#113 China-Politik deutscher Parteien 2024: AfD

China policy AfD 2024
Quelle: https://de.statista.com/infografik/7930/sonntagsfrage-bundestagswahl/

Über sein Verhältnis zu China soll Deutschland eigenständig entscheiden und eine existenzielle Abhängigkeit von China ist zu vermeiden. Deutschland behält sich das Recht vor, seine Interessen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen auch unabhängig von der NATO und der EU aktiv zu vertreten und durchzusetzen

Aus einem internen Positionspapier der AfD zur China-Politik, 2022

2024 ist „Superwahljahr“, in der EU finden Anfang Juni Europawahlen statt. Was für ein Verhältnis zu China streben die deutschen Parteien an? Mit welcher Art von China-Politik soll dies erreicht werden?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, analysiert Sinoskop Parteipositionen zu China und die entsprechenden Parteiprogramme zur bevorstehenden Wahl des Europaparlaments.

Im Sinoskop: China-Politik der Parteien 2024 (in alphabetischer Reihenfolge).

China-Politik der AfD 2024

Auf der offiziellen Webseite der Partei „Alternative für Deutschland“ führt der Suchbegriff „China“ zu wenigen Ergebnissen. Die jüngsten Beiträge mit China-Bezug stammen aus dem Jahr 2022. Zwei Beispiele.

Herr Chrupalla warnt:

Wenn der Wirtschaftskrieg gegen Russland jetzt noch auf China ausgeweitet wird, schneiden wir uns von weiteren Ressourcen und Technologie ab. Deshalb müssen wir die Beziehungen zu China aufrechterhalten. Wir müssen uns alle Optionen offen halten.[1]

Frau Weidel kritisiert die „Selbstüberhöhung“ der deutschen Außenministerin und warnt ebenfalls:

Sich jetzt auch noch offen gegen China zu stellen, ist brandgefährlich.[2]

Aktueller wird die Suche auf der Webseite der AfD-Bundestagsfraktion. Dort stammen die aktuellsten Stellungnahmen vom Juli 2023. Nochmals zwei Beispiele.

Der außenpolitische Sprecher der Partei kritisiert die China-Strategie der Bundesregierung als „in mehrfacher Hinsicht besorgniserregend“:

Zuallererst verdient das Papier seinen Namen nicht: Es ist ein Versuch, grün-woke Ideologie und die geopolitischen Interessen der USA unter dem Deckmantel einer Strategie für deutsche Außenpolitik durchzusetzen.[3]

Nach der ersten Delegationsreise ihrer Partei in die Volksrepublik China im Juni 2023 zieht Frau Weidel ein positives Fazit:

Unsere chinesischen Gesprächspartner waren uns gegenüber sehr offen und interessiert und waren auch sehr gut über unsere Arbeit in Berlin informiert. [D]ie nächsten Schritte sind bereits in Planung. [4]

Laut Pressemitteilung sei es

beeindruckend, wie weit Digitalisierung und KI bereits in Shanghai und Peking im Alltag verankert sind.

Außerdem:

De-Risking und Entkoppelung sind keine europäischen oder gar deutschen geopolitischen Strategien. Für uns ist der Handel mit China zu wichtig, als dass wir uns in neue Auseinandersetzungen hineinziehen lassen dürfen. [5]

Positionspapier der AfD zur China-Politik

Das Medienportal Correctiv veröffentlichte Ende 2022 mehrere interne Papiere des Arbeitskreises Außenpolitik der AfD-Bundestagsfraktion. Eines davon bezieht sich auf China und trägt den Titel Für eine realpolitische, friedfertig und eigenständige deutsche Chinapolitik. Auf insgesamt sechs Seiten wird das Verhältnis der AfD zur Volksrepublik China formuliert.

(Anmerkung: das fehlende „e“ in „friedfertige“ sowie weitere Rechtschreibfehler werden wie im Positionspapier zitiert)

Die deutsch-chinesischen Beziehungen seien „gerade ein Beweis dafür, dass die internationale Arbeitsteilung Wohlstand bringt“. Beide Länder seien Gewinner der Globalisierung und gemeinsam mit China solle Deutschland „für eine friedliche und stabile internationale Kooperation“ eintreten.

Generell fordert die AfD eine „eigenständige und selbstbewusste Chinapolitik unabhängig von den Vorgaben der EU“.

