#67¾ Spionage, Netzwerke und Formen der Einflussnahme durch China in Deutschland (III)

Spionage China Deutschland
„Don’t touch this soup... it may be poisoned“

The Mission of China to the European Union on Saturday denied groundless allegations about Chinese espionage in Brussels.

Responding to reports by Germany media that a large number of Chinese spies are active in Brussels, a spokesperson of the Chinese mission said the Chinese side is “deeply shocked by such unfounded reports.”

“China always respects the sovereignty of all countries, and does not interfere in the internal affairs of other countries,” the spokesperson said in a statement.

Xinhua, 09.02.2019

Inhalt

(zuletzt aktualisiert am 30.04.2022)

Spionage, Netzwerke und Formen der Einflussnahme durch China in Deutschland (III)

Elite-Netzwerk China-Brücke

Lobbyarbeit von Politiker-Netzwerken

Deutsche Spione im Dienste der KP?!

Spionage, Netzwerke und Formen der Einflussnahme durch China in Deutschland (III)

Wesentlicher Teil des Spionagegeschäfts ist es, möglichst unbemerkt im Verborgenen zu agieren ohne Spuren zu hinterlassen. Hin und wieder aber kommt es zu Vorwürfen, zu Ermittlungen, zur Enttarnung. Zu einer Verurteilung kommt es nur in seltenen Fällen. Kurzum, über die Welt der Spionage ist relativ wenig bekannt.


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#67 ½ Spionage, Netzwerke und Formen der Einflussnahme durch China in Deutschland (II)

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Immerhin gibt es in der Welt der Spionage und Einflussnahme offene Geheimnisse. Beispielsweise wird vor bestimmten Restaurants und Bars in Brüssel gewarnt, in denen sich die Spione und Agenten aus aller Welt die Klinke in die Hand geben sollen. Im Herzen der EU allein sind Medienberichten zufolge rund 250 chinesische Agenten tätig.

Als offenes Geheimnis gilt ebenfalls, das viele Undercoveragenten als Attachés getarnt die Diplomaten von Drittstaaten bei Botschaftsempfängen begleiten und so ihrer Tätigkeit nachgehen.

Und auch das Gebiet um die Chinesische Botschaft in Berlin gilt als Hotspot der Branche. In dessen Umgebung ist ein dichtes Netz aus Organisationen, Vereinen und Unternehmen entstanden. Laut dem Finanzmagazin Capital sind in Deutschland rekordverdächtige 130 chinesische Diplomaten im Einsatz.

China: Verschiedene Formen der Einflussnahme 

Über verschiedene Netzwerke können aktive Formen der Einflussnahme gesteuert und forciert werden mit dem Ziel, China-freundliche Sichtweisen und Rahmenbedingungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verbreiten.

So wurde in der Anfangsphase der Coronavirus-Pandemie bekannt, dass chinesische Diplomaten versuchten, Einfluss auf deutsche Parlamentarier auszuüben. Ziel der Aktion war, die Darstellung Chinas positiv zu beeinflussen.


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In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle dieser sogenannten „Kontaktversuche“ durch chinesische Vertreter bekannt. Mal werden hierfür Soziale Netzwerke (z.B. LinkedIn) genutzt, mal dienen andere Kommunikationsmittel und -wege zur Kontaktaufnahme mit Personen von „interessantem Profil“.

Im Zentrum der vermeintlichen Spionage-Aktivitäten der Volksrepublik China in Deutschland steht die Beschaffung von Informationen. Dazu zählen kommerzielle und Firmeninformationen, Militärtechnik und -informationen, sowie die Überwachung von Minderheiten und Dissidenten im Ausland.

Dabei werden deutsche Staatsbürger aus Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft nicht nur „abgeschöpft“, wie es im Fachjargon heißt. Manchmal sind sie auch selbst Akteure und Multiplikatoren eines chinafreundlichen Narrativs, oder sogar als Agenten tätig.

Im folgenden ein unvollständiger Überblick zu diesen Netzwerken.

Mehr China-Kompetenz“ durch Elite-Netzwerke in Deutschland

Fallbeispiel China-Brücke. Ende letzten Jahres schloss sich eine Gruppe deutscher Politiker und Manager zu einem neuen Netzwerk zusammen. Vorbild der neu gegründeten China-Brücke ist die Atlantik-Brücke.

