#114 Europawahl 2024 und die China-Politik der AfD

Europawahl 2024, AfD, Krah und China-Politik
Europäisches Parlament 2019-2024, Fraktionen. Quelle: Europäisches Parlament

Der Westen befindet sich in einem schrecklichen Stadium der Degeneration. China befand sich vor der Gründung der Volksrepublik China in diesem Stadium; wollen Sie dorthin zurückkehren? Es ist (jetzt) wichtiger, die aktuelle westliche Doktrin der Menschenrechte in Frage zu stellen.

西方正处于可怕的堕落阶段。在中华人民共和国成立之前,中国就曾处于这个阶段,你们想重回这个阶段吗?(现在)更重要的是,要挑战目前西方的人权理论。

Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, 28.01.2022. [1]

China-Politik der AfD 2024 (II)

Diese Fortsetzung zur China-Politik der AfD analysiert das Wahlprogramm der Partei zur Europawahl 2024 und die Positionen des Spitzenkandidaten Krah. Für ein besseres Verständnis sollen diese Anhand von Originalquellen und Zitaten unverfälscht wiedergegeben werden.

Die politischen Forderungen und das Weltbild der AfD unterscheiden sich stark von denen der meisten anderen Parteien. Eine Regierungsverantwortung der Rechtspopulisten brächte dementsprechend radikale Konsequenzen mit sich. Auch, was die grundlegenden Beziehungen Deutschlands, und Deutschlands als Teil der EU, zur Volksrepublik China betrifft.

Eine erweiterte Analyse jener Punkte im Wahlprogramm mit Auswirkungen auf das Verhältnis zu China ist daher sinnvoll und notwendig.

Programm der AfD zur Europawahl

„Europa neu denken“ lautet das Wahlprogramm der AfD, dessen Inhalte in einem 27-seitigen PDF ausgeführt werden. Gleich in der Präambel geht es um einen der Kerninhalt der Partei, um eine „Tatsache“:

Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt. [2]

Der Grund ist aus AfD-Sicht einfach: das „vollständige Versagen der EU in allen Bereichen“. Die AfD tritt zur Wahl des Europarlaments an mit dem Ziel, genau diese „undemokratisch gewählte“ Institution und sämtliche weiteren Institutionen des „Fehlkonstrukts“ Europäische Union abzuschaffen.

Dazu gehört auch die Gemeinschaftswährung. Der Euro sei nur „eine politische Wunschvorstellung,“ mit „ökonomischen Gesetzen nicht in Einklang zu bringen“ und verantwortlich für „hohe Inflation“.

Was ist die Alternative der Alternative für Deutschland für Europa?

Ersetzen möchte die AfD dieses „undemokratische und unreformierbare Konstrukt“ durch ein „Europa der Nationen“. In diesem „Bund Europäischer Nationen“ sollen Mitglieder je nach nationaler Interessenlage „autonom und flexibel funktionale bi- oder multilaterale Verträge“ je nach ihren Bedürfnissen schließen können.

Zur Verwirklichung dieses großen „Zukunktsprojekts“ verfolgt die Partei „im existierenden EU-Parlament“ eine Strategie, die an die Legende vom trojanischen Pferd erinnert:

Ein vorrangiges Ziel der AfD besteht […] darin, in der bevorstehenden Wahlperiode Parteien aus allen Ländern für das Zukunftsprojekt einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft zu gewinnen. [3]

Wahlprogramm der AfD – viel „gegen“ und „statt“, wenig „für“

Schlüsselwort-Spitzenreiter des Wahlprogramms sind die Begriffe Sicherheit (46x) und Freiheit (42x). Beides sieht die AfD offensichtlich massiv bedroht und bedient sich klassischer Feindbilder, um die Verursacher auszumachen.

Von innen sind es wie bereits erwähnt die EU und sogenannte „grün-woke“ Ideologien. Von außen ist es vor allem die Migration, ob legal oder illegal. Der Begriff Migration wird 34x erwähnt. Für die AfD eine „Schicksalsfrage“.

Der vermeintliche Verlust der „nationalen Souveränität“ in allen Bereichen zieht sich wie ein roter Faden durch das Wahlprogramm und steht im Mittelpunkt der Politik dieser Partei. Um diese wiederherzustellen, und um den zahlreichen Gefahren und Bedrohungen Herr zu werden, propagiert die Partei „Remigration“ und eine „Festung Europa“.

