#103 China-Ukraine: Xi Jinping telefoniert mit Wolodymyr Selenskyj

Ukraine-China, Xi Jinping Telefonat mit Wolodymyr Selenskyj

Ich hatte ein langes und wichtiges Telefongespräch mit Präsident Xi Jinping. Ich glaube, dass dieses Gespräch sowie die Ernennung des ukrainischen Botschafters in China der Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen einen starken Impuls verleihen werden.

Wolodymyr Selenskyj, via Twitter, 26.04.2023

China-Ukraine: Xi Jinping telefoniert erstmals seit Februar 2022 mit Wolodymyr Selenskyj

Das bilaterale Verhältnis zwischen der Ukraine und China war bis zum Februar 2022 von florierenden wirtschaftlichen Beziehungen geprägt. Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine war der Austausch Chinas allerdings eher einseitig. Während der enge Kontakt Chinas mit dem Nachbarn Russland auf höchster Ebene kontinuierlich ausgebaut wird – belegt durch die besondere Männerfreundschaft der “lieben Freunde” Xi Jinping und Wladimir Putin mit inzwischen 40 persönlichen Treffen und der “Gemeinsamen Erklärung” vom Februar 2022 – hielt sich der Kontakt mit der ukrainischen Seite seither sehr in Grenzen.

Seit dem Ende der Null-Covid-Politik hat die KP wieder Gäste aus aller Welt empfangen. Der belarussische Machthaber Lukaschenko war zum mehrtägigen Staatsbesuch in Peking. Europäische Spitzenpolitiker (Pedro Sánchez, Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen, Annalena Baerbock) reisten in die Volksrepublik und drängten auf eine aktive Vermittlerrolle Chinas. Kern-Anführer Xi Jinping reiste im März nach Moskau. Die Ukraine blieb bislang außen vor.

Kommentar aus Die Woche im Sinoskop (KW8/23):

Im zweiten Jahrzehnt unter Xi Jinping, und ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs, präsentiert sich die Führung der KP aktiv wie nie seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik vor mehr als 40 Jahren als “weise Großmacht” in der Welt und drängt auf Mit- bzw. Umgestaltung.

Im 21. Jahrhundert bietet sich die Volksrepublik mit “chinesischer Weisheit” als bessere Alternative zu den USA an und präsentiert – aktuell mit dem Positionspapier zur Globalen Sicherheitsinitiative – Vorschläge für eine neue Weltordnung.

Als Teil der Xiplomatie nahm Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi letzte Woche an der 59. Münchner Sicherheitskonferenz teil. Herr Wang besuchte während seiner Europareise außerdem Frankreich, Italien, Ungarn und traf Mitte dieser Woche zum Abschluss in Moskau Herrn Putin. “Felsenfest” und solide wie der Berg Tai (heiliger Berg des Daoismus, Shandong) seien die bilateralen Beziehungen, versicherte Wang Yi.

Heute wurde dann auch das von Wang Yi in München angekündigte Positionspapier Chinas veröffentlicht. In zwölf Punkten werden die bekannten Standpunkte der Volksrepublik aufgeführt. China behält somit weiterhin ihre selbsterklärte “neutrale” Position bei, wiederholt die Kritik am Westen und fordert u.a. ein Ende der “Mentalität des Kalten Krieges” sowie “einseitiger Sanktionen”.

Chinas Rolle im Ukraine-Krieg zeigt somit auch die Grenzen der chinesischen Bereitschaft zur Mit- bzw. Umgestaltung der Welt von Morgen auf. “Win-win”, “echter Multilateralismus” und eine “neue Art der internationalen Beziehungen”; die Umsetzung basiert auf Chinas Definition dieser Begriffe und dient letztlich einem Ziel: Xi Jinpings Mission vom großen Wiedererstarken der Nation.

Trägt China möglicherweise selbst zur stets von ihr selbst kritisierten Mentalität des Kalten Krieges und zu Blockdenken bei?

Eine konstruktive Vermittlerrolle ist für mich auch nach einem Jahr nicht erkennbar. Vielmehr wirken sowohl Chinas Äußerungen als auch ihr Schweigen wie eine Unterstützung Russlands. Analysen des Instituts für Internationale Finanzen, des US-Thinktanks C4ADS, und des Wall Street Journals legen darüber hinaus nahe, dass die Volksrepublik Russland mit Dual-Use-Gütern versorgt. Peking spricht von “Desinformation”.