Dabei werden wir die zwischen der EU und China unterzeichneten Rahmenverträge in den Bereichen Bildung, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie sowie Politik beachten. [6]

Interessant die Forderung der Partei zum EU-China-Investitionsabkommen, welches seit Mitte 2021 nicht weiter verhandelt worden ist.

Das im EU-Rahmen laufenden Ratifizierungsgespräche zum EU-China-Investitionsabkommen (CAI) müssen weiter vorangetrieben werden, um einen besseren Schutz für deutsche Investoren und einen fairen Marktzugang zu gewährleisten.[7]

Bei den Themen Wirtschaft und Handel wird für „Fairness“, für eine „offene und gleichberechtigte Kooperation mit China und für eine realistische Bewertung des Wirtschaftswachstums Chinas“ geworben. Denn während

die politisch Verantwortlichen und deren beratendes Umfeld sich mehr auf Konfrontation und Eskalation zwischen “autoritären Systemen” wie China und Russland und “westlichen liberalen Demokratien” konzentrieren, [8]

präsentiert die AfD sich als Vertreterin der Interessen des deutschen Mittelstands. Daher müsse

das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ ersatzlos gestrichen und die von der EU angestrebte Lieferkettenverordnung beendet werden. [9]

Das Papier erwähnt neben des „jahrzehntelangen beeindruckenden Aufschwungs“ auch einige „Risikofaktoren“, die „ernst genommen“ werden sollten:

Verschuldung der Lokalregierungen, die Immobilienblase, eine restriktive „Null-Covid-Politik, die die Wirtschaftsstabilität ernsthaft gefährden könnten, sowie eine anhaltend niedrige Geburtenrate. [10]

Thema auf Seite vier: Digitale Souveränität und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands erhöhen.

China schreitet mit großen Schritten in der Regulierung der Digitalisierung voran und hat bereits eine der fortschrittlichsten Internet-Infrastrukturen der Welt. [11]

Um Deutschlands „digitale Konkurrenzfähigkeit“ zu erhöhen, sollen „Kompetenzen“ besser gebündelt und „nationale Kooperationen mit China“ stärker gefördert werden.

„Nicht hinnehmbar“ sei jedoch eine „Gefährdung“ beim Aufbau des 5G-Netzes unter Beteiligung „von ausländischen Regierungen kontrollierte Unternehmen“. Was den Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei daher „notwendig“ mache.

AfD und China für eine friedliche multipolare Weltordnung

Was geopolitische Themen betrifft, stehe die AfD gemeinsam mit China „für eine stabile internationale Sicherheit und eine friedliche multipolare Weltordnung“. Letztere stärke die Autonomie Deutschlands.

Beim Thema Abrüstung und Rüstungskontrolle präsentiert die Bundestagsfraktion sich als Friedenspartei, die sich „nachdrücklich für die Stärkung und Erweiterung der Kontrollmechanismen in der nuklearen und konventionellen Rüstung“ einsetzt.

China hat diesen Plan auch als eines seiner internationalen Sicherheitsziele aufgeführt. Um „eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen“, sollen Atomwaffen vollständig verboten und schließlich zerstört werden, so sagte der chinesischen Präsident Xi, Jinping im Jahr 2017.[12]

Zur Lage im Indopazifik und den Spannungen in der Straße von Taiwan heißt es:

Chinas militärischer Einmarsch in Taiwan wird durch zunehmende Aktivität der Vereinigten Staaten vor Ort immer wahrscheinlicher. Deutschland muss einen völkerrechtswidrigen militärischen Einmarsch Chinas in Taiwan verurteilen, aber auch auf Wirtschaftssanktionen und Waffenlieferungen verzichten.[13]

Deutschlands Indopazifik-Strategie solle darauf abzielen, „mit anderen indopazifischen Ländern zusammenzuarbeiten, um Frieden, Stabilität und Wohlstand in der Region zu sichern“, müsse dabei aber auf „jegliche Form der Einmischung oder Beteiligung bei Auseinandersetzungen zwischen lokalen Staaten über Seegrenzen“ verzichten. Dies „würde den politischen und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands unmittelbar schaden“.

Abschließend wolle man den Austausch in Kultur, Sprache fördern und China-Kompetenz hochschätzen. Deutschlands „auswärtige Kulturpolitik“ müsse verstärkt „zu anderen Völkern und Staaten Brücken bauen“ und „kulturelle und bürgergesellschaftliche Beziehungen mit China“ weiter vertieft werden.