Mit dem wirksamen Schutz seiner Außengrenzen findet die Konstituierung und Abgrenzung des europäischen Pols in der multipolaren Weltordnung einen sichtbaren und spürbaren Ausdruck. [4]

Einerseits setzt die AfD auf Abschottung. Bei den Themen Wirtschaft und Handel bekennt die Partei sich „ausdrücklich zum Freihandel“ und zu „Technologieoffenheit“. Außerdem eine Reform der Welthandelsorganisation und eine verstärkte Zusammenarbeit mit BRICS, ASEAN, Mercosur. Unternehmertum und Investitionen sollen der freie Markt regeln. Abgelehnt werden

Planwirtschaftliche Markteingriffe mit Subventionen nach Maßgabe einer „sozialökologischen Transformation“ und das Verbot erfolgreicher Industriezweige. [5]

Außen- und Sicherheitspolitik der AfD – „strategische Autonomie“

Eine weitere Gefahr von außen sieht die AfD durch die „Dominanz außereuropäischer Großmächte in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik“.

Die Staaten Europas werden so in Konflikte hineingezogen, die nicht die ihren sind und ihren natürlichen Interessen – fruchtbaren Handelsbeziehungen im europäisch-asiatischen Raum – diametral entgegenstehen. [6]

Ohne die dominante Großmacht beim Namen zu nennen, ist offensichtlich, dass es sich hier weder um Russland noch um China handelt.

Im „Umbruch zu einer multipolaren Ordnung“ ist „strategische Autonomie“ ein erklärtes außen- und sicherheitspolitisches Ziel. Dazu zählt auch militärische Autonomie.

Allerdings ohne eine gemeinsame europäische Armee, sondern durch die „Bündelung der militärischen Fähigkeiten“ einzelner Staaten in einem „eigenen System kollektiver Sicherheit“. Eine „starke eigene Streitkraft“ soll die amerikanischen Streitkräfte „mittelfristig auf deutschem Boden“ ersetzen.

Apropos Streitkräfte. Einerseits präsentiert die AfD sich gerne als Partei des Friedens und der nuklearen Abrüstung und findet,

Waffenlieferungen in Kriegsgebiete dienen nicht dem Frieden in Europa. [7]

Andererseits werden die Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie der „Erhalt und Ausbau der deutschen und europäischen wehrtechnischen Industrie“ gefordert.

Bei Schlüsselfähigkeiten muss Deutschland die Systemführerschaft anstreben. [8]

Die AfD und der „Schwenk nach Osten“

Eine Neuausrichtung deutscher Außenpolitik ist Teil der „strategischen Autonomie“. Das außenpolitische Konzept der Partei nimmt etwa eine PDF-Seite des Wahlprogramms ein.

Für eine europäische Friedensordnung müssten die „legitimen Sicherheitsinteressen aller europäischen Staaten“ berücksichtigt werden. Grundsätzlich gelte:

Wir setzen uns für die Achtung des Völkerrechts und dabei insbesondere für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein. Gleichzeitig fordern wir die Einhaltung des Nichteinmischungsgrundsatzes in innere Angelegenheiten von Staaten durch andere Mächte und nichtstaatliche Akteure. [9]

Eine gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik und einen Europäischen Auswärtiger Dienst lehnt die Partei ab. Stattdessen eine weitere „Bündelung gemeinsamer europäischer Interessen“ durch

ein flexibles Netzwerk, an dem jeder europäische Staat nach seiner jeweiligen Interessenlage und nach seinen Möglichkeiten teilnehmen kann. [10]

„Gute Beziehungen“ zu den USA seien wesentlich, jedoch wird eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ eingefordert. Deren „massiver Versuch, die Inbetriebnahme der Nord-Stream-Ferngasleitung zu verhindern,“ sei ein Beleg für zunehmend unterschiedliche „geopolitische und ökonomische Interessen“. Die US-Außen- und Sicherheitspolitik „zwingt“ Deutschland dazu, eigene Interessen zu formulieren. Nochmals wird betont,

Deutschland darf sich nicht durch weichenstellende Entscheidungen der USA gegenüber anderen Mächten in Konflikte hineinziehen lassen. [11]

Kritische Töne gegenüber Russland finden sich hingegen keine. Scheinbar sieht man die Beziehungen hier entweder bereits „auf Augenhöhe“, oder hält eine derartige Forderung im Falle Russlands für unnötig. Die AfD vertritt in ihrem Programm Russland-freundliche Positionen. Beispiele hierfür sind die Forderungen, dass sämtliche Sanktionen aufgehoben, der „ungestörte Handel wiederhergestellt“ und die Nord-Stream-Leitungen reaktiviert werden sollen. Darüber hinaus wird der Ausbau der „Beziehungen Deutschlands zur Eurasischen Wirtschaftsunion“ angestrebt.

