Joe Biden und Xi Jinping treffen sich in San Francisco
Vom 11. bis 17. November findet in San Francisco das diesjährige Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) statt.
Kurzkontext: Die APEC gründete sich 1989 und hat 21 Mitgliedsstaaten (Australien, Brunei Darussalam, Chile, Volksrepublik China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Republik Korea, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Singapur, Chinesisch-Taipeh, Thailand, Vereinigte Staaten von Amerika und Vietnam).
Die Staaten der APEC erwirtschafteten 2022 rund 62 Billionen US-Dollar, was einem Weltanteil von 62% entspricht. Etwa 30 Billionen US-Dollar Betrug der Wert des Handels mit Gütern und Dienstleistungen, was 47% des globalen Handels entspricht. Knapp 3 Milliarden oder 37% der Menschheit leben in den Staaten der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft. (Quelle: Webseite APEC, FAQ)
Das besondere am diesjährigen APEC-Gipfel: am 15. November ist das erste persönliche Treffen von Xi Jinping und Joe Biden geplant. Die letzte Begegnung der beiden Staatsoberhäupter fand während des G20-Gipfels in Bali, Indonesien, vor ziemlich genau einem Jahr statt. Herr Xi wird sich vom 14. bis zum 17. November in den USA aufhalten. Seine erste Reise in die USA seit 2017.
#91 USA-China: Joe Biden und Xi Jinping Treffen vor G20-Gipfel auf Bali
#91 USA-China: Joe Biden und Xi Jinping Treffen vor G20-Gipfel auf Bali
China-USA: angespannte bilaterale Beziehungen
Das Verhältnis der beiden Großmächte wird durch eine Reihe von Faktoren stark belastet. Eine Auswahl:
- Die beidseitigen Handelszölle, die während der Amtszeit des vorherigen US-Präsidenten erhoben wurden, sind nach wie vor in Kraft.
- Im Hochtechnologiesektor verabschiedet die amerikanische Regierung immer neue Ausfuhrbeschränkungen, z.B. für leistungsstarke Computerchips.
- Die militärische Aufrüstung im Südchinesischen Meer und um die Insel Taiwan nehmen zu und steigern das Gefahrenpotential.
- Ein Austausch auf den hohen und höchsten politischen Ebenen – einschließlich der militärischen – fand seit der Taiwan-Reise der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Sommer 2022, praktisch über Monate nicht mehr statt und wird nur langsam wiederhergestellt.
- Das gegenseitige Misstrauen hat zugenommen, was sich beispielsweise durch immer neue Spionagevorwürfe äußert.
#99 USA-China und die “Ballonaffäre”
- Auf der geopolitischen Ebene arbeiten China und die USA eher gegen- als miteinander, wie unter anderem der russische Angriffskrieg in der Ukraine und der kriegerische Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas zeigen.
Die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik China beanspruchen beide eine Führungsrolle im 21. Jahrhundert, was in einem dynamischen, spannungsgeladenen und konfliktträchtigen Verhältnis resultiert. Die Auseinandersetzungen zur Verteidigung bzw. Erlangung dieser Vormachtstellung findet in allen Bereichen statt: wirtschaftlich, militärisch, technologisch, politisch, kulturell und ideologisch.
Einen militärischen Konflikt – so betonen es beide Seiten wiederholt – wollen weder die USA noch die Volksrepublik China. Stattdessen ist man sowohl in Washington als auch in Peking um die Darstellung als „verantwortungsvolle Großmacht“ bemüht. Die ranghohen gegenseitigen Besuche in den vergangenen Monaten sind Signale eines beidseitigen Pragmatismus.
- der amerikanische Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan und Chinas oberster Diplomat Wang Yi trafen sich drei Mal; zuletzt besuchte Wang Yi die USA im Oktober.
- US-Außenminister Blinken, Finanzministerin Janet Yellen und Handelsministerin Gina Raimondo reisten nach Peking; Chinas Vize-Premier und oberster Finanzpolitiker He Lifeng, sowie weitere ranghohe Kader reisten zu Gesprächen in die USA.
Zum einen dienten die Treffen der Vorbereitung eines möglichen Treffens zwischen Joe Biden und Xi Jinping. Zum anderen sind es klare Bemühungen um ein Umfeld zu schaffen, in dem das (Abhängigkeits-)Verhältnis beider Staaten von Wettbewerb statt von Konflikt geprägt sein soll.
