’s address at the Italy-China Business Forum, https://www.governo.it/en/articolo/president-meloni-s-address-italy-china-business-forum/26334.
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