Kommen wir zum Verhältnis der AfD zu China, welches sich an den „realpolitischen Interessen Deutschlands“ orientieren solle.

Patentschutz, die Intensivierung der Beteiligung an chinesischen Unternehmen, die Wahrung von Unternehmensgeheimnissen und der bilaterale freie Handel [12]

werden hier als zentrale Interessen aufgeführt. Die AfD ist gegen „etwaige Sanktionen gegen China“. Stattdessen setzt sie sich für eine „offensive Beteiligung“ am „Jahrhundertvorhaben“ Neue Seidenstraße ein und empfiehlt, dass Deutschland diese „durch eine Initiative von West nach Ost ergänzt“. Ein Beobachterstatus in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit scheint ebenfalls erstrebenswert,

um der Bedeutung dieses Marktes angemessen Rechnung tragen zu können. [13]

Was nicht im Wahlprogramm der AfD steht

Zum Abschluss noch ein Blick auf jene Herausforderungen unserer Zeit, die im Weltbild der AfD entweder keine, oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Aus dem Abschnitt „Klima, Energie und Digitalisierung“.

Die AfD setzt voll auf fossile Energieträger („waren und sind die Grundlage unseres Wohlstands“) ohne „ideologische Scheuklappen“:

  • Kernenergie („umweltfreundliche und preisgünstige Energieversorgung für die nächsten Jahrtausende“)
  • Schiefergasgewinnung bzw. „Fracking“ („bei Einhaltung gängiger Vorschriften kann Umweltverschmutzung ausgeschlossen werden“)
  • Braunkohle („dank ausgereifter Luftfilter sauber“)
  • „Günstiges Erdgas“ ( im „geostrategischem Interesse“ Deutschlands und Europas) [14]

Den menschengemachten Klimawandel gibt es bei der AfD nicht. Dieser „basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen“ und sei daher nur eine Behauptung.

Trotz des durch Medien und Politik verbreiteten Alarmismus zeigen sich in der Realität weder vermehrte Extremwetterereignisse noch ein beschleunigt ansteigender Meeresspiegel. Seitdem Menschen in Europa siedeln, haben sie sich immer an Klimaveränderungen angepasst. [15]

Klimawandel für die AfD Teil einer Verschwörungstheorie

Klimaziele und entsprechende Maßnahmen, wie der „Green Deal“ der EU zur Verringerung der CO²-Emissionen und die Förderung erneuerbarer Energien, seien die „Dystopie eines ökosozialistischen Brüsseler Haftungs- und Umverteilungsstaates“.

Die AfD lässt nicht zu, dass der Mensch anhand seines CO²-Abdrucks beurteilt wird. [16]

Die wahre politische Agenda dahinter ist für die AfD die Ideologie der „Großen Transformation“.

Beim Thema Digitalisierung stellt die Partei insgesamt zehn Forderungen. Diese richten sich im wesentlichen gegen eine vermeintlich von „Jahr zu Jahr“ zunehmende Einschränkung der „Freiheit der Bürger im Internet“ durch „politisch und ideologisch“ begründete „Eingriffe“. Zu den Forderungen zählen unter anderem:

  • Einstellung aller „Zensur-Aktivitäten“ und ein „Recht auf Verschlüsselung und Netzneutralität“
  • Abschaffung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), Verordnungen zum Leistungsschutzrecht und Upload-Filter
  • Recht auf „analoges Leben“ und Erhalt des Bargelds

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) findet insgesamt nur einmal Erwähnung. Allerdings in einem anderen Zusammenhang, nämlich beim Thema Zuwanderung „nach japanischem Vorbild“:

Auch technische Lösungen wie KI, Robotik und Digitalisierung, die menschliche Arbeit ersetzen können, […] haben Vorrang vor Zuwanderung. [17]

Zuletzt noch die Frage, wie es die Alternative für Deutschland mit der Rolle der Frau und deren Stellenwert in der Gesellschaft hält. Fünf Mal werden Frauen im Wahlprogramm erwähnt. Dreimal davon unter „Familienpolitik“ („klassisches Leitbild“; Vater und Mutter sorgen in „dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder“), zweimal im Zusammenhang mit Migration (Verbot von „Vielehen, Zwangsehen nach islamischen Recht“ und Verbot der „Vollverschleierung“). Außerdem:

