#65 Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft – Druck auf China?

Deutschland EU-Ratspräsidentschaft China

Wir sollten zunächst alles tun, um uns widerstandsfähiger zu machen. Wir müssen als Europäer zusammenstehen, sonst schwächen wir uns selbst. China hat einen globalen Anspruch entwickelt. Das macht uns zu Partnern […], aber auch zu Wettbewerbern mit ganz unterschiedlichen politischen Systemen. Nicht miteinander zu Reden wäre jedenfalls keine gute Idee.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Süddeutsche Zeitung, 27.06.2020.

Inhalt

Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

Die EU und das Verhältnis zu China

22. EU-China Gipfel verschoben

Ausblick

Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft – Druck auf China?

Ein kurzer Blick auf den heute beginnenden EU-Ratsvorsitz Deutschlands. Ein Tag, der auch in der Volksrepublik China bzw. der Sonderverwaltungszone Hongkong von historischer Bedeutung ist, wenn auch aus anderen Gründen.

„Trio-Präsidentschaft“ Deutschlands mit Portugal und Slowenien

Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland für den Rest des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft von Kroatien. Nach 2007 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel somit zum zweiten Mal in ihrer 15-jährigen Amtszeit den EU-Vorsitz inne.

Für eine bessere Abstimmung und zur Erreichung längerfristiger Ziele ist die Rede von einer „Trio-Präsidentschaft“ Deutschlands mit Portugal und Slowenien.

Zu den großen Themen der deutschen Ratspräsidentschaft gehören:

  • Folgen des Klimawandels / Grünes und nachhaltiges Wachstum: „European Green New Deal“
  • Brexit
  • EU Haushalt für 2021-2027 (u.a. Wiederaufbaufonds / Militärausgaben)
  • Europäisches Asylrecht
  • (digitale) Souveränität
  • „Diversifizierung“ (z.B. Medikamentenproduktion in Europa)

Überschattet wird die deutsche Ratspräsidentschaft von den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Daher ist der erste Leitgedanke im Programm der deutschen Ratspräsidentschaft auch “die dauerhafte Überwindung der COVID-19-Pandemie und die wirtschaftliche Erholung”.

Man wolle sich “mit ganzer Kraft dafür einsetzen, diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerichtet zu meistern und Europa wieder stark zu machen”.

Womit wir bereits beim nächsten dominanten Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wären, dem Umgang mit China.

„Team Europa“

Im 6. und letzten Kapitel des Programms der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, „Eine handlungsfähige Europäische Union für eine partnerschaftliche und regelbasierte internationale Ordnung“, ist ein Absatz der China-Politik gewidmet (S.22) :

Die China-Politik aller EU-Institutionen und Mitgliedstaaten soll geschlossen und ausgewogen sein und sich an den langfristigen gemeinsamen EU-Interessen und Werten ausrichten. Wir wollen gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und der Kommission die Kooperation mit China ausbauen und uns in allen Politikbereichen für mehr Reziprozität einsetzen. Wir streben konkrete Fortschritte bei den Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen und bei den Themen Klima, Biodiversität, Globale Gesundheit und der Zusammenarbeit in Afrika sowie gemeinschaftliche Problemlösungen im Kontext der COVID- 19-Pandemie an. Wir streben ein EU-China-Treffen der Führungsspitzen so bald wie möglich an.

Deutschland, die EU und das Verhältnis zu China

Das Verhältnis zwischen der EU und der Volksrepublik China ist angespannt. Seit längerem beklagt die EU vor allem:

  • Handelshemmnisse
  • mangelnde Transparenz
  • ungleiche Marktzugänge
  • unfairer staatlicher Einfluss

Bei den stockenden Verhandlungen mit China wollen die Regierungen in Berlin und Frankreich eine gemeinsame Führungsrolle übernehmen.

Wie schon in den Jahren zuvor stehen neben den genannten Streitpunkten drei Konsens-Themen im Mittelpunkt der europäisch-chinesischen Zusammenarbeit:

  • Kooperation beim Klimaschutz & der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von 2015
  • Entwicklung des Afrikanischen Kontinents
  • Reform der internationalen Organisationen (Welthandelsorganisation [WTO], Weltbank, Internationaler Währungsfonds)

Siehe dazu auch

#20 – Xi Jinping zu Besuch in Europa – Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel

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Deutschland, die EU und China – Was sich seit 2019 verändert hat