Dazu gehört die Förderung des Verständnisses der Kultur der Partnerländer und das Bemühen um einen ernsthaften interkulturellen Austausch.[14]

#77 Einigung beim EU-China Investitionsabkommen

China in AfD-nahen Medien – die „Stimme des Widerstands“

Deutlicher, und deutlich einseitiger, werden Weltbild und Methoden der Rechten, blickt man auf das AfD-Sprachrohr „Compact Magazin“. Die selbsternannte „Stimme des Widerstands“ veröffentlichte im August 2023 einen Beitrag mit dem Titel: China pfeift auf Vorschriften zum „Klimaschutz“.[15]

Die Volksrepublik China würde das Pariser Klimaabkommen „aufgeben“, heißt es im ersten Absatz. Dies sei ein „Super-GAU für Klima-Ideologen“ und das „Gerede“ von der Klima-Vormacht China nur eine „weitere Lüge“ von vielen. Belegt werden die Aussagen mit Zitaten von Diana Furchtgott-Roth.

Wer Frau Furchtgott-Roth aber ist und woher die Zitate stammen, muss man allerdings selbst herausfinden, da der Beitrag hierzu keinerlei Informationen bietet.

Es handelt sich um ein Mitglied der Heritage Foundation, einer erzkonservativen amerikanischen Denkfabrik mit radikal-neoliberalen Ansichten. Ganz oben auf der Agenda der Heritage Foundation steht die Unterstützung einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps und die Erfüllung von dessen „Vision“:

Mit einem fast 1.000-seitigen „Projekt 2025“-Handbuch und einer „Armee“ von Amerikanern soll vom ersten Tag an die zivilgesellschaftliche Infrastruktur geschaffen werden, um die von den Republikanern als „Deep State“ verspottete Bürokratie zu entmachten, umzugestalten und zu beseitigen. [16]

Zurück zum Beitrag, in dem behauptet wird, dass „der größte Umweltverschmutzer der Welt das Pariser Abkommen aufgegeben“ habe. Xi Jinpings Erklärung, „nationale Emissionsreduktionsziele festzulegen, ohne auf externe Faktoren Rücksicht zu nehmen“, sei eine „bewusste Ohrfeige für die USA“.

Hier dient eine Aussage aus der Grundsatzrede Xi Jinpings auf der nationalen Konferenz zum Umweltschutz im Juli 2023 zu Chinas nationalen Emissionsreduktionszielen als Grundlage, um eine rechte politische Agenda zu propagieren.

Sämtliche Maßnahmen der USA und „anderer westlicher Länder“ im Kampf gegen den Klimawandel seien damit allesamt „sinnlose Bemühungen“, „Panikmache“ und „lähmend“ für die Wirtschaft.

China hingegen gehe „munter weiter seinen eigenen Weg“ und „demonstriert der Welt, dass das Pariser Abkommen und die gesamte globale Klimaschutzinitiative eine Übung in Vergeblichkeit ist“.

Zur Einordnung dieser Behauptungen ein kurzer Auszug aus der offiziellen Sunnylands Erklärung zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Klimakrise vom 14. November 2023:

Die Vereinigten Staaten und China erkennen an, dass die Klimakrise zunehmend Länder auf der ganzen Welt betrifft. Alarmiert durch die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse, einschließlich des Sechsten Sachstandsberichts des IPCC, setzen sich die Vereinigten Staaten und China weiterhin für die wirksame Umsetzung des UNFCCC und des Pariser Abkommens ein, […] um das Ziel des Pariser Abkommens gemäß dessen Artikel 2 zu erreichen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und die Bemühungen zur Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius fortzusetzen […]. [17]

#75 UN-Klimagipfel „Climate Ambition Summit 2020“ & China

Einflussnahme durch China – „Chinagate“ und die AfD

Im Dezember vergangenen Jahres publizierten Der Spiegel, Le Monde und Financial Times gemeinsame Recherchen zu den jahrelangen Verbindungen eines Agenten des chinesischen Ministeriums für Staatssicherheit (MSS) und einem für „bezahlte Missionen“ offenen europäischen Rechtspopulisten.

