#90 Bundeskanzler Scholz zu Besuch in China

BK Scholz China Reise Xi Jinping

China ist und bleibt ein wichtiger Partner. Doch wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit dem Land verändern. Gefragt sind Augenmaß und Pragmatismus.

Gastbeitrag des Kanzlers in der FAZ, 03.11.2022

Antrittsbesuch von Olaf Scholz als Bundeskanzler in China

2011, 2015 und zuletzt 2019 war der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz bereits zu Besuch in China. Damals als Oberbürgermeister und zuletzt als Vizekanzler unter Angela Merkel.

Ende 2022 war es endlich wieder soweit. Nach den Staatsoberhäuptern aus Vietnam, Tansania und Pakistan reiste Herr Scholz – diesmal als Bundeskanzler, erster Europäer und Vertreter der G7 – im langen Schatten der Corona-Pandemie nach Peking.

In Deutschlands Medien konnte man im Vorfeld der Reise am 03. November vor allem eines lesen: Verheerende Kritik am Kanzler, dessen geplanter Antrittsreise nach Peking und der Mitnahme einer 12-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Eine Auswahl.

Im Vorfeld: Kritik an Scholz wegen China-Reise

Aus Sicht von Grünen und Teilen der FDP sei die Reise mit Wirtschaftsvertretern das „falsche Signal” (Handelsblatt, 21.10.22).

Die „überflüssige China Reise” fände zu einem „unglücklichen Zeitpunkt” statt. Denn obwohl die EU China ganz offiziell als „Rivale” eingestuft hat, “fliegen die Deutschen wieder nach Peking” (FAZ, 22.10.22).

China habe einen Plan, Scholz nicht. Scholz müsse “auftreten als standhafter Europäer, nicht wie eine Geisel deutscher Abhängigkeit” (SZ, 31.10.22)

Deutschland ginge innerhalb der EU einen „Sonderweg” und verärgere auch die USA. Es fehle eine Geostrategie, Scholz “fährt ohne Strategie nach China”. (Handelsblatt, 03.11.22).

Scholz erklärt im Vorfeld nicht das “Wieso und Warum” der Reise (TAZ, 02.11.22)

Wegen der geopolitischen Spannungen mit der Volksrepublik, der Androhung von Gewalt gegenüber Taiwan und Chinas Unterstützung Russlands sei vielen Wirtschaftsvertretern “offenbar die Lust an der Reise vergangen” (Handelsblatt, 21.10.22).

Mehrfach wurde das “geringe Interesse” seitens der deutschen Wirtschaft an der Kurzreise hervorgehoben. Die Wirtschaftsbosse wollten kein “business as usual” mehr.

“100 Bewerber, zwölf dürfen mit nach China”

Statt mangelndem Interesse soll es dann doch 100 Bewerber gegeben haben, die Teil der 12-köpfigen Wirtschaftsdelegation um den Kanzler sein wollten. Trotzdem sei “auffällig, wer bei der Reise nicht mitfährt”(Handelsblatt, 28.10.22).

“Wirtschaft begrüßt Reise des Bundeskanzlers”. Es sei aber „keine leichte Reise”. Denn alle Mitreisenden müssten sich „gleich nach der Landung einem Test durch die chinesischen Behörden unterziehen” und das Ergebnis „einzeln in einem Zimmer in einem staatlichen Gästehaus abwarten” (Handelsblatt, 03.11.22).

Der Bundeskanzler erklärt seine China-Reise

In der Weltwirtschaft gehe es zu wie in einer Dorfdisko, soll Herr Scholz laut Handelsblatt einmal gesagt haben. „Getanzt wird mit denen, die im Saal sind” und wer nur noch Handel mit denen betreiben wolle, die man möge, um den werde es schnell einsam.

In einem Gastbeitrag in der FAZ und Politico erläuterte der Kanzler, welche “fünf Gedanken mich auf dieser Reise begleiten”.

  1. Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren.
  2. Klare Worte Pekings an die Adresse Moskaus sind wichtig – zur Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und ihrer Prinzipien.
  3. Wir wollen kein „Decoupling“, keine Entkopplung von China.
  4. Wie die USA und viele andere Staaten verfolgen wir eine Ein-China-Politik. Dazu gehört aber, dass eine Veränderung des Status quo nur friedlich und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen darf.
  5. Mit dem Dreiklang „Partner, Wettbewerber, Rivale“ hat die Europäische Union China richtig beschrieben, wobei Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zweifellos zugenommen haben.

Xi Jinping begrüßt Kanzler Scholz: 诶, 你好! Ey, ni hao!

(https://twitter.com/RFA_Chinese/status/1588480189738409984)

Das kurze Video zeigt, wie Herr Xi Herrn Scholz mit einem lässig informellen “Hey, hallo” und “wir machen ein Bild” zum Fototermin begrüßt. Das war es dann auch schon. Einen Handschlag (anders als mit Russlands Putin vor kurzem in Zentralasien) oder weitere freundschaftliche Gesten wurden vor laufenden Kameras nicht ausgetauscht. Die Aufnahmen der beiden “Partner” wirken eher steif und distanziert.