Die gut 500 Mitglieder zählende Atlantik-Brücke wurde bereits 1952 gegründet. Der gemeinnützige Verein steht laut Webseite „ganz im Dienst der deutsch-amerikanischen Freundschaft“ mit dem Ziel, die Zusammenarbeit Deutschlands und der EU mit Amerika auf „allen Ebenen“ zu vertiefen.

Geschäftsführender Vorstand seit 2020: Bundesminister a.D. Sigmar Gabriel (SPD). Eine Auswahl weiterer prominenter Vorstandsmitglieder: Norbert Röttgen (CDU), Kai Diekmann (Storymachine/ex-BILD), Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Omid Nouripour (Grüne), Wolfgang Ischinger (Münchner Sicherheitskonferenz).

Elite-Netzwerk China-Brücke

China – Eine globale Gestaltungsmacht“ lautet die Überschrift der Vereins-Webseite. „Deutschland braucht den Dialog“ und „Deutschland braucht mehr China-Kompetenz“ liest man im Anschluss.

Zu den Hauptaktivitäten des Vereins gehören der Austausch „von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft“, das „ausloten von Möglichkeiten zur Zusammenarbeit“, und die Vermittlung von Wissen über „gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Strukturen“ sowie das „Menschen- und Gesellschaftsbild“ in China.

Die Gründung der in Potsdam registrierten „China-Brücke“ lässt sich wohl auf den Oktober 2019 datieren. Der Verein möchte einen Beitrag zur „deutsch-chinesischen Freundschaft“ leisten und laut Satzung das gegenseitige Verständnis für Deutschland und die EU in China, sowie für China hierzulande fördern.

Zum Vorsitzenden des neuen Netzwerks wurde der amtierende Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) gewählt. Dem Vorstand gehören außerdem Politiker aus SPD und FDP an, der Chef des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, sowie Manager der Firmen SAP, Alibaba und Huawei. Weitere Grundpfeiler der Brücke sind der Unternehmensberater Roland Berger und namhafte China-Experten.

Die Namen des inzwischen etwa 30 Mitglieder zählenden exklusiven Vereins werden streng vertraulich behandelt. Mit von der Partie sind Politiker aus fast allen Fraktionen, soviel zumindest ist bekannt. Finanziert wird der Verein durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Unternehmen.

Wie unabhängig ist die China-Brücke?

Der Verein betont die eigene Überparteilichkeit und Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen in Deutschland und China. Spenden von chinesischen Staatskonzernen seien daher nicht willkommen. Jene von deutschen Ablegern chinesischer Firmen hingegen schon.

Dennoch soll die chinesische Botschaft in Berlin bereits die Werbetrommel für die China-Brücke gerührt haben. Und auch die Vorstandsmitglieder aus den Unternehmen Huawei und Alibaba lassen mögliche Interessenskonflikte nicht unplausibel erscheinen.

Laut Vorstand müsse sich der Verein auch mit „hochstrittigen“ Themen auseinandersetzen, ohne dabei Außenpolitik zu betreiben oder die Tagespolitik zu kommentieren. Dies beinhalte „natürlich auch eine Auseinandersetzung mit politischen Fragen“, wie Herr Friedrich Anfang Mai im Interview mit People‘s Daily Online erklärt. Wichtiger jedoch sei der Austausch zwischen „Experten, Führungskräften, Journalisten, […] Schülern, Studierenden und Vertretern aller gesellschaftlichen Bereiche“.

Zum hochstrittigen Thema Covid-19 stellt der Vereinsvorsitzende im Parteiblatt fest, dass China „zum heutigen Zeitpunkt“ für seinen Kampf gegen das Virus „Lob“ verdiene. Auch Deutschland habe durch „großzügige Materialspenden aus China“ Solidarität erfahren. Außerdem gebühre China „Anerkennung und Bewunderung gleichzeitig“ für die Armutsbekämpfung der letzten 40 Jahre.

Lobbyarbeit von pro-China Politiker-Netzwerken

Bereits 2003 gründete Rudolf Scharping, 72, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Bundesmininster, seine Beratungsfirma. Zur Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation (RSBK) AG-Gruppe gehört seit 2012 auch die Rudolf Scharping Consulting in Beijing.

In der Imagebroschüre liest man von den Kernaktivitäten: „RSBK startet Initiativen, gründet Kooperationen und bringt High-Level- Kontakte ins zielführende Gespräch.“ Dazu gehören Veranstaltungen wie die seit sieben Jahren stattfindende Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz „Belt and Road Forum“ in Frankfurt. Dort kommen „hochkarätige Spitzenvertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik aus China und Deutschland“ und „erstklassige Referenten, spannende Podien und vertiefende Side-Events“ zusammen.