Um diesen zu vermeiden und eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen, sollen die zahlreichen und scheinbar unvereinbaren Gegensätze möglichst lange in kontrollierbare Bahnen gelenkt werden – in die sogenannten „roten Linien“.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: parallel arbeiten beide Staaten natürlich weiterhin daran, diesen Wettbewerb möglichst schnell für sich zu entscheiden. Sie fördern und subventionieren die heimische Wirtschaft mit Milliardenbeträgen, schließen internationale Bündnisse und verfolgen weiterhin allem voran eigene Interessen. Den nationalen Losungen „America First“ bzw. „China Dream“ folgend muss sich sämtliches Handeln letztlich unterordnen.
Was also erhofft sich die jeweilige Seite vom Treffen am 15. November in San Francisco am Rande des APEC-Gipfels?
Erwartungen an das Treffen von Herrn Biden und Herrn Xi – USA
Auszüge aus der Pressekonferenz Jake Sullivans vom 14. November:
Präsident Biden geht mit einer soliden Ausgangsposition in diesen Gipfel, da er die Vereinigten Staaten so positioniert hat, dass sie sowohl zu Hause als auch in der ganzen Welt wettbewerbsfähig sind. […]
[W]ir glauben, dass es Bereiche gibt, in denen sich unsere Interessen überschneiden, wie z. B. unsere Bemühungen zur Bekämpfung des illegalen Fentanylhandels.
Es gibt auch Bereiche, in denen wir den Wettbewerb effektiver gestalten können – zum Beispiel durch die Wiederherstellung der Kommunikation zwischen den Streitkräften.
Und natürlich werden die beiden Staats- und Regierungschefs auch kritische globale Fragen erörtern müssen, darunter den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die sich entwickelnde Krise im Nahen Osten.
Alles in allem freuen wir uns auf ein produktives Treffen. Präsident Biden hat eine lange Geschichte mit Präsident Xi. Ihre Gespräche sind direkt, sie sind geradlinig.Und Präsident Biden ist der Meinung, dass es keinen Ersatz für ein persönliches Gespräch zwischen den Staatsoberhäuptern gibt, um die komplexen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China zu gestalten. […]
Der Präsident wird im Großen und Ganzen eine Vision für Frieden und Stabilität und die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan darlegen. Und das wird er bei seinem Treffen mit Präsident Xi tun. […]
Die Vereinigten Staaten waren während des gesamten Zeitraums bereit, die Kommunikation zwischen den Streitkräften aufrechtzuerhalten, weil wir glauben, dass dies das einzig Verantwortliche ist.
Die Kommunikation zwischen unseren beiden Streitkräften ist der Weg, um Fehler zu reduzieren, eine Eskalation zu vermeiden und den Wettbewerb so zu steuern, dass er nicht in einen Konflikt ausartet. Das ist für uns ein absolut unkomplizierter Faktor. Und unabhängig davon, was sonst noch in den Beziehungen geschieht, sollten diese militärischen Verbindungen intakt bleiben.
Das ist unsere Position, die wir in San Francisco vertreten werden. Wir sind der Meinung, dass die VR China in dem Dialog, den wir mit ihr in dieser Frage geführt haben, konstruktiv war. […]
Das Wichtigste ist, dass es sich um eine komplexe Beziehung handelt, eine Wettbewerbsbeziehung, die leicht in einen Konflikt oder eine Konfrontation ausarten kann, wenn sie nicht gut gehandhabt wird. Die wichtigste Aufgabe des Präsidenten und aller, die in dieser Angelegenheit für ihn arbeiten, besteht also darin, die Beziehungen effektiv zu gestalten.
Darüber hinaus müssen die USA und China in der Lage sein, in allen kritischen Fragen, mit denen unsere beiden Länder konfrontiert sind, direkt miteinander zu sprechen, auch in Krisenmomenten wie der Russland-Ukraine-Krise. Und Präsident Biden hat mit Präsident Xi eine Reihe offener Gespräche über die Frage der militärischen Unterstützung der Russischen Föderation bei der Führung ihres Krieges in der Ukraine geführt. […]
Nach unserer letzten Einschätzung hat […] China keine Waffen an Russland im Rahmen des Krieges in der Ukraine geliefert. Aber ich werde auf Sie zurückkommen, um Ihnen zu bestätigen, dass dies auch heute noch unsere letzte Einschätzung ist, denn meine Informationen sind ein paar Tage alt.