Der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang betont die Gemeinsamkeiten der beiden großen Volkswirtschaften an den Enden des Eurasischen Kontinents sowie die gute Zusammenarbeit der letzten 40 Jahre. Deutschland und China tragen eine große Verantwortung für die ganze Welt, so Herr Li. Man habe ehrliche Gespräche geführt und dabei auch unterschiedliche Ansichten ausgetauscht.

Der Bundeskanzler hebt die Wichtigkeit von Gesprächen in diesen Krisenzeiten hevor und kommt direkt auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Von Xi Jinping habe er gefordert, dass China der Verantwortung für Frieden in der Welt gerecht werden und ihren Einfluss auf Russland geltend machen solle. Xi und Scholz seien sich einig, dass atomare Drohgebärden unverantwortlich und brandgefährlich seien.

Herr Scholz kündigte außerdem eine enge Zusammenarbeit bei der Pandemiebekämpfung an, sowie die Zulassung des Biontech-Impfstoffs für in China lebende Ausländer.

Kurz erwähnte der Kanzler das Thema 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und China. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass der wirtschaftliche Austausch für deutsche Firmen schwieriger geworden sei. Denn China schotte sich in vielen Bereichen ab. Wirtschaftliche Autarkiebestrebungen und politische Zielsetzungen in China verfolge man mit Sorge. Auch seien Sanktionen gegen EU-Mitgliedsstaaten und einzelne Abgeordnete nicht akzeptabel.

Herr Scholz rief nach mehr Zusammenarbeit bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und beim Schutz der Biodiversität. Das Thema Hunger in der Welt nutze er für eine Forderung an Putin, das Abkommen zu Getreidelieferungen zu verlängern.

Zusammenarbeit könne etwas bewirken. Persönlicher Austausch sei wichtig. So könnten auch schwierige Themen angesprochen werden.

Sorgen mache der Kanzler sich um die Stabilität in der Region. China und die USA stünden hier in der Verantwortung. Der Status Quo im Verhältnis zwischen Festlandchina und Taiwan könne nur friedlich und gemeinsam verändert werden.

Menschenrechte sind in ihrer Gültigkeit universell. Das git für individuelle Bürger- und Freiheitsrechte genauso wie für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Und das gilt in besonderem Maße für den Schutz von Minderheitenrechten.

„Darauf haben sich alle Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichtet“. Mehrfach verbindet Herr Scholz seine Argumente mit dem Verweis auf Vereinbarungen innerhalb der Vereinten Nationen.

Diese Forderungen seien daher auch keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas.

In der Fragerunde nach der Pressekonferenz wiederholte der Kanzler, dass man Herausforderungen nur gemeinsam lösen könne. Der Besuch solle hier auch „ermuntern, einen eigenen Beitrag zu leisten.“

Den “richtigen” Zeitpunkt und die Wichtigkeit des Besuchs betont der Kanzler gern und mehrfach. Der Besuch habe so „etwas Bewegung in festgefahrene Strukturen gebracht“. Auch was die europäische Forderung nach einem “level playing field” im Umgang mit China geht, erhofft Herr Scholz sich Verbesserungen.

Menschenrechte müssten von Demokratien thematisiert werden, dies sei zentral. Der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog solle wieder Fahrt aufnehmen, so Scholz. Das Lieferkettengesetz sieht der Kanzler als ein „modernes, humanistisches“ Instrument zum Schutz von Menschenrechten weltweit.

Chinesische Reaktionen

Auszug aus der Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums zum Besuch des Kanzlers mit Blick auf den Ukraine-Krieg:

Unter den derzeitigen Umständen sollte die internationale Gemeinschaft: alle Bemühungen unterstützen, die einer friedlichen Beilegung der Ukraine-Krise förderlich sind, und die betroffenen Parteien auffordern, rational zu bleiben und Zurückhaltung zu üben, so schnell wie möglich ein direktes Engagement aufzunehmen und die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme von Gesprächen zu schaffen; sich der Androhung oder dem Einsatz von Atomwaffen widersetzen, dafür eintreten, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen und dass keine Atomkriege geführt werden dürfen, und eine Atomkrise in Eurasien verhindern […]

In der deutschsprachigen Berichterstattung der Volksrepublik findet die Aussage des Kern-Anführers zu Atomwaffen interessanterweise keinerlei Erwähnung:

Beide Spitzenpolitiker tauschten sich auch über die Ukraine-Krise aus. Xi Jinping erklärte, China unterstütze Deutschland und Europa dabei, eine wichtige Rolle bei der Förderung von Friedensgesprächen zu spielen sowie den Aufbau eines ausgewogenen, wirksamen und nachhaltigen europäischen Sicherheitsrahmens zu fördern.

(Quelle: Webseite der Botschaft der VR China)

Mehr zum Thema:

NZZ(€): Siemens, Infineon, Kuka: Deutsche Tech-Konzerne sind in China sehr aktiv

TAZ: Im Kriechgang nach China

GUARDIAN: China and Germany condemn Russian threat to use nuclear weapons in Ukraine

XINHUA: Xi meets German Chancellor Olaf Scholz

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Beitragsbild: N509FZ, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

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