  • Abtreibungen „müssen zur Ausnahme werden“; „Gender-Ideologie“ muss „gestoppt“, Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen „verboten“ werden, Kindergeld „nach Bedarf“ [24]

Herr Dr. Krah, AfD-Spitzenkandidat und AfD-China-Experte

Als Teil der Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ saßen bisher neun Abgeordnete der AfD im Europaparlament. Einer davon ist der Jurist Maximilian Krah, diesjähriger Spitzenkandidat der AfD für die bevorstehende Europawahl und „China-Experte“ seiner Partei.

Im Rahmen der sogenannten „Chinagate“-Enthüllungen berichtete Der Spiegel ausgiebig über den „KP-Fanboy“ (Der Spiegel), dessen China-freundliche Positionen und vermeintliche Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas.

Interessant ist beispielsweise ein Schreiben Krahs aus dem Jahr 2019 an die AfD-Bundestagsfraktion. Kurz nach der Rückkehr von einer Reise in die Volksrepublik habe er sich darin für die Beteiligung Huaweis beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes ausgesprochen. Und forderte, die „dezidiert antichinesische Positionierung der Fraktion zeitnah zu relativieren“. [18]

Bis heute konnte er sich mit dieser Forderung offenbar nicht durchsetzen. Ein Ausschluss Huaweis sei laut einem internen Positionspapier zur Chinapolitik von 2022 „notwendig“. Auch im Wahlprogramm wird die Abhängigkeit von „externer Hard- und Software“ als Sicherheitsrisiko in der IT-Infrastruktur erwähnt.

Die China-freundliche Haltung Herrn Krahs belegen zahlreiche, teils extreme, Äußerungen.

Im Gespräch mit dem rechtsnationalen „Deutschen Nachrichtenmagazin“ Zuerst! brachte Herr Krah 2020 seine Begeisterung für die Volksrepublik China zum Ausdruck.

Vom Kommunismus in China übrig geblieben sei „eigentlich nur noch der Name der regierenden Kaderorganisation“, findet Krah, und „vielleicht noch etwas politische Folklore“. Vielmehr sei es ein „meritokratisches System“, in dem Führungspersonal aufgrund von „intellektuellen Fähigkeiten selektiert“ würde.

Ebenfalls positiv bewertet Krah Chinas Engagement in Afrika und das Seidenstraßenprojekt. Chinas Interessen seien „rein ökonomisch“ und „rational“. Unter westeuropäischen Politikern herrschten hingegen „erhebliche Defizite, was eine geopolitische Betrachtungsweise“ angehe. Für Herrn Krah ist der „Way of Life“ des Silicon Valley nicht „der einzige Weg nach vorn“. China könne dazu „inspirieren, unsere eigene kulturelle Herkunft wiederzuentdecken“.

Herr Krah im Gespräch mit den chinesischen Medien

Dieser Beitrag beginnt mit einem Zitat Krahs aus einem Gespräch mit der chinesischen Nachrichtenseite 观察者(guancha/Observer) vom Januar 2022: „Der Westen befindet sich in einem schrecklichen Zustand der Degeneration“.

Die Titel des gesamten Gesprächs: „Westliche Menschenrechtstheorien sind aus dem Ruder gelaufen, China muss sie herausfordern und darf keine Kompromisse eingehen“ (西方的人权理论已走火入魔,中国要挑战,不要妥协)

Der thematische Rahmen der Unterhaltung wird in der Einleitung von den chinesischen Fragestellern festgelegt.

Einige Gruppen in Europa hätten zuletzt „unter dem Banner der sogenannten Menschenrechte“ Anschuldigungen erhoben und China „verleumdet“. Darüber hinaus wurde das Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China mit großer Mehrheit eingefroren, und die Olympischen Winterspiele von einigen Ländern „böswillig behindert oder boykottiert“.

Von ihm wolle man wissen, warum also die europäische China-Politik „eher konfrontativ als kooperativ“ sei, und wie China mit den „Angriffen“ beim Thema Menschenrechte umgehen sollte?

Man wisse ja, Herr Krah und die AfD würden die erfolgreiche Entwicklung Chinas in den letzten Jahrzehnten „anerkennen“ und sich „für eine aktive Entwicklung“ der deutsch-chinesischen und europäisch-chinesischen Beziehungen einsetzen. Wie weit sei diese Einstellung im Europaparlament verbreitet?