Die von letzteren kategorisch als „Fake News“ oder „Lügenpresse“ verrufenen Medien werteten einen Datensatz aus Chatnachrichten zwischen einem MSS-Agenten (Deckname „Daniel Woo“) und Frank Creyelman, einem belgischen Mitglied der rechten Partei „Vlaams Belang“, aus.

Die Chats wurden laut Spiegel von einer westlichen Sicherheitsbehörde gesammelt und im Rechercheverbund ausgewertet. Die Tätigkeit des Herrn Woo und dessen Arbeitgeber konnten „unabhängig durch mehrere Quellen“ verifiziert werden, „ebenso seine Kontakte ins Umfeld der AfD im Bundestag“.[18] In Folge der Enthüllungen folgten zuerst der Parteiausschluss Herrn Creyelmans, dann Ermittlungen der belgischen Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts auf Spionage.

Die in mehreren Artikeln auszugsweise veröffentlichten Inhalte der Chats aus den Jahren 2019 bis Ende 2022 offenbaren einen regen und intensiven Austausch, inklusive persönlicher Treffen der beiden auf der chinesischen Tropeninsel Hainan.

Zu den Gesprächsthemen zählten die Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs zugunsten der Volksrepublik, die Rekrutierung neuer Quellen, die Diskreditierung regimekritischer Stimmen sowie die Diskreditierung der USA.

In den Chats ist außerdem die Rede von „unseren Abgeordneten“, sowohl im EU-Parlament als auch im Bundestag, die „Pro China“ seien. Auch die AfD war regelmäßig Gesprächsthema, was dem Spiegel zufolge „auch in Bezug auf Deutschland einen ungeheuren Verdacht“ aufwerfe:

Demnach scheint China in der Lage, deutsche Abgeordnete zu Anfragen im Deutschen Bundestag anzuleiten. [19]

Konkret gehe es „mindestens“ um eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag zum Thema Hongkong aus dem Jahr 2021. Der „Chinagate“-Berichterstattung zufolge soll Geheimagent Woo die treibende Kraft hinter der Anfrage gewesen sein und „prahlte“ in den Chatnachrichten „geradezu damit“, so Druck auf die Bundesregierung ausgeübt zu haben. Während man sich in westlichen Sicherheitskreisen dessen auch „sicher“ sei, bestreitet der Initiator der Kleinen Anfrage, der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter, den Vorwurf.

#67 Spionage, Netzwerke und Formen der Einflussnahme durch China in Deutschland (I)

Acht Fragen der AfD an die Bundesregierung zum Thema Hongkong

Titel des Kleinen Anfrage vom Mai 2021: Deutsche Flüchtlingspolitik gegenüber der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und Gewährung des Asylstatus

Inhaltlich ist in der Kleinen Anfrage von einer „sogenannten Demokratiebewegung“ und von „Aktivisten“ die Rede, die „mindestens in einem Fall ausdrücklich Gewalt in der politischen Auseinandersetzung befürworten“. Insgesamt stellt die AfD in diesem Zusammenhang acht Fragen. Ein Beispiel:

1) Wie vielen Flüchtlingen aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong wurde seit den sogenannten Mong-Kok-Protesten im Februar 2016 in Deutschland Asyl gewährt (bitte jeweils pro Jahr aufstellen)?[20]

Die acht Fragen lassen den Eindruck entstehen, als drohte 2021 eine Flüchtlingswelle von asylsuchenden, gewaltbereiten und organisierten Aktivisten aus Hongkong. Zudem würden diese weiteren gewaltbereiten Gruppen in anderen Ländern der Welt als Vorbild zur Einreise nach Deutschland dienen, während eine ahnungs- und tatenlose Bundesregierung nicht nur gewähren ließe, sondern aktiv fördere.

Ein Blick auf die „Asylgeschäftstatistik“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigt eine andere Realität.

Im gesamten Jahr 2021 wurden insgesamt 3 (in Worten: drei) Asylanträge aus Hongkong gestellt (aus Festlandchina waren es 228).[21] In der aktuellsten Statistik vom Dezember 2023 werden unter Hongkong insgesamt 4 Asylanträge gelistet; allesamt „anhängige Verfahren aus Erstanträgen“.