In China wird der 72 jährige Scharping als „alter Freund“ (老朋友) gehandelt, berichtet Capital. Und als solcher setzt Scharping sich seit längerem auch für eine Partnerschaft zwischen dem Lahn-Dill-Kreis, Hessen, und der Millionenstadt Xuchang, Henan, ein. Hintergrund der Partnerschafts-Bemühungen soll die Einbindung der Bundestagsabgeordneten des Lahn-Dill-Kreises sein. Frau Schmid (SPD), die auch Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe ist, in Peking-freundliche Netzwerke zu „integrieren“, wäre Chinas Interessen dienlich.

Darüber hinaus sollen die freundschaftlichen Verbindungen der Chinesen über das komplette politische Spektrum reichen. Laut Capital reicht dieses bundesweite Netzwerk von der DKP bis zur AFD.

Dieses Netz der freundschaftlichen Verbindungen macht natürlich nicht vor einzelnen Landesgrenzen halt, sondern spannt sich auch auf EU-Ebene weiter, wie das nächste Beispiel zeigt.

Chinesische Freundschaftsgruppe im EU-Parlament

Stellvertretender Vorsitzender der Chinesischen Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments ist ein AFD-Abgeordneter. Herr Krah aus Sachsen schätzt die Zahl der Mitglieder auf etwa 20, und wünscht sich laut Wirtschaftswoche eine Beteiligung Deutschlands an der Belt-and-Road Initiative. Zum Beispiel mit einer Zugverbindung von Dresden über Prag bis nach Piräus. 

Der Forscher Jichang Lulu bezeichnet die Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments als „Proxy“ der Einheitsfront der Kommunistischen Partei (KP). Über diese „Schnittstelle“ bzw. „Stellvertreter“ sollen chinesische KP-Ansichten durch europäische Parlamentarier verbreitet und salonfähig gemacht werden. 

Deutsche Spione im Dienste der KP

Wie zu Beginn dieses Beitrags erwähnt, kommt es manchmal zu Ermittlungen gegen deutsche Staatsbürger, die als vermeintliche Agenten und Spione im Dienste Chinas stehen. „Spionage für einen chinesischen Geheimdienst gegen Deutschland“ lautet die Anklage in solchen Fällen.

Aktuell sind zwei Fälle bekannt, bei denen Verfassungsschutz bzw. die Bundesanwaltschaft aufgrund gewisser „nachrichtendienstlicher Verbindungen“ ermitteln.

Spionage für China in Deutschland: Der Fall Klaus L.

An einem Wintermorgen Ende 2019 erfolgte der koordinierte Zugriff. Die Einsatzkräfte des bayerischen Landeskriminalamts trafen rechtzeitig vor dem Haus des 74-jährigen Klaus L. und dessen Frau ein. Die beiden waren gerade auf dem Weg zum Flughafen mit dem Reiseziel China, Macau.

Der Angeklagte blickt auf eine knapp 50-jährige Karriere als Spion für den Bundesnachrichtendienst (BND) zurück. „Dem Vernehmen nach ging er dort ein und aus“ und hatte Kontakte „bis hoch in die Leitungsebene in Pullach“, berichtet Tagesschau. Zum Verhängnis wurde ihm und seiner ebenfalls angeklagten Frau das Doppelleben als Spione und Diener zweier Herren.

Dank seiner jahrzehntelangen leitenden Tätigkeit für die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung verbrachte Herr L. viel Zeit im internationalen Ausland. Dieses über Jahrzehnte gewachsene exklusive Netzwerk an Kontakten und Wissen machte ihn irgendwann auch für chinesische Nachrichtendienste als „menschliche Quelle“ interessant.

Kurz vor L.´s Pensionierung soll es auf einer dieser Reisen nach China zum erfolgreichen „Anbahnungsversuch“ durch einen chinesischen Geheimdienst gekommen sein. Nach der Pensionierung wurde L. dann Direktor eines neu gegründeten Instituts. Gemeinsam mit seiner Frau reisten die beiden weiter um die Welt und sollen Informationen sowohl an den BND, als auch an die chinesische Seite geliefert haben.