Generell, erklärt Krah, gelte der „Trend“: je „weiß-linker” („woke“) und je liberaler Parteien seien, desto chinafeindlicher („越白左越反花“) und „hirnloser“ deren „Anbetung“ der USA,.

Randnotiz: 白左/baizuo ist ein abwertender Begriff für „naive weiße“ Europäer oder Amerikaner, der übersetzt wörtlich „white left“, „woke“ oder „Gutmensch“ bedeutet. [19]

Krah empfiehlt: Mehr chinesische Soft Power, weniger Hollywood und Netflix

Vor diesem Hintergrund sieht Krah eine „erfolgreiche Lobbyarbeit“ als Grund für das Einfrieren des Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China. Als weiteren Grund führt er ein „mangelndes Verständnis“ der meisten Politiker über China an, wohingegen jenes über Amerika dank „Hollywood und Netflix“ sehr groß sei. Herrn Krahs Empfehlung: „mehr chinesische Soft Power“.

Jetzt sind es die liberalen Medien und Hollywood, die eine “Kulturrevolution” ausgelöst haben, nicht die Kommunistische Partei Chinas. [20]

Randnotiz: Auch der in Europa lebende chinesische Künstler und Aktivist Ai Weiwei kritisiert seit längerem eine Zunahme von „Zensur“, den Verlust der Meinungsfreiheit, und vergleicht dies ebenfalls mit einer „Kulturrevolution“. [21]

Stichwort „Strategische Autonomie“. Für die Bundesregierung sei dies nur „Gerede“, solange jemand wie Donald Trump (kein “weiß-linker“ Präsident) im Amt war. Mit Präsident Joe Biden seien die meisten „liberalen“ in Deutschland wieder glücklich, an der Seite der USA zu stehen.

Westliche Menschenrechte für Krah „Wahnsinn“

Zuletzt noch ein Blick auf die Aussagen Krahs zum Thema Menschenrechte. Westliche Menschenrechtspolitik habe nichts mit Menschenrechtspolitik zu tun, sondern ein politisches Mittel, eine „Waffe“, um die chinesische Regierung zu diskreditieren.

Westliche Menschenrechte seien nicht „universell“, sondern voller „Doppelmoral“ und schlichtweg „verrückt“, findet der Jurist. Die „wahre Flagge“ der USA und des Westens sei die Regenbogenflagge.

Gegenwärtige westliche Gesellschaftsmodelle, Lebensentwürfe und Ideen taugen Krah zufolge nicht als Vorbild für China. Stattdessen rät er,

sich der westlichen Sichtweise zu widersetzen und innerhalb des Westens Verbündete zu finden, die sich ebenfalls gegen die vorherrschende dekadente Sichtweise wenden.

Kommentar zum Wahlprogramm der AfD

Rhetorisch extrem, rau und aggressiv sind Sprache und Wortwahl der AfD. Sie arbeitet mit Extremen und mit starken Feindbildern – die EU, die Bundesregierung, die US-Regierung, das politische System des demokratischen Parlamentarismus selbst.

Zum Standardrepertoire gehören permanente Übertreibungen, das Wiederholen von Schreckens- und Bedrohungsszenarien, Desinformation und Verschwörungstheorien. So werden Tatsachen verzerrt und komplexe Zusammenhänge auf Schwarz-Weiß-Muster reduziert – auf ein Alles-Oder-Nichts, auf  „Wir gegen die Anderen“.

Als Freiheitskämperin inszeniert man sich hingegen selbst. Gegen „Ideologie“ und eine „undemokratische“ Politik die sich gegen „das Volk“ richten. Gegen einen „dystopischen Ökosozialismus“ und eine „Große Transformation“ der „Eliten“.

Dabei ist die AfD selbst durch und durch ideologisch. Manche Parteipositionen sind konservativ, im Kern jedoch sind viele Forderungen Ausdruck einer nationalistischen Ideologie mit völkischem Charakter.

Diese undemokratische Agenda wird im Wahlprogramm deutlich. Auf europäischer Ebene ist das erklärte Hauptziel die Auflösung der EU von innen heraus. Ersetzt werden soll sie durch die europaweit von Nationalisten, Rechtspopulisten und Rechtsradikalen propagierte Vision vom einem „Europa der Vaterländer“. Dazu gehört auch die Forderung eines „Dexit“ nach britischem Vorbild.