#81 Wahlreform: „Patrioten regieren Hongkong“ 爱国者治港

China-Politik der AfD – eine Zwischenanalyse

Ob in den kurzen Zitaten der Parteiführung, den schriftlichen Dokumenten, oder in den AfD-nahen Medien. Überall sind die Hauptzutaten des politischen Rezepts enthalten, mit denen die AfD Stimmung macht und wie viele andere Populisten auch erfolgreich auf Stimmenfang geht:

  • Abneigung gegen und laute Kritik an den USA bzw. der US-Regierung, an der deutschen Bundesregierung, und an einer „grün-woken Ideologie“
  • Sympathie für und keine oder kaum Kritik an Russland und der Volksrepublik China

Der Beitrag „China pfeift auf Klimaschutz“ folgt einem weiteren bekannten Muster, dem Verbreiten von „alternativen Fakten“. Man nehme ein Fünkchen Wahrheit als Ausgangslage – einen Satz, Halbsatz oder den Teil einer Aussage – und entnimmt dieses dem eigentlichen Kontext, reißt es aus dem Zusammenhang. Dann bastelt man das eigene Narrativ darum herum, garniert es gerne mit den „richtigen“ Expertenmeinungen für mehr Glaubwürdigkeit, und präsentiert es letztlich als Fakt, als Wahrheit.

Die Kleine Anfrage zur Flüchtlingspolitik gegenüber der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und Gewährung des Asylstatus
wirft mehrere Fragen zur Motivation und den Hintergründen auf. Mindestens fragwürdig in diesem Zusammenhang ist das Selbstverständnis der politischen Arbeit der Partei als Vertreterin der Interessen der Bevölkerung im Parlament.

Eine mögliche Einflussnahme durch China, wie es das sogenannte „Chinagate“ nahelegt, käme dem Landesverrat gleich, entbehrt jedoch handfester Beweise und bleibt daher Spekulation.

China-freundliche Positionen der AfD

Handfest hingegen ist das Positionspapier des Arbeitskreises Außenpolitik der AfD-Bundestagsfraktion. Für eine realpolitische, friedfertig und eigenständige deutsche Chinapolitik ist äußerst China-freundlich und ganz im Sinne des von der chinesischen Regierung propagierten Geistes der „Win-Win-Situationen“ formuliert.

„Fair, offen, gleichberechtigt“ und vor allem „realistisch“ müssten die Beziehungen zu China sein. Das Papier ist voller Schlüsselwörter, die bestens mit der Propaganda der Kommunistischen Partei harmonieren.

Der rhetorische Schulterschluss der AfD mit der chinesischen Regierung beim Thema Abrüstung, inklusive eines Zitats von „Xi, Jinping“, sowie die vermeintlichen Gemeinsamkeiten bei den Themen internationale Sicherheit und einer „multipolaren Weltordnung“ sind aus Sicht der KpCh ein willkommenes Geschenk.

Kritische Töne gibt es von der AfD wie gewohnt vor allem an den „politisch Verantwortlichen“ und deren „beratendem Umfeld“, also an der Bundesregierung sowie an der EU insgesamt. Mit der Forderung zur Ratifizierung des CAI steht die AfD ziemlich allein auf weiter Flur.

Auch hier darf Kritik an den USA nicht fehlen, die z.B. als alleiniger Aggressor in der Taiwan-Frage und im Indopazifik genannt werden.

Was China betrifft, so sieht die AfD höchstens „Risikofaktoren“, die man beobachten müsse. Einzige Ausnahme ist die Forderung eines Huawei-Ausschlusses beim Aufbau des 5G-Netzes, was in Einklang mit den nationalistischen Interessen und Forderungen nach Souveränität gerecht wird. Vielleicht auch ein strategisch notwendiger Schritt, um nicht mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, ausschließlich pro-chinesische Positionen zu vertreten.

Das „Verständnis der Kultur der Partnerländer“ ist ein weiteres Beispiel für die erstaunlichen Ähnlichkeiten in der Sprache der AfD und jener der KPCh.

Das Muster ist ein bekanntes. Im Falle von Kritik an der chinesischen Regierungspolitik beruft sich die chinesische Seite auf genau jenes vermeintlich fehlende Verständnis für die „einzigartige“ chinesische Kultur. Zuerst das eigene (fehlende) Verständnis für China fördern, nur dann könne man es „richtig verstehen“ und es gebe keine Missverständnisse mehr.

