Nach intensiven Verhandlungen, die seitens der EU von der Europäischen Kommission geführt wurden, haben die EU und China die Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen grundsätzlich abgeschlossen. […]
Dieses Abkommen ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung und bindet die Parteien in einer wertegestützten Investitionsbeziehung, die sich auf Grundsätze nachhaltiger Entwicklung stützt. […]
Das Abkommen beinhaltet außerdem wichtige Verpflichtungen zum Umwelt- und Klimaschutz, einschließlich einer wirksamen Umsetzung des Übereinkommens von Paris, und zu Arbeitsnormen. […]
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben darüber hinaus ihre ernste Besorgnis über die Menschenrechtslage in China, einschließlich der Entwicklungen in Hongkong, bekräftigt.
Presseerklärung von Europäischem Rat und Europäischer Kommission (30.12.2020)
Inhalt
(zuletzt aktualisiert am 04.07.21)
Reaktionen zum EU-China Investitionsabkommen
Die EU, China und das CAI im Jahr 2021
Einigung beim EU-China Investitionsabkommen
Die ersten Verhandlungen zwischen der EU und China über ein bilaterales Investitionsabkommen fanden bereits Ende 2013 statt. Erst sieben Jahre später, nach Dutzenden Verhandlungsrunden und kurz vor Ablauf der Frist kam es zur Einigung. Das EU-China Comprehensive Agreement on Investment (CAI) soll zukünftig für ein „level playing field“ in den Handelsbeziehungen sorgen und vor allem den Marktzugang und die Rahmenbedingungen für in China tätige europäische Unternehmen verbessern.
Siehe auch
Feierlich verkündeten die Verhandlungspartner (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, der französische Präsident Emmanuel Macron, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping) am 30. Dezember 2020 eine „grundsätzliche politische Einigung“.
Bis zum französischen EU-Ratsvorsitz im Jahr 2022 soll das „umfassende Investitionsabkommen“ unterzeichnet, ratifiziert und abgeschlossen werden.
In der Presserklärung zum Treffen der Führungsspitzen der EU und Chinas zelebriert die EU den Verhandlungserfolg. Ergebnisse seien durch „entschlossenes Eintreten für die Interessen und Werte der EU“ erzielt worden.
Im folgenden einige Auszüge aus der Presseerklärung von Europäischem Rat und Europäischer Kommission vom 30.12.2020, ergänzt durch Stimmen aus den Medien zur Einigung zwischen der EU und China.
Im Fokus: Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China
Die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China sollen im Rahmen des Abkommens neu austariert werden. Ziel aus europäischer Sicht war, mehr Chancengleichheit und ein „level playing field“ für auf dem chinesischen Markt tätige EU-Unternehmen zu schaffen.
China hat sich zu einem neuen Ausmaß des Marktzugangs für Investoren aus der EU verpflichtet, das europäischen Unternehmen Sicherheit und Vorhersehbarkeit für ihre Tätigkeit gibt. Das Abkommen wird darüber hinaus erheblich zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für Investoren aus der EU beitragen, da für staatliche chinesische Unternehmen klare Verpflichtungen festgelegt werden; erzwungene Technologietransfers und andere wettbewerbsverzerrende Vorgehensweisen werden untersagt und die Transparenz von Subventionen wird erhöht.
Außerdem fordert die EU von China:
- „Im Rahmen der Welthandelsorganisation Verhandlungen über Industriesubventionen“ aufzunehmen.
- Einen verbesserten Marktzugang für EU-Händler in den Sektoren Agrar-/Lebensmittelproduktion und der digitalen Wirtschaft.
- Abbau der Überkapazitäten in Sektoren wie Stahl/Aluminium und im Hochtechnologiesektor.
China hat sich verpflichtet, die von ihm ratifizierten Übereinkommen der IAO [Internationale Arbeitsorganisation] wirksam umzusetzen und auf die Ratifizierung der grundlegenden IAO-Übereinkommen, einschließlich zu Zwangsarbeit, hinzuarbeiten.
China habe Medienberichten zufolge zugesagt, „dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen“ zur Ratifizierung der Konvention der IAO zur Zwangsarbeit zu unternehmen.
Felder der Zusammenarbeit zwischen der EU und China
Partnerschaftlich will man „in Fragen des Klimaschutzes und der biologischen Vielfalt“ zusammenarbeiten. Dies begrüße die EU, genau wie die Ankündigung Chinas, bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen.
Siehe auch #75 UN-Klimagipfel „Climate Ambition Summit 2020“ & China
Mit Blick auf COVID19 und künftige Pandemien müsse
die Covax-Fazilität weiter unterstützt und die internationale Zusammenarbeit verstärkt werden.
Die Führungsspitzen der EU hätten China ferner aufgefordert,
sich innerhalb des von der G20 und dem Pariser Club vereinbarten Rahmens umfassend an den multilateralen Bemühungen um eine Schuldenentlastung zu beteiligen.
Hinsichtlich der Menschenrechtslage in China bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der EU
ihre ernste Besorgnis über die Menschenrechtslage in China, einschließlich der Entwicklungen in Hongkong.
Die Umsetzung des Investitionsabkommens soll sichergestellt werden durch „kontinuierliche politische Kontakte mit China auf hoher Ebene“ und einen „robusten Durchsetzungs- und Überwachungsmechanismus“.
Die Europäische Kommission wird auf EU-Seite die Umsetzung der Verpflichtungen des Abkommens überwachen.
Fazit
Das bilaterale Investitionsabkommen – Comprehensive Agreement on Investment (CAI) – zwischen der EU und China geht in die nächste Runde. Das „entschlossene Eintreten für die Interessen und Werte der EU“ im Verhältnis zu China konzentriert sich im Wesentlichen auf:
- einen verbesserten Marktzugang
- fairere Wettbewerbsbedingungen
- Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards für eine „nachhaltige Entwicklung“.
Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/presseerklaerung-von-europaeischem-rat-und-europaeischer-kommission-vom-30-12-2020-1833410
Reaktionen zum EU-China Investitionsabkommen
Twitter-Nachrichten von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Chinas Regierungssprecherin Hua Chunying und Hu Xijin, Chefredakteur der Global Times (30.12.2020).
Die FAZ sieht die Darstellung der EU-Kommission zum Abkommen als „vollen Erfolg“, und als ob China „außer mehr Rechtssicherheit praktisch gar nichts gewonnen“ habe, kritisch. Dass diese Einigung zum Investitionsabkommen unter Zeitdruck erzielt wurde, sei ein eindeutiger Beweis für „einen eindeutigen geostrategischen Vorteil“ Pekings. Die EU habe noch vor dem Amtsantritt Joe Bidens eine Einigung mit China erzielen wollen.
Kritische Worte kommen auch von Herrn Bütikofer. Die EU schaffe Fakten, ohne sich mit der zukünftigen US-Regierung über eine gemeinsame China-Politik abgestimmt zu haben, zitiert die SZ den Vorsitzenden der China-Delegation des EU-Parlaments. Beim Thema Zwangsarbeit gebe sich die EU-Kommission lediglich mit einem „oberflächlichen Lippenbekenntnis“ zufrieden.
Da Peking eine „offenbar eine transatlantische Allianz gegen China“ fürchte, ist für die SZ „klar, dass der Abschluss ein Riesenerfolg“ für Xi Jinping sei.
Welt beruft sich auf mit den Verhandlungen vertraute Personen und berichtet von „begrenzten Zugeständnissen Pekings“. Eine weitgehende Öffnung des chinesischen Marktes und das gewünschte „level playing field“ seien ausgeblieben.
Die Taz kommentiert, die EU hätte „härtere Bedingungen“ stellen sollen. Die Einigung „spielt vor allem China in die Hände“.
Weitere Stimmen aus der deutschen Politik und Wirtschaft zum vermeintlichen „Durchbruch“ im Handelsblatt.
Mehr zu den Zugeständnissen Chinas und den ausgeklammerten Bereichen in Zeit.
Kein „Win-win“ in der Einigung sieht die zukünftige US-Regierung unter Joe Biden und zeigt sich laut New York Times weniger bis gar nicht „happy“. Dort wollte man einbezogen werden und hätte sich ein abgestimmtes transatlantisches Vorgehen gewünscht. Die Entscheidung der EU, die Einwände aus dem Biden-Lager zu ignorieren, wird als Zeichen dafür gesehen, dass die Beziehungen zwischen der EU und den USA mit Bidens Amtsantritt nicht gleich wieder von Harmonie geprägt sein werden.
Xi nennt drei Punkte zum CAI
Und Xi Jinping kommentiert die Einigung zum Investitionsabkommen laut Xinhua in drei Punkten:
- Es zeige Chinas Entschlossenheit und Zuversicht, die Öffnung nach außen auf hohem Niveau voranzutreiben.
- Es werde einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer offenen Weltwirtschaft mit den beiden großen Märkten China und Europa leisten.
- China und Europa werden 2021 eine neue Rolle einnehmen.
Die EU, China und das CAI im Jahr 2021
Wie diese „neue Rolle“ aussehen könnte wird 2021 schrittweise deutlich, zumindest auf Papier. Mitte Januar veröffentlichte die Europäische Kommission Teile des Vertragstextes zum Investitionsabkommen zwischen der EU und China. Diese werden seitdem in die Landessprachen der EU-Mitgliedsstaaten übersetzt und juristisch geprüft. Das EU-Parlament kündigte Widerstand gegen das Abkommen an.
Mitte März veröffentlichte die europäische Kommission weitere Einzelheiten des CAI: die Marktzugangsangebote des Investitionsabkommens zwischen der EU und China.
EU: EU – China Comprehensive Agreement on Investment (CAI)
Der Vertragstext der Europäischen Kommission zum Investitionsabkommen CAI.
EU: Commission publishes market access offers of the EU-China investment agreement
Anfang März veröffentlicht die europäische Kommission weitere Einzelheiten des CAI: die Marktzugangsangebote des Investitionsabkommens zwischen der EU und China.
EU: CAI-Faktenblatt
Mehr zum CAI / EU-China Investitionsabkommen
IM: Wins and Losses in the EU-China Investment Agreement
Analyse des „Institut Montaigne“, ein Pariser Think Tank, zum Investitionsabkommen zwischen der EU und China. „Insgesamt ist das EU-China CAI überverkauft und unterbewertet.“
HB: EU-China-Deal
Dem Handelsblatt liegt der Vertragstext und dessen Bewertung durch die EU-Kommission vor. „Gleichbehandlung werde nicht erreicht. Im Autosektor gilt eine hohe Investitionsschwelle.“
FAZ: Was steckt im EU-China-Deal?
Die Kritik am Abkommen ist laut, „sowohl von der Industrie als auch von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Grünen und Sozialdemokraten.“ Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist die Kritik „beider Lager ungerechtfertigt“.
EU-China Investitionsabkommen – Stand Juli 2021
Im Mai 2021 stimmte das EU-Parlament mit 599 Ja-Stimmen, 58 Enthaltungen und 30 Nein-Stimmen für das „einfrieren“ weiterer Gespräche zum EU-China Investitionsabkommen. Begründet wurde dies mit den Sanktionen Chinas gegen EU-Parlamentarier. Solange diese Bestand haben, könne es keine weiteren Verhandlungen geben.
Siehe auch Zeitstrahl 2021.
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