Mit ihrem Anti-Institutionalismus erinnert mich die Vorgehensweise der AfD auf seltsam-umgekehrte Weise an Rudi Dutschkes „langen Marsch durch die Institutionen“. Ein gutes halbes Jahrhundert nach der deutschen 68er-Bewegung ist es diesmal keine Bewegung von links, keine „Neue Linke“. Sondern eine aus entgegengesetzter Richtung von rechts kommende, eine der „Neuen Rechten“.

AfD und China – Der Feind meines Feindes ist mein Freund

Für die Regierenden in Peking sind die AfD und besonders Politiker wie Herr Krah in mehrfacher Hinsicht äußerst nützlich. Im Systemwettbewerb mit den USA liegt eine größere Distanz zwischen Europa und den Vereinigten Staaten im Interesse der KPCh. Gleiches gilt für ein Europa, das gegenüber der Volksrepublik China, wie in globalen und geopolitischen Fragen, nicht geeint mit einer Stimme spricht.

Nicht zuletzt ist das Verbreiten KP-freundlicher Narrative ein Mittel, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Unterstützung für chinesische Position zu erhalten. Kritische Themen dagegen sollen so aus dem Diskurs verschwinden.

Die Äußerungen Herrn Krahs sind hier ein Paradebeispiel. Ganz im Geiste der KPCh-Propaganda setzt er China mit der regierenden Kommunistischen Partei gleich. Kritik richtet sich dieser Logik somit immer gegen China als Ganzes, nicht gegen die Politik der Partei. Als Multiplikator übernimmt und verbreitet er Parteinarrative wie jenes vom „Wiedererstarken der chinesischen Nation“, einer erfolgreichen Minderheitenpolitik in Tibet, oder der Reduzierung der Demokratiebewegung in Hongkong auf „Gewalt und Plünderungen“.

Die geistige Nähe der AfD zu Rechtspopulisten wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten und autoritären Regimen ist offensichtlich. Sie sind meines Erachtens Ausdruck einer globalen Reaktionären Bewegung, die geeint ist durch die Abneigung gegenüber liberalen Gesellschaftsmodellen, Demokratie, westlichen Werten und individuellen Lebensmodellen.

Die Lebensrealität im Europa des 21. Jahrhunderts ist komplex und in vielerlei  herausfordernd. Das politische Angebot der AfD setzt als Lösungsansatz für die Herausforderungen unserer Zeit (digitale Revolution, Soziale Frage, Klimawandel) auf den Rückzug in den Nationalstaat und nationale Lösungen.

Die Wahlen des 10. Europaparlaments Anfang Juni werden zeigen, inwieweit die AfD und andere Parteien der Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ ihrem Ziel ein Stück näher kommen werden.

#113 Im Sinoskop: China-Politik der AfD 2024


Quellen:

[1] , 西方的人权理论已走火入魔,中国要挑战,不要妥协, https://www.guancha.cn/MaximilianKrah/2022_01_28_623929_s.shtml.
[2] Europawahlprogramm 2024 der AfD, S.5, https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/11/2023-11-16-_-AfD-Europawahlprogramm-2024-_-web.pdf.
[3] ibid., S.6.
[4] ibid., S.9.
[5] ibid., S.13.
[6], [7] ibid., S.5.
[8] ibid., S.16.
[9 -12] ibid., S.15.
[13] ibid., S.16.
[14] ibid., S.21.
[15] ibid., S. 20.
[16] ibid., S. 21.
[17] ibid., S. 10.
[18] ibid., S. 24.
[19] Chinas Stasi, ein belgischer Handlanger und Spuren zur AfD, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wie-chinas-stasi-einen-belgischen-politiker-anwarb-und-spuren-zur-afd-a-3ce67a4d-bbaa-4d39-baf3-7e2bb5b51b74.
[20] Chinesen verspotten Merkel als naiven weißen Gutmenschen, https://www.welt.de/politik/ausland/article170917663/Chinesen-verspotten-Merkel-als-naiven-weissen-Gutmenschen.html.
[21] Ai Weiwei Says Censorship in the West Is ‘Sometimes Even Worse’ Than in Mao’s China, https://www.artnews.com/art-news/news/ai-weiwei-censorship-west-china-israel-hamas-war-gaza-1234695044/.
[22] 西方的人权理论已走火入魔,中国要挑战,不要妥协, https://www.guancha.cn/MaximilianKrah/2022_01_28_623929_s.shtml.

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