Scheinbar sollte das bayerische Spionage-Ehepaar auch auf den Weltkongress der Uiguren in München angesetzt werden, was diese angeblich ablehnten. Zur Zusammenarbeit kam es dennoch in anderen Bereichen, ohne dass das Paar den BND davon wissen ließ.


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Die Rolle des BND selbst wirft einige Fragen auf. Allein, Antworten gibt es seitens des BND nicht. Auf eine entsprechende Anfrage der Tagesschau heißt es nur, man beziehe „zu Angelegenheiten, die die operative Arbeit betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung”.

Update Juli 2021: Anklage gegen Klaus L. 

Die Bundesanwaltschaft hat wegen mutmaßlicher Spionage für China Anklage gegen den ehemaligen Mitarbeiter der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung erhoben.

Der heute 75 Jahre alte Politologe soll zwischen Juni 2010 und November 2019 „dem chinesischen Geheimdienst im Vorfeld oder Nachgang von Staatsbesuchen oder multinationalen Konferenzen sowie zu bestimmten aktuellen Fragestellungen regelmäßig Informationen beschafft haben,“ berichtet Spiegel Online.

April 2022: Oberlandesgericht München fällt Urteil

Der frühere Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung und seine Frau wurden wegen Spionage für einen chinesischen Geheimdienst zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt.

Spionage für China in Deutschland? Der Fall Sabathil

Und dann ist da noch die Anklage gegen Herrn Sabathil, einen hochrangigen Ex-Diplomaten und CDU-Mitglied mit doppelter Staatsbürgerschaft (Deutsch & Ungarisch), der sich selbst gerne als „Altösterreicher“ bezeichnet.

Bereits 2018 geriet Sabathil in den Fokus der Ermittler. Im Januar 2020 nahm der Generalbundesanwalt dann die Ermittlungen gegen den gut vernetzten Herrn Sabathil auf. Der Verdacht: „Geheimdienstliche Agententätigkeit für China”. Der Vorwurf: Sabathil sei „Informant, Hinweisgeber und Anwerber” des chinesischen Auslandsgeheimdienstes.

Verteidigt wird der ehemalige Top-Diplomat, der 2016 seinen Diplomatenstatus verlor, unter anderem vom streitlustigen CSU-Urgestein Peter Gauweiler. Dieser bezeichnet die Ermittlungen Medienberichten zufolge als „Pekingente“, spricht von „Rufmord“ und sieht seinen Mandanten als „Bauernopfer“, um den deutsch-chinesischen Beziehungen zu schaden.

Auch die Wirtschaftswoche bezeichnet die laufenden Ermittlungen als möglichen „Warnschuss“ an alle, „die für China spionieren oder es erwägen sollten“. Eine Verurteilung sei eher zweitrangig. Ob mit oder ohne Prozess; der Fall liest sich ein bisschen wie ein Spionagethriller von John Le Carré.

Fast 30 Jahre lang war Herr Sabathil als Diplomat tätig. Er war Leiter der Vertretung der EU in Berlin, Chefstratege der Ostasienpolitik der EU in Brüssel, Botschafter in Südkorea.

Der Botschafterstatus kam ihm abhanden, nachdem bekannt geworden war, dass er seiner chinesischen Lebensgefährtin ein vertrauliches Dokument der EU zur Umweltsituation in China verschafft hatte. Das Innenministerium verweigerte daraufhin die notwendige Sicherheitsprüfung und Sabathil wechselte von der Diplomatie in den Lobbyismus.

2019 wurde er dann bis zum Bekanntwerden der Ermittlungen Geschäftsführer des Berliner Lobby-Unternehmens Eutop in Brüssel, zu dessen Kunden chinesische Unternehmen wie der Telekommunikationsanbieter Huawei gehören.


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Außer Sabathil werden zwei weitere deutsche Staatsbürger der Spionage verdächtigt (der eine soll Mitarbeiter eines Thinktanks, der andere Herausgeber eines außenpolitischen Magazins sein), die von ihm angeworben worden sein sollen.

Sabathil: „Schlampige Ermittlungen“

„Ein knappes halbes Jahr später hat sich der Tatverdacht nicht erhärtet“, die Ermittlungen „treten auf der Stelle“, berichtet der Spiegel Ende Juni diesen Jahres. Herr Sabathil sieht sein Leben aufgrund „schlampiger handwerklicher Ermittlungen“ zerstört.

