#7 Die „China-Droge” – Scholz’ Sternstunden in Peking

Heute beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos, wo es in den nächsten Tagen um den aktuellen Zustand der Weltwirtschaft und mögliche Aussichten gehen wird. China wird sicherlich auch in den Schweizer Bergen ein zentrales Thema sein. Mehr dazu bald. Hier folgt zuerst ein selektiver Rückblick auf das, was letzte Woche wichtig war. Viel Vergnügen.

 „China-Droge”: Deutsche Unternehmen zeigen erste Entzugserscheinungen

Einen Überblick zu den Verflechtungen deutscher Unternehmen im Reich der Mitte veröffentlichte das Handelsblatt zum vergangenen Wochenende. Der Leitartikel führt facettenreich vor Augen, wie stark die Abhängigkeit der deutschen Industrie vom chinesischen Wachstumsmarkt im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte geworden ist. Der Fokus liegt oftmals schon längst stärker auf Fernost als auf dem heimischen europäischen Markt, wie Verkaufszahlen und Investitionen im Reich der Mitte belegen.

Die „China-Droge” der Deutschland AG wird mit wirtschaftlichen Eckdaten veranschaulicht und so lassen die vergangenen Jahrzehnte sich durchaus als rauschende Erfolgsgeschichte lesen. Diese niemals endende Party ist jetzt scheinbar doch langsam vorbei und Katerstimmung macht sich breit. Denn die deutsche Wirtschaft ist „gefangen im China-Dilemma”.

Den Artikel in voller Länge gibt es hier.

Kommentar: Spätestens seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation 2001 ging man von einer Art zwangsläufigen, fast schon naturgemäßen Öffnung des Landes nach westlichen Vorstellungen aus. In der neoliberalen Theorie beispielsweise führt wirtschaftliches Wachstum beinahe automatisch zu einer weiteren wirtschaftlichen und politischen Öffnung. Und als Bonuszugabe gibt es Freiheit und Demokratie oben drauf. Die Praxis sah und sieht oft anders aus. Jetzt also hängt die deutsche Wirtschaft am Tropf der “China-Droge”.

Für das chinesische Modell passen Theorien wie diese oder andere stets nur bedingt, da sich dessen einmalige Entwicklung während der letzten vier Jahrzehnte (siehe auch #4) schwer mit vergangenem vergleichen lässt. Zu groß und vielfältig ist das Land, zu gewaltig sind nach wie vor die Gegensätze. Allem voran das Gefälle zwischen urbanem und ländlichem Raum gehört mit zu den größten Herausforderungen der Führung in Peking.

Und das China-Dilemma der deutschen Wirtschaft? Hier darf bemerkt werden, dass die deutsche Industrie sich durchaus frei- und bereitwillig in diese sogenannte Gefangenschaft begeben hat. Und auch darf angemerkt werden, dass man sich während dieser jahrzehntelang anhaltenden Goldgräberstimmung eher wenig für das Dilemma vieler Arbeiter und Fabrikangestellter vor Ort interessierte.

Nicht wenige kritische Stimmen sehen in dem Verhalten der deutschen Industrie sowie staatlicher Politik China gegenüber gar als Ausverkauf des schönen Tafelsilbers und Deutschland als „Schnäppchenmarkt”.

Die neue Aussenwirtschaftsverordnung zu Firmenübernahmen, Grundsatzpapiere zum Umgang mit China, die geplante Fusion von Siemens und Alstom im Bahnbereich, der Mobilfunknetzausbau; im Licht der zuvor genannten Kritik lesen sich all diese Maßnahmen als Versuche des Gegensteuerns Seitens der deutschen Politik und Wirtschaft (siehe auch #6).

#6 BDI-Grundsatzpapier zu China/US-Chinesischer Gesprächsmarathon/Kim Jong-Un feiert in Peking/Chang’e sendet Bilder vom Mond

Das wahre Dilemma aber, findet Sinoskop, ist und bleibt ein überholter Glaube an grenzenloses Wachstum, Konsum und Profitgier in einer Welt der begrenzten Ressourcen. Ob mit oder ohne ‘”China-Droge”.

Mehr dazu:

WIWO: Chinesische Autobauer haben die Nase vorn

DRADIO: Auf dem Weg zur Automobilspitze

WIWO: Huawei weiter unter Druck

SZ: Europa braucht die Zug-Fusion


Zweiter Deutsch-Chinesischer Finanzdialog

Zwar langsam nur, zögerlich und ungeachtet des China-Dilemmas öffnet sich nun doch, was für hiesige Unternehmen eine bisher unzugängliche Schatzttruhe war: Die chinesische Banken- und Versicherungsbranche.

Um auf diesem Feld den Marktzugang zu sichern und sich möglichst gewinnbringend aufgestellt zu sehen, reiste der deutsche Finanzminister und Vizekanzler in Begleitung von Bundesbank-Präsident Weidmann und Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), zu einem zweitägigen Dialog nach Peking.

Im Aktenkoffer hatten die Gäste drei Abkommen, welche erfolgreich unterzeichnet wurden und zu

  • einer Kooperation der Bankenaufsichten beider Staaten
  • mehr Zusammenarbeit beim Wertpapierhandel
  • einer stärkeren Kooperation der Zentralbanken

beitragen sollen.

Mehr dazu:

HB: Finanzminister Scholz reist nach China

SZ: Ein Handlungsreisender in Peking

SPON: Scholz in Peking

SZ: Keine Zeit für Menschenrechte


Sehens-/Lesens-/Hörenswertes

ZEIT: Chinas modernes Militär

TAZ: Umweltschutz – Interview mit Jürgen Trittin

FAZ: Hochspannung zwischen Kanada und China

NZZ: Chinas Umgang mit der eigenen Vergangenheit

WELT: Kinofilm über Gentechnik, China in einer Hauptrolle

ARTE: E-Commerce erobert das Land

ARD: (Weltspiegel) Zur Lage der Kasachen in China


 

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