China richtig verstehen mit Botschafter Wu

Bestes Beispiel hierfür ist ein Interview des chinesischen Botschafters in Deutschland, Wu Ken, mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua vom Oktober 2021 über die ehemalige Bundeskanzlerin:

Der wichtigste Eindruck, den Bundeskanzlerin Merkel bei mir hinterlassen hat, ist, dass sie bereit ist, China mit einem offenen Geist kennenzulernen und zu verstehen”, sagte Wu. “Am Anfang fehlte ihr das Verständnis für China. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Politikern hielt sie nicht an politischen Vorurteilen fest”, fügte er hinzu.

Je tiefer Merkel China versteht, desto objektiver und umfassender werden ihre Ansichten über China, und ihre Chinapolitik ist rationaler und pragmatischer geworden, sagte der Botschafter. [22]

Viele Positionen der AfD zu China und der Rolle Deutschlands in der Welt finden sich im Parteiprogramm zur Europawahl 2024 wieder. Die Handschrift des diesjährigen Spitzenkandidaten der AfD zur Europawahl, Maximilian Krah, scheint deutlich. Mehr dazu im zweiten Teil zur China-Politik der AfD:

#114 Europawahl 2024 und die China-Politik der AfD

Weitere Beiträge zum Thema China-Politik der AfD

#80 Deutsche Parteien & China 2021: Politik, Aktionen, Positionen (I) – AfD

#66 China-Politik in Deutschland: Partei-Positionen im Jahr 2020

Frühere Beiträge zu den China-Positionen deutscher Parteien

 


Quellen:

[1] Tino Chrupalla: Wirtschaftskrieg nicht auf China ausweiten, https://www.afd.de/tino-chrupalla-wirtschaftskrieg-nicht-auf-china-ausweiten/.

[2] Alice Weidel: Baerbocks Selbstüberhöhung gegenüber China ist brandgefährlich, https://www.afd.de/alice-weidel-baerbocks-selbstueberhoehung-gegenueber-china-ist-brandgefaehrlich/.

[4] Erste Delegationsreise der AfD-Fraktion in die Volksrepublik China, https://afdbundestag.de/erste-delegationsreise-der-afd-fraktion-in-die-volksrepublik-china/.

[5] ibid.

[6] Die AfD und die „Anbiederung an menschenverachtende Regime“, S.2, https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2022/11/23/die-afd-und-die-anbiederung-an-regime-wie-china-russland-und-iran/.

[7] ibid., 2.

[8] Die AfD und die „Anbiederung an menschenverachtende Regime“, S.3, https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2022/11/23/die-afd-und-die-anbiederung-an-regime-wie-china-russland-und-iran/.

[9] ibid., 3.

[10] ibid., 4.

[11] ibid., 4.

[12] ibid., 5

[13] ibid., 5

[14] ibid., 6.

[15] China pfeift auf Vorschriften zum „Klimaschutz“, https://www.compact-online.de/china-pfeift-auf-vorschriften-zum-klimaschutz/.

[16] Conservative groups draw up plan to dismantle the US government and replace it with Trump’s vision, https://apnews.com/article/election-2024-conservatives-trump-heritage-857eb794e505f1c6710eb03fd5b58981

[17] Sunnylands Statement on Enhancing Cooperation to Address the Climate Crisis, https://www.state.gov/sunnylands-statement-on-enhancing-cooperation-to-address-the-climate-crisis/

[18] Chinas Stasi, ein belgischer Handlanger und Spuren zur AfD, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wie-chinas-stasi-einen-belgischen-politiker-anwarb-und-spuren-zur-afd-a-3ce67a4d-bbaa-4d39-baf3-7e2bb5b51b74

[19] Belgische Staatsanwaltschaft leitet wegen Enthüllungen des SPIEGEL Ermittlungen ein, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/chinagate-staatsanwaltschaft-in-belgien-leitet-wegen-enthuellungen-des-spiegel-ermittlungen-ein-a-4896b3b9-109f-4cfb-ba13-ecede7e26a1e

[20] Deutsche Flüchtlingspolitik gegenüber der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und Gewährung des Asylstatus, https://dserver.bundestag.de/btd/19/297/1929740.pdf.

[21] Asylgeschäftsstatistik 2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/Asylgeschaeftsstatistik/hkl-antrags-entscheidungs-bestandsstatistikl-kumuliert-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=26.

[22] Botschafter WU Ken im Interview mit der Nachrichtenagentur Xinhua, http://de.china-embassy.gov.cn/det/dszl/dsjscf/202110/t20211002_9572164.htm.


 

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