“Gegenseitige Achtung der Souveränität und territorialen Integrität die politische Grundlage der Beziehungen zwischen China und der Ukraine.”

Bereits kurz vor Xi Jinpings Russland-Reise Mitte März berichtete das Wall Street Journal von einem möglichen Gespräch zwischen Xi und Selenskyj. Am 26. April kam es nun zum ersten persönlichen Telefonat der beiden Staatschefs seit Februar 2022.

Das chinesische Außenministerium veröffentlichte eine Mitteilung zu den Inhalten des Gesprächs (Auszug):

Die gegenseitige Achtung der Souveränität und territorialen Integrität ist die politische Grundlage der Beziehungen zwischen China und der Ukraine. Beide Seiten müssen in die Zukunft blicken, die bilateralen Beziehungen aus einer langfristigen Perspektive betrachten und handhaben, die Tradition des gegenseitigen Respekts und der Aufrichtigkeit fortführen und die strategische Partnerschaft zwischen China und der Ukraine vorantreiben. Chinas Bereitschaft, die Beziehungen zur Ukraine auszubauen, ist beständig und eindeutig. Unabhängig davon, wie sich die internationale Lage entwickelt, wird China mit der Ukraine zusammenarbeiten, um eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit zu fördern. […]

China hat die Krise in der Ukraine weder verursacht, noch ist es an ihr beteiligt. Als ständiges Mitglied des UNSicherheitsrats und verantwortungsbewusstes Land würde China nicht tatenlos zusehen, kein Öl ins Feuer gießen und schon gar nicht die Situation für eigene Zwecke ausnutzen. Alles, was China tut, ist legal. Dialog und Verhandlungen sind der einzig gangbare Weg nach vorn. In einem Atomkrieg gibt es keinen Gewinner. In der Nuklearfrage müssen alle betroffenen Parteien Ruhe bewahren und Zurückhaltung üben, wirklich im Interesse ihrer eigenen Zukunft und der der Menschheit handeln und die Krise gemeinsam bewältigen. […]

China wird die Friedensgespräche weiterhin unterstützen und sich für einen baldigen Waffenstillstand und die Wiederherstellung des Friedens einsetzen. China wird den Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung für eurasische Angelegenheiten in die Ukraine und andere Länder entsenden, um mit allen Parteien eingehende Gespräche über die politische Lösung der UkraineKrise zu führen. […]

China als Vermittler im Ukraine-Krieg?

Laut einer aktuellen IP-Forsa-Umfrage zweifelt die Mehrheit der Befragten in Deutschland (66%) an einer positiven Rolle Chinas als Vermittler. Vor allem mit Blick auf Chinas Einfluss auf Russland sehe ich diese durchaus als notwendig an, um einer Beilegung der militärischen Auseinandersetzung näher zu kommen.

Klar ist dabei auch: China verfolgt auch hier zuallererst die eigenen Interessen und Ziele, und lässt sich nicht in die Karten blicken. Mit Blick auf die Ukraine sind dies primär wirtschaftliche Interessen, u.a. die Wiederherstellung der Transportwege entlang der neuen Seidenstraße, des bilateralen Handels, der Wiederaufbau des durch den Krieg zerstörten Landes.

Auf internationaler Ebene dürfte die Betonung der Souveränität und territorialen Integrität dem Eigeninteresse der KP hinsichtlich der Taiwan-Frage dienen.

Nicht zuletzt ist die schrittweise diplomatische Aktivität im Ukraine-Krieg auch ein weiterer Baustein in Pekings globaler Strategie, sich als internationale Friedensmacht und (bessere) Alternative zu den USA zu etablieren.

Wie Pekings Vorschläge und Ankündigungen allerdings konkret aussehen sollen und werden, muss sich weiterhin zeigen. Der lange überfällige direkte Kontakt zwischen China und der Ukraine auf der höchsten Ebene ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ob es uns gefällt oder nicht: Geopolitik im 21. Jahrhundert geht ohne China nicht.

 

ARTE: Telefonat zwischen Xi und Selenskyj: So will China den Krieg beenden

 

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