Ende Mai berichtet Stern von fragwürdigen Vorgängen und Zweifeln der Bundesanwaltschaft an den Beweisen des Verfassungsschutzes. So sollen Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes abgehörte Telefonate „teils verkürzt und mit teils erkennbaren Abweichungen vom echten Gesprächsverlauf zusammengefasst“ haben. Entlastende Passagen sollen wiederum ganz weggelassen worden sein.

Weiter bezeichnet die Bundesanwaltschaft die Arbeit des Verfassungsschutzes laut Spiegel als „in erheblicher Weise tendenziös“ und verweist dabei auf eine „offenkundige Namensverwechslung“. So wurde aus dem vermeintlichen Kontaktmann, der sich in Emails „Jimmy“ nannte, scheinbar ein „Johnny“.

Jimmy / Johnny & das Shanghai Institute of European Studies 

Auf Empfehlung eines inzwischen verstorbenen Freundes habe Sabathil 2017 den Chinesen „Jimmy“ kennengelernt. Bei dem mysteriösen Jimmy (oder vielleicht auch Johnny) soll es sich um einen mutmaßlichen Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit handeln. Dessen Spezialgebiet: das Anwerben „menschlicher Quellen“ aus der EU.

Laut Recherche der Süddeutschen habe es zwischen 2017 und 2019 mindestens noch drei weitere Treffen von Sabathil und Jimmy gegeben. Immer soll es dabei um die Vermittlung von Gastrednern am Institute of European Studies in Shanghai gegangen sein. Deutschen Sicherheitskreisen zufolge sei die „Anbindung des Instituts an den chinesischen Geheimdienst erwiesen“. Laut Sabathil kam es aus rein „akademischen Interesse“ zu den Treffen.

Auch das Verhältnis Sabathils und dessen Lebensgefährtin zu in Berlin lebenden Exil-Chinesen beleuchtet die Süddeutsche kritisch. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zu Liu Xia, der Witwe des 2017 verstorbenen Dissidenten Liu Xiaobo, die seit Juli 2018 in Berlin lebt. Die beiden sollen sich fortan intensivst um Frau Liu gekümmert haben.

Der Schriftsteller Liao Yiwu vermutet gar, Sabathil und dessen Partnerin hätten ihn benutzt, um über ihn an Frau Liu zu kommen. Auch weitere Exil-Chinesen brachen dem Bericht zufolge den Kontakt zu Sabathil bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe ab, da sie dessen Verhalten „zumindest irritierend“ fanden.

Dann ist da noch die Rolle des bereits erwähnten „mysteriösen Freundes“, der sowohl als Lobbyist in Berlin sowie als Informant des Verfassungsschutzes tätig war, bis er 2019 bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Laut Stern verlangt die Bundesanwaltschaft vom Verfassungsschutz Informationen darüber, ob der als „zuverlässige Hinweisgeber“ geführte Informant vielleicht selbst Kontakte ins Shanghaier Institut hatte, und daher „den Verdacht auf Sabathil gelenkt haben könnte“.

November 2020: Bundesanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Wie Politico berichtet, hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen wegen Spionageverdachts gegen Sabathil und zwei weitere Verdächtige eingestellt.

Laut Sabathil ging es in seinem Fall um „geopolitische Interessen“ und den Versuch, die deutsche öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. Nach dem Ende dieses „kafkaesken Alptraums“ fordert Herr Sabathil nun eine Entschädigung seitens des Staates und dass „die Wahrheit erzählt wird“.

Ausblick

Auch wenn die Ermittlungen gegen Herrn Sabathil eingestellt wurde, bleiben viele Fragen offen. Nicht nur, was dessen Rolle betrifft sondern auch, was die Pannen und gegenseitigen Vorwürfe der involvierten Ermittlungsbehörden angeht.

Der Fall des „Altösterreichers“ und die anderen erwähnten Beispiele verdeutlichen, dass der potentielle Aktionsradius chinesischer Geheimdienste und die Formen der Einflussnahme und Spionage durch China in Deutschland und der EU enorm sind.

Was dann und wann aus der Welt der Spionage und Einflussnahme bekannt wird, ist vermutlich nur „die Spitze des Eisbergs“. Und natürlich stehen auch Geheimdienste anderer Staaten in ihren Ambitionen den Kollegen aus China in nichts nach.

Immerhin einen Vorteil haben die Chinesen möglicherweise. Denn China unterhält das größte Spionagenetzwerk der Welt, wie diese sehenswerte Dokumentation zeigt…

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