(Quelle: Webseite whitehouse)
Erwartungen an das Treffen von Herrn Xi und Herrn Biden – China
Randnotiz: Leider waren beim Verfassen dieses Beitrags weder die Webseite des chinesischen Außenministeriums, die der chinesischen Botschaft, noch jene der People’s Daily erreichbar. Auch Radio China International CRI war nicht erreichbar. „Server nicht gefunden“.
Daher ein Blick auf das Parteiblatt Global Times und in die sozialen Medien. „Die Welt blickt erwartungsvoll nach San Francisco“, lautet der Titel eines redaktionellen Beitrags vom 15. November:
Obwohl sich nach einer Phase der Volatilität eine Stabilisierung abzeichnet, bleibt diese Dynamik instabil und wird durch verschiedene Unwägbarkeiten erschwert. […]
Vor diesem Hintergrund zeugt der Besuch des chinesischen Staatschefs in den USA von Aufrichtigkeit und gutem Willen, die Beziehungen zwischen China und den USA zu verbessern. Er spiegelt auch eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber der Geschichte, den Menschen und der Welt wider. […]
Zum Thema Fentanyl; wo es scheinbar zu einer Einigung kommen könnte, den illegalen Import von China in die USA gemeinsam zu bekämpfen:
Jetzt stehen die beiden Länder vor neuen Möglichkeiten, und ob sie die Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung wieder aufnehmen können, hängt von den USA ab. Das Gleiche gilt für viele andere Themen. […]
Als Verursacher der schwierigen Situation in den Beziehungen zwischen China und den USA muss vor allem die US-Seite praktische Maßnahmen ergreifen, um ihre Aufrichtigkeit bei der Stabilisierung der bilateralen Beziehungen unter Beweis zu stellen. In der Tat ging die Unsicherheit bei der Stabilisierung der bilateralen Beziehungen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und möglicherweise auch in der Zukunft stets von der US-Seite aus. […]
Wir hoffen, dass die amerikanische Seite genügend politischen Mut und Weisheit zeigt, der chinesischen Seite auf halbem Wege entgegenkommt und den Aufbau eines korrekten Weges fördert, auf dem China und die USA miteinander auskommen und Stabilität und Sicherheit in die turbulente Welt bringen. […]
Wolfskriegerin Hua Chunying twitterte – xte – am 10. November zur bevorstehenden Reise des Kern-Anführers in die USA:
At the APEC Economic Leaders’ Meeting, President Xi Jinping will share China’s proposals for deepening Asia-Pacific cooperation and driving regional and global economic growth to contribute China’s effort to making the meeting a productive one.
(Quelle: https://twitter.com/SpokespersonCHN)
KP-Sprachrohr Hu Xijin schrieb einen Tag später in ebenjenem, bekannterweise auf dem chinesischen Festland verbotenem, sozialen Medium:
Die chinesische Gesellschaft hat derzeit drei große Probleme mit den USA:
1.In der Taiwan-Frage billigt 🇺🇸 die Tendenz der DPP-Behörden zur „Unabhängigkeit Taiwans“.
2.🇺🇸 hat seine Bemühungen zur Unterdrückung chinesischer High-Tech-Unternehmen intensiviert, indem es die Beschränkungen für Chinas Halbleitertechnologie verschärft und „Abkopplung und Abtrennung“ betreibt, um China einzudämmen.
3.🇺🇸 stiftet die Philippinen und andere öffentlich dazu an, China im Südchinesischen Meer zu provozieren. Sie hat wiederholt anmaßend gehandelt und die Sicherheit von Chinas Inseln und Riffen bedroht.
Wenn 🇺🇸 keine Anpassungen in diesen drei Richtungen vornimmt und seine provokativen Aktionen weiter ausbaut, wird es für die chinesische Öffentlichkeit schwer zu glauben sein, dass 🇺🇸 es mit dem Risikomanagement in den Beziehungen zwischen China und den USA ernst meint.
(Quelle: https://twitter.com/HuXijin_GT)
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