  • Im Namen Europas fordert der französische Präsident Emmanuel Macron das „Ende der Naivität“ im Umgang mit der Volksrepublik.
  • In der China-Strategie der EU wird das Land als Partner, Konkurrent und erstmals auch als „Systemrivale“ bezeichnet.
  • Italien tritt als erstes EU-Gründungsmitglied und G7-Staat dem Seidenstrassenprojekt / der Belt and Road Initiative bei.
  • Die 2012 gegründete China and Central and Eastern Europe Cooperation (CEEC), auch bekannt als „16+1“ Treffen, wird durch den Beitritt Griechenlands zu „17+1“.
  • Laut Strategiepapier der EU-Kommission für faire Wettbewerbsbedingungen sollen Firmenübernahmen durch Drittstaaten erschwert werden. Manche EU-Politiker, z.B. Manfred Weber (CSU/EVP), fordern ein 12-monatiges Moratorium als Schutzmaßnahme vor “feindlichen” Übernahmen.
  • das politische Vorgehen der Kommunistischen Partei im Inland und im Ausland sorgt für wachsende Verstimmungen, sowohl auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene. Es entstehen weltweite Anti-China Bündnisse, wie die “Interparliamentary Alliance on China”.
  • Die EU-Außenminister zeigen sich „tief besorgt” wegen des geplanten Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong. Dieses tritt am Vorabend des 1. Juli 2020, dem 23. Jahrestag der Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an Festlandchina, in Kraft.
  • Das EU-Parlament stimmt Ende Juni für ein Verfahren gegen das Vorgehen Chinas vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, und fordert die Ernennung eines UN-Sondergesandten für Hongkong.

…und was nicht

Der letzte EU-China Gipfel fand im April 2019 statt. Seitdem unverändert geblieben sind die wesentlichen Forderungen der EU:

  • Eine Einigung bis 2020 zum bilateralen Investitionsabkommen mit China. Seit 2013 wird verhandelt und auch fast 30 Treffen später ist man der geforderten „Reziprozität“ (gleiche Wettbewerbsbedingungen und mehr Rechtssicherheit für EU-Firmen in China) nicht näher gekommen.
  • Öffentliche Ausschreibungen in der EU sollen an strengere Standards geknüpft werden. China soll sich bei öffentlichen Ausschreibungen öffnen.
  • China soll die Regeln der Welthandelsorganisation einhalten und versprochene Reformen umsetzen.
  • Ein Ende des Joint-Venture Zwangs und des erzwungenen Technologietransfers.
  • Sicherheitsgarantien für die Beteiligung Huaweis beim 5G-Netzausbau.

Siehe dazu auch

#23 EU-China Gipfel: “Win-win” samt Sahnehäubchen

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#50 Deutscher 5G-Netzausbau mit oder ohne Huawei?

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22. EU-China Gipfel in Deutschland verschoben

Der ursprünglich für September geplante “Vollgipfel” zwischen den 27 EU-Regierungschefs und der Pekinger Führung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

In Corona-Zeiten finden Regierungskonsultationen per Telefon- bzw. Videokonferenz statt. So geschehen im Juni:

  • Bundeskanzlerin Merkel und Staatschef Xi telefonierten. Dabei habe man sich “angesichts der pandemischen Gesamtlage” auf die Verschiebung des Gipfeltreffens geeinigt.
  • Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Altmaier hielt Frau Merkel eine Videokonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang ab. Besprochen wurde die Zusammenarbeit beim Klimawandel, die Reform der WTO und das Bekenntnis zu einer multilateralen Weltordnung. Auch das Thema Hongkong und der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog sollen angesprochen worden sein.
  • Im Rahmen des seit zehn Jahren stattfindenden “Strategischen Dialogs” konferierten EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Joseph Borell, mit dem chinesischen Premierminister Li Keqiang und mit Außenminister Wang Yi.

Die Höhepunkte des virtuellen Treffens hebt Frau Von der Leyen hervor:

Ausblick

Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft im Allgemeinen und China betreffend im Speziellen sind enorm hoch. Michael Clauss, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union, bereitete dies bereits im Vorfeld “schlaflose Nächte”. Vorteilhaft für die Umsetzung der China-Strategie der EU der nächsten Monate und darüber hinaus könnte sein, dass Herr Clauss im Laufe seiner diplomatischen Karriere von 2013-2018 deutscher Botschafter in Peking war. Mit Xi Jinpings China ist er somit bestens vertraut.

Interessant wird auch, ob die „EU-Asien Konnektivitätsstrategie“, die europäische Antwort auf Chinas Belt and Road Initiative, in den nächsten Monaten weiter entwickelt werden wird.


Siehe auch

#66 China-Positionen deutscher Parteien im Jahr 2020

#68 EU-China-Beziehungen 2020 (I)


Mehr dazu

NZZ: Warum der Einfluss der deutschen EU-Rats-Präsidentschaft begrenzt ist

ND: Steigende Telefonkosten in Peking und Brüssel

SPON: Von der Leyen und China

SWR2: “Permanentes Krisenmanagement” Gespräch mit EU-Botschafter Clauss


 

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